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Der Kalte Krieg ums schwarze Gold

Kalter Krieg ums Schwarze Gold

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Der Kalte Krieg ums schwarze Gold

Der niedrige Rohölpreis ist nicht auf freie Marktkräfte zurückführen. Dahinter steckt ein Kartell mit politischem Kalkül.

von Raoul Sylvester Kirschbichler

Wer an der Tankstelle vorbei fährt und einen kurzen Blick auf die Treibstoffpreise wirft, kann sich ein Schmunzeln nur schwer verkneifen. Schon lange war Volltanken nicht mehr so günstig. Seit Mitte des Jahres fallen die Rohölpreise und erreichen mittlerweile wieder den Stand von 2009.

Auf den ersten Blick sind niedrige Ölpreise natürlich einmal positiv, weil sie das Haushaltsbudget entlasten und jedem Einzelnen mehr Geld übrig bleibt, das er wieder in den Wirtschaftskreislauf einbringen kann. So ist die Kaufkraft der amerikanischen Haushalte seit Juni um 100 Milliarden Dollar angestiegen. Die steigenden Umsatzahlen von 0,7 Prozent verdeutlichen, wie schnell der zusätzliche Dollar auch wieder ausgegeben wird. So haben die USB-Wirtschaftsexperten die Wachstumsprognosen für das nächste Jahr bereits von 2,9 Prozent auf 3,1 Prozent hinaufgeschraubt. Sie rechnen demnach mit einer endgültigen Normalisierung der amerikanischen Wirtschaft und mit einer Leitzinserhöhung Mitte nächsten Jahres (zum ersten Mal seit 2008).  Doch ihr Optimismus ist verfrüht.

Der Preis für Rohöl am Weltmarkt unterliegt nicht allein den freien Marktkräften. Ansonsten würde es zwischenzeitlich keine Preisdifferenz von bis zu 20 Dollar je Barrel zwischen der amerikanischen Ölsorte WTI und der Nordsee-Sorte Brent geben. Normalerweise garantieren Arbitrage-Geschäfte, dass es nur sehr geringe Preisunterschiede gibt.

Der Preiskollaps des Erdöls bringt viele Erdölexporteure von Norwegen bis Nigeria in ärgste Bedrängnis bringt. Russland und Venezuela haben die Einnahmen aus dem Verkauf von Rohöl sogar immer fest im Budget eingeplant. Sie berechnen den angestrebten Rohöl-Verkaufspreis, der notwendig ist, um den budgetierten Erdölertrag auch tatsächlich zu erzielen. Mit einem Ölpreis von rund 100 Dollar je Barrel konnten in den letzten Jahren alle Seiten gut leben. Auch aus diesem Grund kommt der Ölpreis-Absturz auf 60 US-Dollar pro Barrel sehr überraschend.

Erklären lässt es sich einerseits mit der schwer vorhersehbaren Angebotssituation. Sowohl Erdölförderung in Libyen und im Irak ist sehr schwankend, somit kaum kalkulierbar. Verantwortlich für den Preisverfall war aber vor allem die Entscheidung des OPEC-Kartells, die Förderung nicht drosseln zu wollen. Die amerikanischen Ölsorte WTI und die Nordsee-Sorte Brent mussten seit Juni fast 40 % Preisrückgang hinnehmen müssen.

Für das Rohöl-Überangebot ist aber derzeit auch die schnell wachsende amerikanische Schieferölförderung verantwortlich. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass der Fracking-Boom in jedem Fall nur sehr kurzlebig ist, weil die Ausbeute eines Bohrlochs innerhalb von vier Jahren um 90 % sinkt. Zu den Rohöl-Preisdrückern gehört in erster Linie Saudi-Arabien, das einige nordamerikanische Fracking- und Ölsandproduzenten kurzfristig aus dem Markt drängen möchte, um verlorene Marktanteile zurückzugewinnen. Die Saudis selbst können mit dem derzeitigen Rohölpreis (noch) gut leben, weil sie mit geschätzten 10 $ pro Barrel die weltweit niedrigsten Förderkosten haben.

Ein Ölpreis von rund 60 Dollar pro Fass macht es in weiten Teilen der neuen amerikanischen Fördergebiete unmöglich, mit Gewinn zu arbeiten. In North Dakota, Texas Louisiana und Oklahoma werden bereits die ersten Bohrtürme stillgelegt und größere Projekte aufgeschoben. Halliburton und Schlumberger, die beiden führenden Servicekonzerne der Branche, haben erste Entlassungen angekündigt. Das amerikanische Wirtschaftswachstum ist sehr stark von seinen Ölstaaten und ihren Gewinnen abhängig: Sollte der Ölpreis bis Juni 2015 deutlich unter 100 Dollar pro Barrel bleiben, so wird das amerikanische Wirtschaftswachstum um 0,2 Prozent gebremst werden.

Noch härter trifft es die Förderländer in Afrika. Der Boom ihrer Wirtschaften stützt sich fast ausschließlich auf das schwarze Gold. Vor allem Angola, Nigeria und Ghana erlebten dank hohen Auslandsinvestitionen einen einzigartigen Aufschwung. Nun wollen die Erdölgiganten Total und Exxon, Eni und Anadarko ihre Investitionen aber so reduziueren, dass diese Länder erneut zurückgeworfen werden. Laut der britischen Marktforschungsfirma Capital Economics müssen die Subsahara-Staaten nun mit dem schwächsten Wachstum seit Ende der 90er-Jahre rechnen.

Das nächste OPEC-Treffen ist erst für Mitte 2015 angesetzt. Zu diesem Zeitpunkt wird die Kehrseite des niedrigen Rohölpreises bereits offensichtlicher sein. Bleibt der Preis auf dem aktuell tiefen Niveau, so muss mit einer Teuerung von unter einem Prozent gerechnet werden. Damit sieht die amerikanische Notenbank ihre Zielvorgabe von zwei Prozent in weiter Ferne entschwinden. Es droht eine gefährliche Deflation.

Wer die Konsequenzen für die amerikanische Wirtschaft, primär für den Fracking-Boom kurz einmal ausblendet, der erkennt, dass hinter der Ölpreisentwicklung der letzten Monate auch politisches Kalkül steckt, möglicherweise sogar ein amerikanisch – saudi-arabisches Komplott:

Die durch den IS besetzten Ölfelder spülen monatlich mehrere Millionen-Dollar in die Kriegskasse. Durch die niedrigen Erdölpreise sinken aber nicht nur die Einnahmen des „Islamischen Staates“ (IS), Syriens und des Irans. Gleichzeitig soll auch Russland zum Einlenken in der Ukraine bewegt werden. Falls Putin diesen Konflikt jedoch weiterhin am Köcheln hält, dann gibt es in den USA sogar Überlegungen, zwei Drittel der strategischen amerikanischen Ölreserven aufzulösen. Das zusätzliche Öl-Angebot würde den Marktpreis noch einmal deutlich drücken. Auf sinkende Rohstoffpreise reagiert Russland viel empfindlicher als auf das Einfrieren von Konten, weil die russische Wirtschaft unter einer chronischen Kapitalknappheit leidet.

Öl und Gas sind Russlands wichtigste Exportgüter, sie machen 50 Prozent der russischen Staatseinnahmen aus. Nach Schätzungen der russischen Sberbank braucht das Land einen Ölpreis von 104 Dollar, um im kommenden Jahr einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Bleibt der Ölpreis auf dem derzeitigen Preisniveau, wird Russland seine Ausgaben drastisch kürzen müssen und somit die Konjunktur schlagartig abwürgen. Die russische Notenbank soll bereits an einem Notfall-Plan arbeiten.

Was den Russen derzeit hilft, ist, dass sich der Rubel im freien Fall befindet. Er hat seit Jahresanfang 40 Prozent seines Wertes eingebüßt und sichert den Staatshaushalt gegen den sinkenden Ölpreis: Zwar bekommt Russland auf dem Weltmarkt weniger Dollar für sein Rohöl, andererseits bekommt das Land mehr Rubel für jeden einzelnen Dollar, um Renten und Beamtengehälter zu bezahlen. Das Wirtschaftsmagazin Forbes hat in seiner russischen Ausgabe sogar vorgerechnet, dass die Rubelkrise die russischen Öleinnahmen ansteigen lässt: 2012 hat ein Barrel den Russen 3200 Rubel eingebracht, 2014 bekommen sie sogar 3600 Rubel.

In Wirklichkeit spiegelt die Rubel-Abwertung das Misstrauen der Märkte in Russlands Wirtschaftspolitik wider. Die Investitionen sinken, die Wirtschaft stagniert und droht in den nächsten Monaten in die Rezession abzurutschen. Der Kalte Krieg ums schwarzes Gold hat diese Entwicklung nur noch beschleunigt.

Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.

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