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21.05.2014
Das Libor-Betrugskartell
Ein weltweites Bankenkartell hat jahrelang den Libor manipuliert. Rekordverdächtige Kartellstrafen […]
Ein weltweites Bankenkartell hat jahrelang den Libor manipuliert. Rekordverdächtige Kartellstrafen haben den entstandenen Schaden nicht gedeckt. Die US-Einlagensicherung FDIC klagt nun die Deutsche Bank.
von Raoul Sylvester Kirschbichler
Jeden Tag um elf Uhr treffen sich die Mitglieder der „British Banker´s Association“ (BBA) in London, um den Libor (London Interbank Offered Rate) festzulegen. Der Libor gibt an, zu welchen Konditionen sich Banken untereinander Geld leihen.Er wird für zehn verschiedene Währungen berechnet. Je nach Währung wird der Libor von 8, 12 oder 16 verschiedenen Bankenvertretern festgelegt.
Die höchsten und tiefsten Werte werden gestrichen, aus den übrigen Vorschlägen wird ein Mittelwert errechnet. Heraus kommt der Referenzzinssatz im Interbankengeschäft. An ihm orientieren sich kurzfristig die Zinsen für eine ganze Reihe von Finanzmarktgeschäften, aber auch Immobilienkredite. Vom Referenzsatz Libor hängen weltweit Finanzgeschäfte im Volumen von mehreren Hundert Billionen Dollar ab.
Wenn sich ein Kartell aus Händlern der beteiligten Großbanken rechtzeitig abspricht und entsprechend niedrige bzw. hohe Zinssätze nennt, dann ist der Libor-Manipulation Tür und Tor geöffnet. Manipulieren die Banken die Refinanzierungskosten nach oben, können sie für Kredite höhere Zinsen verlangen. Die Zinsspanne steigt und die Banken erzielen höhere Gewinne.
Wo immer Unregelmäßigkeiten bekannt wurden, ob beim Verkauf von Schrottimmobilien oder bei der Festlegung von Referenzpreisen wie etwa für die Zinssätze Libor oder Euribor (zwischen 2005 und 2011), für Devisen-, Gold- oder Silberkurse (in diesen Punkten sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen) es waren immer mehrere Großbanken involviert. Sie haben den Libor-Zinssatz mit falschen Angaben manipuliert, um ihre wahren Refinanzierungskosten zu verschleiern und Handelsgewinne einzustreifen. Zum Libor-Betrugskartell gehörten die Bank of America, Mitsubishi-UFJ, Citi, Credit Suisse, die Deutsche Bank, JP Morgan, Lloyds, RBS, HSBC, UBS und Barclays.
Bei Barclays gab es auch die ersten Konsequenzen: Vorstandsvorsitzender Bob Diamond hatte keine andere Wahl als sofort zurückzutreten. Er verzichtet auf seine Bonus-”Ansprüche” in der Höhe von 20 Millionen Pfund, ohne in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Er bekam allein in den vergangenen zehn Jahren Bezüge von mehr als insgesamt 100 Millionen Pfund. Und auch nach seinem Abgang erhielt er weiterhin sein Gehalt in der Höhe von 1,35 Millionen Pfund. Zumindest für 12 Monate oder bis sich ein neuer Vorstandsvorsitzender eingearbeitet hat. Kurzerhand erhielt er zudem ein sofortiges Trostpflaster von 2 Millionen Pfund.
Solange Diamond die Geschicke von Barclays lenkte und leitete, wurden deutsche Landesbanken hemmungslos ausgenutzt. Ihnen wurden komplexe Finanzprodukte verkauft, die letztendlich große Verluste einfuhren. Privatkunden wurden verlustreiche Kreditausfallversicherungen angedreht und dem Mittelstand Finanzprodukte, die der einzelne Unternehmer gar nicht brauchen konnte. Es gibt kaum einen Finanzskandal, in den Barclays nicht involviert ist.
Barclays und die Schweizer USB kamen auf europäischem Boden nur deshalb straffrei davon, weil sie die Kartellwächter über die illegalen Absprachen informiert haben. Nur die UBS alleine hätte ansonsten bereits 2,5 Milliarden Euro zahlen müssen. So trifft die höchste Geldbuße, die von der EU-Kommission verhängt wurde, die Deutsche Bank: 725 Millionen Euro.
Weltweit betrachtet trifft es JPMorgan am härtesten: Die US-Bank wurde bis zum heutigen Tag zu insgesamt 20 Mrd. Dollar an Strafzahlungen verurteilt: 13 Mrd. US-Dollar bezahlte die Bank alleine wegen dubioser Immobiliendeals. Weitere 1,7 Mrd. Dollar Strafe wurden wegen der Mitwisserschaft um die Manipulationen von Bernard Madoff (Pyramidenspiel mit einem Schaden von mehr als 50 Mrd. US-Dollar) fällig.Auch wenn die Strafen recht hoch sind, der entstandene Schaden wird dadurch nicht gedeckt.
Die Deutsche Bank hat sich rund 4,1 Mrd. Euro Rückstellungen für offene Rechtsstreitigkeiten gebildet. Erst im letzten März verklagte die US-Einlagensicherung FDIC (Federal Deposit Insurance Corporation) die Deutsche Bank und 15 andere Banken. Die staatliche US-Behörde wirft den Finanzkonzernen vor, den Libor unerlaubt beeinflusst zu haben. Die Libor-Manipulationen hätten zu sehr großen Einbußen bei insgesamt 38 Banken geführt. Das hat auch die FDIC getroffen, weil sie Verluste dieser Banken übernehmen musste. Über die Höhe der Schadensersatzforderungen ist noch nichts bekannt.
Sicher ist, dass der Libor der wichtigste Zinssatz der Welt bleibt. Erträge und Kosten für komplexe Finanzprodukte hängen vom Libor genauso ab wie ganz normale Verbraucherkredite. Summa summarum geht es hier um ein Volumen von fast 290.000 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 290.000 Milliarden Euro würden ungefähr der tausendfachen Wirtschaftsleistung Österreichs entsprechen.
Photos (c) Duncan Hull
https://www.flickr.com/photos/dullhunk/
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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