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19.01.2021
Bitcoin ist eine Bedrohung – und das ist gut so!

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Seitdem Bitcoin mit etwa 41.000 Dollar einen neuen Höchststand markiert hat, wird wieder heiß über ihn diskutiert. Die Medien berichten ausgiebig über ihn, und meist geht es dabei um neue Kursstände (wobei diese Artikel dann meist kurz nach ihrem Erscheinen bereits wieder obsolet sind), um den Stromverbrauch und damit die Klimaschädlichkeit sowie um kriminelle Handlungen mit oder im Zusammenhang mit Bitcoin. Mit dem Interesse explodiert auch die Nachfrage – immer mehr Geld fließt aus Fiat-Währungen in Kryptowährungen. Die Marktkapitalisierung der Kryptowährungen hat erst kürzlich die Marke von einer Billion Dollar übersprungen.
Dabei werden Kryptowährungen vor allem im Rahmen einer klassischen Geldfunktion immer attraktiver, nämlich im Rahmen der Funktion als Wertspeicher. Befürchtet wird nämlich, dass die Fiat-Währungen angesichts der geldpolitischen Reaktionen auf die COVID-19-Pandemie diese Funktion in Zukunft noch schlechter erfüllen werden können als bisher. Dass diese Entwicklung mit Sorge in den Zentralbanken zur Kenntnis genommen wird, sollte nicht verwundern. Vor dem Hintergrund ist auch verständlich, dass Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank und frühere Direktorin des Internationalen Währungsfonds, wohl nicht zu den größten Anhängern von Bitcoin zählt. Am 13. Januar äußerte sie sich in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters negativ zur Kryptowährung.
Das Interview ist unter https://twitter.com/Reuters/status/1349341678335893504 abzurufen. Zusammengefasst meinte Frau Lagarde, dass es sich bei Bitcoin nicht um eine Währung, sondern um ein hochspekulatives Asset handelt. Zudem seien mit Bitcoin „some funny business“ sowie Geldwäsche durchgeführt worden. Belege für diese Behauptungen lieferte sie nicht. Sie forderte Regulierungen für Bitcoin, und diese Regulierungen müssten auf globaler Ebene stattfinden, meinte Lagarde.
Nun weiß Lagarde vermutlich, dass Bitcoin nicht regulierbar ist – zumindest nicht auf herkömmlichem Weg. Die Regeln für Bitcoin sind im Protokoll festgelegt, und das Protokoll in einer Art und Weise zu ändern, die staatlicher Regulierung entsprechen würde, ist nicht ohne weiteres möglich, weil es keine zentrale Stelle gibt, die eine solche Regulierung durchsetzen könnte. Es ist nicht davon auszugehen, dass Frau Lagarde das nicht weiß. Ihre Aussagen können daher entweder als ein Akt der Verzweiflung, als der Versuch, Zweifel an und Widerstand gegenüber Bitcoin zu erzeugen oder als gezielte Aussagen, mit denen der Boden für andere Maßnahmen aufbereitet werden soll, gewertet werden.
Dass es sich um einen Akt der Verzweiflung handelt, halte ich derzeit für unwahrscheinlich. Um Verzweiflung bei Zentralbanken auszulösen, ist der gesamte Kryptowährungsmarkt noch zu klein und unbedeutend. Dass jedoch angesichts der Entwicklungen Sorge besteht, ist relativ offensichtlich. Dass Lagarde daher mit ihren Aussagen versuchte, Zweifel an Bitcoin zu säen und den Widerstand gegenüber Bitcoin zu erhöhen, ist sehr wahrscheinlich. Ob ihr das jedoch gelungen ist, ist fraglich – wie auch ein Blick auf die Kommentare unter ihrem Video zeigt. Es scheint im Wesentlichen zwei Fraktionen zu geben, und ihre Aussagen scheinen kaum jemanden davon überzeugt zu haben, nun kritischer gegenüber Bitcoin eingestellt zu sein. Wenn überhaupt, scheinen ihre Aussagen den gegenteiligen Effekt gehabt zu haben.
Der echte Grund für die Aussagen liegt aus meiner Sicht wahrscheinlich darin, dass versucht werden soll, den Boden für eine verschärfte Gangart gegenüber Kryptowährungen aufzubereiten. Dabei sind drei Maßnahmen naheliegend:
- Den Kauf und Verkauf von Kryptowährungen erschweren
- Eine Besteuerung von Kryptowährungen
- Ein Verbot von Kryptowährungen
Der Kauf und Verkauf von Kryptowährungen unterliegt ohnehin schon relativ starken Regulierungen, die in den letzten Jahren immer weiter ausgebaut wurden. Für jemanden, der sich nicht im Detail mit der Materie Krypotwährungen auseinandergesetzt hat, ist es schon relativ schwierig, eine solche anonym zu erwerben oder zu verkaufen. Auch viele Wallets („Brieftaschen“ für Kryptowährungen) erfordern mittlerweile eine Identifikation des Benutzers. Ein erster logischer Schritt wäre es, hier anzusetzen und es zu erschweren, Kryptowährungen mit Fiat-Währungen zu kaufen. Auch ein Erschweren des Kaufs von Fiat-Währungen mit Kryptowährungen wäre denkbar, aber im ersten Schritt unwahrscheinlich, weil es im Interesse der Zentralbanken und der Politik ist, dass Geld aus dem Krypto-Bereich in die Fiat-Währungen fließt.
Im zweiten Schritt ist eine Besteuerung von Kryptowährungen wahrscheinlich. Noch ist jedoch völlig unklar, wie eine solche Besteuerung aussehen soll. Wenn alle Halter einer Kryptowährung vom Anschaffen der Kryptowährung mit einer Fiat-Währung bis zum Verkauf der Kryptowährung für eine Fiat-Währung bekannt sind, ist eine Besteuerung kein grundsätzliches Problem. Jedoch gibt es nach wie vor eine große Anzahl von anonymen Wallets, sodass eine Besteuerung von Kryptowährungen nicht einfach umzusetzen sein dürfte.
Falls die beiden ersten Schritte aus Sicht der Zentralbanken und der Politik nicht ausreichen, um den Kryptowährungen den Wind aus den Segeln zu nehmen, wird man als ultima ratio ein Verbot von Kryptowährungen in Betracht ziehen, wobei grundsätzlich zwei Arten von Verboten denkbar sind: erstens ein Verbot des Minings bzw. der Aufrechterhaltung des Netzwerks, und zweitens ein Verbot des Handelns mit Kryptowährungen. Es ist aber sehr fraglich, ob ein solches Verbot überhaupt sinnvoll durchsetzbar wäre.
Warum man alles versucht, um Bitcoin & Co unter Kontrolle zu bekommen, ist naheliegend: Diese Kryptowährungen ermöglichen keine zentrale Kontrolle und Steuerung. Sie würden durch ihre Funktion Banken und vor allem Zentralbanken überflüssig machen und Staaten die Kontrolle über das Geldsystem entziehen. Weil die Kontrolle über das Geldsystem eine der tragenden Säulen staatlicher Macht ist, müssen Kryptowährungen bekämpft werden.
Was aber, wenn die Konkurrenz durch Kryptowährungen dafür sorgt, dass staatliche Währungen besser als bisher gemanaged werden? Was, wenn Personen deshalb in Kryptowährungen flüchten, weil ihrer Ansicht nach zumindest manche Funktionen des Geldes von ihnen besser erfüllt werden? Was, wenn sich zeigt, dass Kryptowährungen im Vergleich mit staatlichen Fiat-Währungen tatsächlich besser funktionieren? Eine „Regulierung“ von Kryptowährungen wäre dann punktgenau die falsche Antwort, denn sie würde den Zweck haben, jede Innovation, jeden Fortschritt in diesem Bereich im Keim zu ersticken.
Kryptowährungen haben problematische Aspekte, und niemand bestreitet das. Wie auch staatliche Fiat-Währungen problematische Aspekte haben. Ja, Kryptowährungen stellen eine Bedrohung dar. Eine Bedrohung aber, die dringend notwendig ist, und zwar als Gegengewicht zu den geldpolitischen Exzessen der Gegenwart. Und: Sie könnten sehr bald schon eine dringend nötige Alternative zum staatlichen Geldsystem darstellen.
„Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.“
Mahatma Gandhi
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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