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2022: Starker Start in das neue Jahr

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Ob es die wachsende Macht des Staates ist, die die bürgerlichen Freiheiten verdrängt, das Gespenst der Inflation der 1970er Jahre oder das immer wiederkehrende Problem, Wohlstand statt Schulden an die jüngere Generation weiterzugeben – viele Menschen haben das deutliche Gefühl, in einer Zeit großer Unsicherheit zu leben. In solchen Momenten suchen sie bei den Vordenkern nach Klarheit und Orientierung. Hayek wusste dies bereits, als er Sir Antony Fisher riet, eine Denkfabrik zu gründen, anstatt in die Politik zu gehen, wenn er wirklich etwas bewirken wolle. Fisher befolgte seinen Rat klugerweise und gründete schließlich das Institute of Economic Affairs (IEA). Hayek wusste, dass es von entscheidender Bedeutung war, sich mit gleichgesinnten Verteidigern der Freiheit zusammenzuschließen, als er vor 75 Jahren die Mont Pèlerin Society gründete. Wir wissen das auch. Und wir könnten uns keinen besseren Auftakt für dieses Jahr vorstellen, als mit der Neujahrsbotschaft von Prof. Dr. Stefan Kooths, dem Vorsitzenden der Hayek-Gesellschaft in Deutschland, einen solchen gleichgesinnten Verbündeten zu präsentieren. Prof. Dr. Kooths hat uns freundlicherweise erlaubt, ihn hier zu veröffentlichen:

Das vergangene Jahr bot mit dem fünfzigjährigen Jubiläum der deutschen Ausgabe von Hayeks „Verfassung der Freiheit“ einen wichtigen Anlass, sich über die Grundlagen und das Wesen einer freien Gesellschaft tiefgründig auszutauschen. Auf den Hayek-Tagen in Würzburg und dem Forum Freiheit in Potsdam gab es reichlich Gelegenheit und Bedarf dazu. Auch deshalb, weil die Freiheit in weiten Teilen der westlichen Welt nicht in guter Verfassung ist. Polarisierung, Diffamierung und ein zunehmend eingeengtes Debattenspektrum schaden dem politischen Diskurs – dem Lebenselixier der offenen Gesellschaft. So werden auch diejenigen, die Brücken zwischen den Lagern bauen wollen, in einer Wer-nicht-für-uns-ist-ist-gegen-uns-Attitüde ihrerseits in Ecken geschoben, mit denen sie nichts zu tun haben. Einschüchterung nährt ein Klima des öffentlichen Konformismus. Wenn Eigenverantwortung zur Floskel des Jahres herabsinkt und das Pochen auf Grundrechte nur noch als Freiheitsgesäusel gilt, dann steht es schlecht um die freie Gesellschaft. Die Manipulation der Sprache ist seit jeher ein Anzeichen für illiberale Tendenzen.

Zur Meinungsfreiheit gehört mehr als ein formal festgeschriebenes Grundrecht – sie muss in einer Demokratie auch gelebt werden können, ohne feindseligen Verdächtigungen ausgesetzt zu sein. Ein übermoralisierender Diskurs, bei dem unliebsame Positionen mit grotesken Extremismus-Keulen niedergedrückt werden, schadet dem Gemeinwesen und schürt nur weitere Polarisierung. Zudem gilt wohl auch für das Gefühl moralischer Überlegenheit das allgemeine Nachfragegesetz: Je billiger etwas zu haben ist, desto mehr Menschen greifen zu. Gratismut wird bis zur Sättigungsgrenze abgegriffen. Zivilcourage bleibt hingegen eine Kostbarkeit, die sich nicht jeder leisten will. Dies umso weniger, wenn reflexhafte Empörungsrituale das Eintreten für Minderheitspositionen weiter verteuern und Andersdenkenden pauschal üble Absichten unterstellt werden. Ausnahmslos jeder Fortschritt wurde zunächst von kleinen Minderheiten angestoßen. Freilich können dabei auch viele unsinnige Ideen entstehen. Einen politischen Filter für das, was sich später einmal bewährt, wird man aber vergeblich suchen. Liberale setzen auf die Mündigkeit von Bürgern, die in einem freien Diskursumfeld sehr wohl selbst über Gut und Böse, richtig und falsch urteilen können. Für betreutes Denken ist in einem freien Land kein Platz. Es würde ein höheres Wissen voraussetzen, das sich nur diejenigen anmaßen, denen die Ideen Hayeks nie begegnet sind.

Liberale tun gut daran, unbeirrt auf die Kraft der besseren Ideen zu setzen und sich von keiner Seite provozieren oder vereinnahmen zu lassen, zumal sich die Polarisierung früher oder später selbst ad absurdum führen muss. In der Hayek-Gesellschaft haben wir das Privileg, gesellschaftliche Entwicklungen jenseits der Parteipolitik diskutieren zu können. Das soll die Arbeit derjenigen nicht schmälern, die in den Parteien für liberale Inhalte streiten. Ihnen gebührt Verständnis für die Notwendigkeit von Kompromissen. Allerdings sollten diese dann auch als solche erkennbar werden und nicht der Eindruck entstehen, das Regierungshandeln diene letztlich nur individuellen Freiheitsspielräumen. Davon ist die Politik in diesem Land jedenfalls weit entfernt. Der Freiheitsbegriff leidet, wenn krampfhaft alles staatliche Handeln als Dienst an der Freiheit deklariert wird: „Freiheit ist Freiheit, nicht Gleichheit oder Fairness oder Gerechtigkeit oder Kultur oder menschliches Glück oder ein ruhiges Gewissen“ (Dahrendorf). Liberalen fällt kein Zacken aus der freiheitlichen Krone, auch Trade-offs anzuerkennen.

Prof. Dr. Stefan Kooths ist Vorsitzender / Chairman der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft.

Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.

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