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10.03.2022
Den Wohlstand trotz Energieabgaben bewahren
von Gerald Loacker
Die Energiepreise steigen rasant. Blickt man zurück auf die Forderungen beherzter Öko-Politiker, möchte man annehmen, deren Traum ginge gerade in Erfüllung. Schließlich lautete die Forderung ja, Energieverbrauch müsse teurer werden.
Jetzt, wo der Ressourcenverbrauch tatsächlich stärker ins Geld geht, zucken viele politische Akteure zusammen: „Das kann sich doch nicht jeder leisten! Wie kann der Staat das ausgleichen oder abfedern?“ Die Energiepolitik, deren Ziel immer auch die Verteuerung von Öl, Gas und Kohle war, könnte nun zur Herausforderung für die Sozialpolitik werden.
Zwar gehen die aktuellen Preisentwicklungen mehr auf den weltweiten und den europäischen Markt zurück als auf Lenkungsabgaben der österreichischen Energiepolitik. Das erspart aber nicht den Blick auf die Elemente des Energiepreises, die hausgemacht sind. So trafen den Stromkunden in Österreich zuletzt:
- Ökostrompauschale von rund EUR 35 pro Jahr
- Ökostromförderbeitrag von rund EUR 110 pro Jahr
- Elektrizitätsabgabe von 1,5 Cent/kWh
- Umsatzsteuer von 20%
Die beiden Ökostrom-Komponenten sind für 2022 politisch ausgesetzt, um die Preissteigerungen auszugleichen.
Dass in den vergangenen Jahren auch und vor allem die – oft im Landeseigentum stehenden – Netzbetreiber ordentlich zugelangt und ihre Tarife auf Kosten der Stromkunden nach oben geschnalzt haben, bleibt oft außer Acht. So wurden die Netzentgelte 2022 im Schnitt um 9% im Vorjahr um rund 4,5% erhöht. Auf diese Weise stellen die Landesenergieversorger ihre Gewinnausschüttungen zum Wohle der Landesbudgets sicher. Die e-control schaut diesem Griff in die Geldbörse der Stromkunden freundlich zu.
Auch die Spritpreise steigen. Ein Blick auf deren langfristige Entwicklung zeigt aber, dass uns die Zapfsäule inflationsbereinigt in der Vergangenheit schon höhere Preise abverlangt hat. Doch wie auf Strom lastet auch auf Benzin und Diesel die schwere Hand des Finanzministers, der rund 50% vom Literpreis einstreift.
All das ist, wie ausgeführt, nicht neu. Die Steuerlast auf Energie wiegt seit Jahren schwer. Wer finanziell knapp ausgestattet ist, musste schon bisher sparsam haushalten. Schuld daran war immer vorgangig der Staat mit seinen Steuern. Das kann bei steigenden Marktpreisen und kommenden CO2-Abgaben zusätzliche Bevölkerungsschichten betreffen. Viele werden einen größeren Teil ihres verfügbaren Einkommens für Energie aufwenden, denn die Preise werden in nächster Zeit nicht mehr auf das alte Niveau sinken. Umgekehrt wird sich jede energiesparende Verhaltensänderung ökonomisch stärker auszahlen als bisher.
Muss aber die Sozialpolitik diese hohen Energiekosten kompensieren? Nein, muss sie nicht. Wenn die Politik einen Lenkungseffekt erzielen will, indem höhere Energiepreise zu sparsamem Verhalten führen, darf sie keine Schritte setzen, die genau diesen Lenkungseffekt aufheben. Vielmehr liegt die politische Aufgabe darin, die verfügbaren Einkommen an anderer Stelle zu erhöhen, damit die Gesamtsteuerlast maximal gleich hoch bleibt – oder besser: sinkt – und das verfügbare Einkommen ungeschmälert bleibt.
Das falsche Rezept ist sicher, im Klimaministerium eine eigene Bürokratie aufzubauen, die in der Folge den Bürgern jährlich einen „Klimabonus“ von EUR 100 bis EUR 200 überweist. Da frisst die Administration zu viel. Es hilft auch nicht, den Bürgern einmalig einen EUR 150-Gutschein in den Postkasten zu werfen oder den Pensionisten einen „Teuerungsausgleich von weiteren EUR 150 zu überweisen. Solche Einmalzahlungen bringen im Lichte langfristig höherer Preise so gut wie nichts.
Dauerhafte Entlastung, die teurere Energie kompensiert, kann und muss auf der Einkommensteuerseite erfolgen. Dort gibt es nämlich Luft: Die letzten Jahre haben den Finanzministern regelmäßig neue Einnahmenrekorde aus der Einkommensteuer beschert. Eine wesentliche Quelle dafür liegt in der kalten Progression. Diese kalte Progression schlägt bereits ab einem steuerpflichtigen Jahreseinkommen ab EUR 11.001 zu. Jede Gehaltserhöhung unterliegt automatisch dem persönlichen Grenzsteuersatz, auch wenn diese Steigerung nur die Inflation abdeckt. Und das ist der kritische Punkt: Nicht nur die Energiepreise, auch die Inflation insgesamt erreicht neue Höhen. Die kalte Progression wird also durch höhere Inflationsraten und daraus folgende höhere KV-Abschlüsse ihre einkommensvernichtende Wirkung in der nächsten Zeit verstärken.
Wer ein Einkommen unter den steuerfreien EUR 11.000 jährlich erwirtschaftet, ist zum Überleben in der Regel ohnehin auf andere Einkommensquellen angewiesen, seien das öffentliche Transfers oder innerfamiliäre Unterstützungen. Dass hier der Sozialminister und die Soziallandesräte im Blick haben müssen, wie gut die Sozialhilfe/Mindestsicherung im Detail noch passt, sei anerkannt. Eine Vollkompensation der Mehrkosten auf Energie durch beispielsweise höhere Sozialhilfe wird allerdings den Lenkungseffekt für diese Bevölkerungsgruppe reduzieren. Ganz ausschalten wird sie die Verhaltensänderung nicht, weil geringerer Energieverbrauch ja auch für Sozialhilfebezieher das verfügbare Einkommen erhöht.
Österreich ist bereits ein Hochsteuerland. Das erträgliche Maß der Abgabenbelastung ist längst überschritten. Der große Teil der Bevölkerung, die ertragsteuerzahlenden Mitbürger, gerät also jetzt zusätzlich in die Zange von kalter Progression und höheren Energiepreisen. Für den Finanzminister und für die Klimaministerin lassen sich die Ziele daher zusammenführen: Mit einer dauerhaften Entlastung der Einkommen durch die Abschaffung der kalten Progression kann der Finanzminister die pekuniäre Kraft freisetzen, mit der die Bürger die Lenkungsabgaben der Klimaministerin und höhere Energiepreise stemmen. Wenn die beiden Minister im Auge behalten, dass auch für kleine Einkommen insgesamt keine Mehrbelastung an Steuern und Abgaben entstehen darf, kann der ökologische Umbau des Steuersystems gelingen.
Gerald Loacker ist Abgeordneter zum Nationalrat. Er ist stellvertretender Klubobmann, Wirtschafts- und Sozialsprecher von NEOS und beschäftigt sich insbesondere mit den Bereichen Steuerpolitik, Arbeitsmarkt und Sozialversicherung.
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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