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22.10.2014
Aufbruch nach Brüssel?

© wikimedia commons
Albanien hofft, EU-Beitrittskandidat zu werden. Das Ende der Flat-Tax soll den Schuldenabbau ermöglichen. Wer steckt hinter dem Fiskalpakt der neuen Regierung?
von Raoul Sylvster Kirschbichler
Wir befinden uns im Jahre 2014 n. Chr. In ganz Europa herrscht eine berechtigte Skepsis gegenüber der amerikanischen Außenpolitik. In ganz Europa? Nein! In einem kleinen Land am Balkan wird die US-Außenpolitik geachtet und geschätzt. So beliebt wie in Albanien sind die Amerikaner in keinem anderen europäischen Land.
Es herrscht große uneingeschränkte Dankbarkeit in Albanien. Denn unter der Führung von Bill Clinton wurde der serbische Staat im Sommer 1999 durch die Luftangriffe der NATO aus dem Kosovo vertrieben. Washington hat wesentlich zur Entstehung eines zweiten albanischen Staates beigetragen. Seither ist der zu mehr als neunzig Prozent von Albanern bewohnte Kosovo auf dem Weg zur Unabhängigkeit. Insgesamt 109 der 193 UN-Mitgliedstaaten erkennen die Republik Kosovo mittlerweile als unabhängig an.
Doch US-Präsidenten sind in Tirana auch deshalb gern gesehen, weil sie, anders als die Vertreter der Europäischen Union, keine zermürbenden Reformbemühungen einmahnen. Trotzdem hofft Albanien, so schnell wie möglich der EU beitreten zu können. Denn das Goldene Zeitalter der albanischen Wirtschaft, als die dynamische Transformation von der Plan- zur Marktwirtschaft noch Wachstumsraten bis zu 6 Prozent (2003-2008) mit sich brachte, ist endgültig vorbei. Mittlerweile hat der lange Schatten der Euro-Krise auch die albanische Volkswirtschaft eingeholt. Im letzten Jahr konnte – laut Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) – nur noch 0,7 Prozent Wachstum erzielt werden.
Trotz Flat-Tax ist es dem ehemaligen Ministerpräsidenten Sali Ram Berisha nicht gelungen, ein attraktives Investitionsklima zu schaffen. Strukturelle Schwächen, Korruption, mangelnde Rechtssicherheit, Wirtschaftskriminalität, ineffiziente Institutionen und ein chronischer Fachkräftemangel haben viele Investoren abgeschreckt. Zudem hatte sich der ehemalige Regierungschef eine nationalistische Rhetorik zugelegt, die immer wieder auf die Notwendigkeit der Vereinigung aller Albaner auf dem Balkan zielte. Bis der amerikanische Botschafter in Tirana in fast undiplomatischer Klarheit die nationalistische Wortwahl im Gastland bedauerte. Schließlich gefährde die großalbanische Rhetorik die regionale Stabilität auf dem Balkan.
Für heuer prognostizieren Optimisten immerhin einen Zuwachs von rund 2,1 Prozent. Nominal erreicht die albanische Wertschöpfung heuer rund 10 Milliarden Euro. Somit verdient jeder der 2,8 Millionen Albaner nur 3700 Euro pro Jahr – der Balkanstaat ist und bleibt eines der ärmsten Länder Europas. Auch die albanischen Löhne und Gehälter gehören zu den niedrigsten in Europa. Wie viel ein Mitarbeiter verdienen kann, hängt in Albanien nicht nur von seiner Qualifikation ab, sondern auch von der Lage des Arbeitsplatzes: Hauptstadt versus restliche Landesteile. Der von der Regierung im Jahresturnus neu fixierte Mindestlohn beläuft sich seit Anfang Juli 2013 auf 22.000 Leke (158 Euro) pro Monat. Der durchschnittliche Bruttodurchschnittslohn für Beschäftigte im öffentlichen Sektor lag im Jahr 2012 bei knapp 50.100 Leke, also rund 360 Euro.
Doch das größte Problem ist und bleibt die Verschuldung der öffentlichen Hand. Der Budgetsaldo ist kontinuierlich negativ. Standard & Poor´s (S&P) hatten für 2013 ursprünglich mit einem Schuldenstand von 58% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) gerechnet. Doch die Staatsschulden sind gerade im Wahljahr 2013 auf 67 Prozent angestiegen. Angeblich soll das einzig und allein darauf zurückzuführen sein, dass die neue Regierung unter dem Sozialdemokrat Edi Rama ihre Schulden gegenüber verschiedenen Unternehmen beglichen hat. Laut Angaben des IWF sollen es sich um mindestens 55 Mrd. Leke oder (rund 390 Mio. Euro) handeln, also etwa 4% des aktuellen BIP ausmachen. Für Schuldentitel in ausländischer wie lokaler Währung ging es bei Standard & Poor´s innerhalb des ohnehin bereits als recht riskant bewerteten Bereichs des „Non-Investment Grade“ von B+ auf B herunter, bei einem gleichbleibenden negativen Ausblick.
Albaniens Ministerpräsident Edi Rama versucht, seit seinem Wahlsieg im September letzten Jahres, seine Wahlversprechen zumindest ansatzweise umzusetzen: Die Flat-Tax von 10% auf Löhne und Gehälter wurde mittlerweile aufgegeben. Für Einkommen zwischen 30.000 und bis zu 130.000 Leke (215 bis 930 Euro) gilt nun ein Steuersatz von 13%. Wer mehr als 130.000 Leke verdient, für den gilt ein Spitzensteuersatz von 23 Prozent. Die Erhöhung der Körperschaftssteuer von 10 auf 15 Prozent betrifft in erster Linie Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 8 Mio. Leke ( rund 57.000 Euro).
Doch Steuererhöhungen können weder dringend notwendige Wachstumsimpulse, noch strukturelle Reformen ersetzen. Schon gar nicht die Suche nach neuen Exportmärkten. Schließlich geht es darum eine konkurrenzfähige Exportwirtschaft aufzubauen, die nicht einzig und allein auf den Hauptabnehmer (51 Prozent) Italien konzentriert ist. Vor allem Albaniens Industrie leidet unter der Krise in den Abnehmerländern.
Das Leistungsbilanzdefizit ist mit zehn Prozent der Wirtschaftsleistung viel zu hoch. Albanien ist damit auf ständige Kapitalzufuhr von außen angewiesen. Doch gerade die großen Reformgelder bleiben aufgrund der rückständigen Verhältnisse im Land aus. Vorerst hilft der Internationale Währungsfonds (IWF) dem Land mit einem Kredit in der Höhe von 300 Mio. Euro. Seine Laufzeit beträgt vorerst 36 Monate.
Übrigens: Das kurz vor dem Jahreswechsel 2013/14 verabschiedete umfangreiche Fiskalpaket, bestehend aus acht Einzelverordnungen, trägt nicht zuletzt auch die Handschrift des IWF.
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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