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05.06.2020
Auf der Suche nach einem mutigen Konservatismus

von Juan D. Estevez
In den letzten Jahren wurde ein Trend in der politischen Landschaft zunehmend deutlich: Konservative Parteien verlieren ihre Identität; entweder geraten sie in die Richtungslosigkeit und Seichtheit oder sie werden von Populisten – teils autoritären Politikern – unterwandert. Die Jahre in denen Ronald Reagan noch den American Dream bejubelte und die Republikanische Partei in den USA zum Beispiel klare Positionen vertrat – etwa für einen begrenzten Staat, individuelle Freiheit und fiskalische Verantwortlichkeit – sind leider schon längst vorbei.
Ein Blick nach Westeuropa zeigt eine ähnliche Entwicklung. In Ländern wie Italien, Frankreich und Spanien sind die Stimmen des Konservatismus durch die Identitätspolitik der Rechtsnationalen ersetzt worden. Über die Situation in Polen und Ungarn ist die Rede gar nicht erst wert. Andererseits bleiben in Deutschland die Christdemokraten stärkste Kraft; jedoch ist der parteiinterne Bedarf auf eine Erneuerung mehr als nötig. Es kann manchmal so wirken, als ob in einer Zeit, in der Digitalisierung und Klimawandel zu wichtigen alltäglichen Themen geworden sind, es keinen Platz mehr für bürgerliche, konservative Parteien gibt.
Jedoch zeigen die britischen Tories, dass eben solche beliebten Themen auch mit konservativen Werten zu vereinbaren sind. Margaret Thatcher zum Beispiel war die erste Politikerin, die die Gefahr des Klimawandels auf internationaler Bühne thematisierte als sie 1989 ihre bekannte Rede vor der Generalversammlung der UNO hielt. Für Thatcher war Klimawandel gleich nach dem Kommunismus und potenziellen Nuklearkriegen die größte Gefahr für die Menschheit. Sie deutete an, dass der freie Markt und seine Anreize wichtige Innovationen für ein ökologisches Leben liefern könnten. Noch aktueller setzte sich der bis 2016 amtierende Premierminister David Cameron in der Partei mit seinen „liberalkonservativen“ Ideen durch. Unter seine Führung wurde die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet. Später würde Cameron erklären, dies sei einer seiner wichtigsten politischen Erfolgen gewesen.
Neue Ideen und Lösungsansätze sollte Konservative in Europa nicht abschrecken, denn blind bewahren nur um des Bewahrens Willen wird keinen Wohlstand und Fortschritt schaffen. Um die neuen Herausforderungen zu begegnen, müssen wir aber unsere Traditionen und Werte nicht aufgeben. Es geht nicht darum die Gesellschaft neu zu gestalten oder unsere Lebensweise massiv zu verändern. Es geht eher darum, dass wir unsere bestehenden Institutionen, die durch Generationen entstanden sind, weiterentwickeln. Nein, wir müssen das Rad nicht zerstören oder es neu erfinden, sondern es verbessern. Konservative müssen die Fehler und Schwächen in unseren Institutionen anerkennen und diese innerhalb den bestehenden Strukturen ändern.
Während die große Mehrheit der westeuropäischen Konservativen nach einem roten Faden sucht, sieht die Situation in Österreich anders aus. Hier wehrt sich das Land gegen den Trend, die ÖVP genießt so viel Unterstützung wie seit Langem nicht mehr. Doch dieser Erfolg ist nicht nur an Sebastian Kurz und der Farbenänderung der Partei zurückzuführen: Die Österreichische Volkspartei vertritt einen Konservatismus, der sich eher an die britische Tradition hält – weniger Regeln, dafür mehr Eigenverantwortung.
Zumindest laut dem Regierungsprogramm 2020 zählen dazu Entlastungen der Bürger durch Steuersenkungen, ein sorgsamer und effizienter Umgang mit dem Geld der Steuerzahler, eine Ende der Schuldenpolitik, Entlastung der Wirtschaft – und sogar die Abschaffung der Schaumweinsteuer! Auch Themen wie dem Klimaschutz und Digitalisierung wird sich gewidmet. Zusammen mit anderen liberalkonservativen Staaten hat man sich auf der EU-Ebene zusammengeschlossen, um gegen die endlose Gelddruckmaschine und Vergemeinschaftung der Schulden zu kämpfen.
Nur die Zeit wird zeigen, ob dieser Richtungswechsel in Österreich langfristige Änderungen mit sich bringt oder doch nur in ein kurzfristiges Machtspiel einer One-Man-Show abgleitet. Doch trotzdem präsentiert sich hier eine Chance für eine neue Politik in Europa, eines neuen Konservatismus, in dem der Staat klare Spielregeln setzt, aber nicht in Paternalismus abwandert. Gerade solche Stimmen braucht Europa heute, wenn von allen Seiten die Forderungen nach mehr Staat kommen.
Juan D. Estevez studiert Politikwissenschaften und Betriebswirtschaft an der Goethe Universität in Frankfurt.
Bildquelle: National Archives (Public Domain)
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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