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Brexit und Freihandel: Ein Interview mit Daniel Hannan

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Daniel Hannan ist ein Mitglied des Europäischen Parlaments für die britische Konservative Partei und bekannt als einer der stärksten Verfechter für Brexit innerhalb der Tories – The Guardian beschrieb ihn einst als „Der Mann, der Euch Brexit brachte”. Unser Kai Weiß hat sich mit ihm in Brüssel zusammengesetzt, um sich über den Austritt Großbritanniens aus der EU und Freihandel im Allgemeinen zu unterhalten.

Kai Weiß: Ende Letzten Jahres gründeten Sie die „Initiative for Free Trade und auch darüber hinaus versuchen Sie die Vorteile des freien Handels so gut als möglich hervorzuheben – all dass wobei dieser doch momentan rund um die Welt unter Kritik steht. Ganz allgemein also – warum ist Freihandel so wichtig?

Daniel Hannan: Der Freihandel ist der Garant dafür gewesen, dass die Menschheit einen Grad an Wohlstand erreichen konnte, von welchem unsere Vorfahren nicht einmal geträumt hätten. Das Paradox unserer Zeit ist, dass gerade als die Armut verschwindet und sogar Menschen in den ärmsten Ländern einer deutlich besseren Zukunft entgegenblicken, wir uns gegen eben dieses System wenden, welches all dies ermöglicht hat.

Der Guardian beschrieb Sie als „Der Mann, der Euch Brexit brachte. Sie waren und sind ein Brexit-Befürworter, dies mitunter aus Gründen des Freihandels – doch wie soll das Verlassen der EU, der selbstbetitelten „Bastion des Freihandels“, zu mehr Freihandel für Großbritannien führen?

Der Freihandel war nicht der einzige Grund, es ging mir hauptsächlich um Demokratie. Aber ich glaube trotzdem, dass das Verlassen der EU uns viele Möglichkeiten bietet, unsere Märkte weiter zu öffnen. Die EU ist ein Binnenmarkt, aber wie alle Zollunionen brachte dieser nach innengerichtete Freihandel zu einem gewissen Grad auch einen nach ausgerichteten Protektionismus mit sich, teilweise durch Zölle, besonders auf Essen und Kleidung, aber hauptsächlich durch nichttarifäre Handelshemmnisse. Ich hoffe, dass Großbritannien außerhalb der Europäischen Union diese Art von Fehlern vermeiden kann und in Handelsfragen dem Beispiel Singapurs oder Hong Kongs folgt. Ehrlicherweise muss hier gesagt werden, dass dies viel mehr für Großbritannien als für die meisten anderen EU-Staaten gilt. Aus historischen und geographischen Gründen handeln wir bedeutend mehr außerhalb der EU: Der Handel mit der EU machte letztes Jahr nur etwa 44 Prozent unseres Exports aus. Ich glaube wir sind das einzige Mitgliedsland, welches mehr an den Rest der Welt als innerhalb der EU verkauft – sogar die Schweiz exportiert 64 Prozent in die EU, bei Belgien sind es sogar über 70 Prozent. Ich könnte also als Belgier die Argumentation verstehen: „Die EU macht einen derart großen Teil unseres Marktes aus, es ist es wert, unsere Wirtschaftspolitik in den europäischen Markt zu integrieren“. Dieses Argument trifft aber einfach nicht so sehr zu, wenn die eigene Wirtschaft eher atlantisch als europäisch ausgerichtet ist.

Sind Sie auch jetzt noch, eineinhalb Jahre nach dem Brexit-Votum, davon überzeugt, dass Großbritannien sich handelspolitisch zu einer Art Singapur oder Hong Kong entwickeln wird?

Das liegt ganz an uns, das ist die Essenz der Demokratie. Freiheit bedeutet auch die Freiheit zu scheitern. Wir könnten es Singapur gleichtun oder wir imitieren Venezuela – oder irgendetwas dazwischen. Die Entscheidung wird ganz die unsere sein. Das ist das Großartige an der Verantwortung, die die Wähler tragen. Ich würde lieber in einem Land wohnen in welchem Menschen die Freiheit haben Fehler zu machen, als in einem Land in welchem Bürokraten mir, der öffentlichen Meinung ungeachtet, sagen können was ich zu tun und zu lassen habe.

In Ihrem Buch „How We Invented Freedom & Why It Matters“ plädieren Sie dafür, dass sich das Vereinigte Königreich wieder auf den angelsächsischen Raum konzentrieren sollte. Würden Sie sagen, dass dies trotz der Antihandelspolitik von Staatsoberhäuptern wie Trump und Trudeau eine Alternative für Großbritannien darstellen könnte?

Sie sind interessanterweise nicht gegen den Handel mit Großbritannien. Trump spricht immer sehr enthusiastisch über einen britisch-US-amerikanischen Handelsvertrag – es scheint der einzige Handelsvertrag zu sein, der ihn tatsächlich interessiert. In unserer modernen Wirtschaft werden durch das Internet, günstige Flüge und Frachtwege, geographische Faktoren – oder die Nähe zueinander – zunehmend unwichtiger, während solche Dinge wie gemeinsame Sprachen, Kulturen und Rechtssysteme an Wichtigkeit gewinnen. Es wäre selbst vor zwanzig Jahren viel, viel schwerer gewesen das gleiche Handelsvolumen mit zum Beispiel Neuseeland zu haben, welches heute gehandelt wird. Wenn wir uns die Wachstumsraten einiger Commonwealth-Länder ansehen, scheint es für mich so als gewinne dieser Trend mit den Jahren immer mehr an Bedeutung.  Natürlich will ich auch einen freien Handel mit unseren Freunden in Europa und wir haben ein sehr starkes Interesse an einem Weiterbestehen und dem Erfolg einer prosperierenden europäischen Wirtschaft – das Letzte, das wir wollen ist eine weitere Krise in der Eurozone oder einen Abschwung, welcher unseren Nachbarn wirtschaftlich schadet, denn wohlhabende Nachbarn sind gute Kundschaft. In diesem Prozess wollen wir uns etwas mehr auf nicht-EU Märkte ausrichten, aber wir möchten nicht, dass dies auf Kosten unserer guten Beziehungen mit unseren unmittelbaren Nachbarn geht.

In Großbritannien ist Jeremy Corbin im Aufwind, in den USA Trump und Bernie Sanders und so weiter. Was ist die Lösung gegen diese protektionistischen, „populistischen“ Kräfte weltweit – besteht sie darin weiterhin so stark auf Freihandel zu beharren und noch bestimmter dafür zu argumentieren, oder eher darin die eigenen Ansichten zu mäßigen?

Das ist eine sehr gute Frage – vieles davon geht auf die Finanzkrise zurück und die Art und Weise wie die Regierungen auf der ganzen Welt damit umgegangen sind. Es gibt eine Studie einiger deutscher Professoren über die Effekte von Finanzkrisen auf die Politik seit 1870 in 22 Ländern von überall auf der Welt. Eine Finanzkrise ist keine gewöhnliche Wirtschaftskrisen, sie dauert viel länger – acht Jahre im Schnitt – und sie befeuert latente Vorurteile, welche einige bezüglich einer angeblich fehlenden Produktivität der Finanzbranche haben– viele tun sich schwer zu verstehen inwiefern die Optimierung der Allokation von Kapital genauso ein Job ist wie einen Traktor zu fahren. Der Hauptvorwurf, den Linke aller Länder politisch verbindet ist: „Das System ist korrupt, die Reichen verwenden es um reich zu bleiben, sie behaupten es wäre eine Leistungsgesellschaft, aber in Wirklichkeit verstecken sie sich hinter der Sprache des Kapitalismus um an der Macht zu bleiben, welche ihnen vererbt wurde.“ Ich dachte diese Argumentation sei 1989 vollständig widerlegt worden. Aber nach den Bankenrettungen scheint wieder eine gewisse Logik dahinter zu stecken, denn die Leute sagten zurecht, dass Geringverdiener und der Mittelstand durch ihre Steuern einige sehr wohlhabende Menschen von den Konsequenzen ihrer eigenen Taten retten mussten – und ich halte Sanders, Trump, Le Pen, Syriza und Podemus allesamt für eine verspätete Reaktion auf die Finanzkrise oder genauer gesagt auf die darauffolgenden Bankenrettungen. Worin liegt also die Lösung? Wir brauchen eine Marktwirtschaft, die für den “kleinen Mann” da ist, nicht die großen Konzerne, und ja, der globale Freihandel ist ein Teil davon. Der Freihandel ist immer für den Konsumenten und jene, welche ihn am meisten verurteilen, sind die mit den größten Eigeninteressen.

Daniel Hannan ist Autor und Journalist. Nach 17 Jahren als Mitglied im Europäischen Parlament, in denen er für den Rückzug Großbritanniens aus der Europäischen Union arbeitete, war er schließlich erfolgreich darin, seinen eigenen Job im Brexit-Referendum am 23. Juni 2016 abzuschaffen. Er ist Autor von neun Büchern, darunter der New York Times Bestseller Inventing Freedom: How the English-Speaking Peoples Made the Modern World und den Sunday Times Bestseller Vote Leave. 2017 gründete er die Initiative for Free Trade.

Die Fragen wurden gestellt von:

Kai Weiß ist Vorstandsmitglied beim Hayek Institut und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Austrian Economics Center.

Die Originalversion auf Englisch finden Sie hier: Austrian Economics Center

Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.

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