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Thilo Sarrazin – „Sinn und Unsinn von Political Correctness“

Thilo Sarrazin

Der frühere Berliner Finanzsenator und Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin hielt auf Einladung des Friedrich A. v. Hayek Instituts am Abend des 19.11.2014 einen Vortrag in Wien über „Sinn und Unsinn von Political Correctness“. Im Anschluss stellte sich der Bestsellerautor („Deutschland schafft sich ab“) den Fragen der Vorstandsmitglieder des Hayek Instituts Meinhard Platzer und Andreas Unterberger, der die Publikumsfragen moderierte.

In ihrer Begrüßung betonte die Präsidentin des Hayek Instituts, Barbara Kolm, dass die liberale Gleichheit und Gleichbehandlung vor dem Gesetz mit dem dzt. herrschenden Gleichheitsglauben mit der einhergehenden Forderung nach Verteilungsgerechtigkeit nichts zu tun habe. Es sei wichtig, eine Trennlinie zu ziehen und nicht zu simplifizieren bspw., dass Ungleichheit automatisch Ungerechtigkeit bedeute.

Sarrazin nahm auf sein kürzlich erschienenes Buch „Der neue Tugendterror“ Bezug und sagt über die Meinungsfreiheit in Deutschland, dass gegenwärtig die Gesellschaft einer extremen Gleichheitsideologie verfallen sei. Meinungsprägende Journalisten und Medienfachleute, deren politische Präferenzen überwiegend links der Mitte liegen, nähmen sehr großen Einfluss auf den politischen Prozess und schrieben Bürgern quasi ihre Haltung und politische Meinung vor. Anhand von 14 Axiomen wie „Wer reich ist, sollte sich schuldig fühlen“, „Alle Kulturen sind gleichwertig“ oder „Sekundärtugenden wie Fleiß und Pünktlichkeit haben keinen besonderen Wert“ erklärt Sarrazin das in den Medien vorherrschende Meinungsbild. Er bemerkt, dass „die Gleichheitsideologie zu vermeiden versucht, an der Wirklichkeit messbar zu sein“ Wer einem oder mehreren der Axiome widerspreche, werden augenblicklich als „Rassist“ gebrandmarkt. Beispielsweise werde von einem „Rassismus der Geschlechter“ oder von einem „Rassismus gegen Türken“ gesprochen. „Diese Begriffsverdrehung verharmlost nicht nur den wirklichen Rassismus, der natürlich entschieden abzulehnen ist. Auch drängt man damit kritische Bürger vollkommen ungerechtfertigt in Nähe von extremistischen Bewegungen wie des Nationalsozialismus.“

Sarrazin stellte die These auf, dass unsere Gesellschaft einem gefährlichen Gleichheitswahn verfallen sei. Es gehe nicht vornehmlich darum, Gleichheit vor dem Gesetz durchzusetzen, sondern darum, Staats-, oder je nach Anschauung auch Weltbürger an Hand einiger sozioökonomischer Indikatoren aneinander anzugleichen. Sollten dennoch Unterschiede zwischen einzelnen Gruppen einer Gesellschaft bestehen, so dürfe man offensichtlich nicht mehr auf diese hinweisen. Beispielsweise werden Bewertungen von fremden Kulturen, die Erwähnung etwaiger Unterschiede zwischen den Geschlechtern oder die Kritik am Islam allesamt nicht mehr toleriert. „Gleichheitsapostel, radikale Feministinnen und Dschihad-Krieger haben etwas gemein: Sie alle glauben an die vollkommene Wahrheit ihrer Überzeugungen.“ „Wir leben heutzutage größtenteils in einem gesellschaftlichen Umfeld“, so Sarrazin „in dem wirtschaftlicher oder schulischer Erfolg keinesfalls mit der Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen in Verbindung gebracht werden dürfe.“

Die Ursprünge des vorherrschenden Tugendterrors macht Sarrazin im Marxismus, im Katholizismus wie in der französischen Revolution ausfindig. Das korrespondierende Menschenbild sieht den Menschen als „leere Tafel, die beliebig gefüllt und vom jeweiligen Umfeld umgeformt werden kann und die keinerlei Einflüssen seitens der Genetik oder anderer Prädispositionen unterworfen ist.“ Auch sieht Sarrazin, warum es für viele Menschen attraktiv ist, anderen ihre Meinung vorzuschreiben: „Der Tugendterror ist eine äußerst angenehme Sinneserfahrung für alle jene, die sich in seinen Dienst stellen“, konstatiert der Autor. „Indem man sich der Durchsetzung seiner eigenen Wertvorstellung verschreibt, kann man sich moralisch überlegen fühlen und durch den übertriebenen Einsatz für gewisse Werte von etwaigen Unzulänglichkeiten des eigenen Lebens ablenken.“

Gleichzeitig weiß Sarrazin aber auch, dass „Wertewandel nicht durch Komitees bestimmt werden, sondern langsam durch unbewusste Prozesse in der menschlichen Interaktion entstehen.“ Dennoch „koste es extreme Mühen, sich diesen kollektiven Denkverboten zu entziehen.“ Hier sei aber, so Sarrazin, jeder einzelne von uns gefordert. „Kant definierte Aufklärung als den Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Das lässt sich sehr gut auf den Fall des Tugendterrors anwenden. Die rechtlichen Grundlagen zur freien Meinungsäußerung haben wir ja – wir müssen uns nur trauen, sie auch zu nutzen!“

Author

Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.

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