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20.10.2014
Der Preis der Euro-Rettung

Autor
von Raoul Sylvester Kirschbichler
Der Eigentümer eines kleinen Kopiergeschäftes im 18. Wiener Gemeindebezirk hat von der Bank einen Kredit über 2000 Euro erhalten. Mit diesem Geld kauft sich der Unternehmer einen neuen Computer, den er bei Saturn mit seiner Bankomatkarte bezahlt. Das 2000-Euro-Darlehen, das er von seiner Bank erhalten hat, ist neu entstandenes Geld, das in den Geldkreislauf fließt. Es wurde niemandem weggenommen.
Die Vermutung liegt nahe, dass die Angst vor einer drohenden Inflation berechtigt ist. Allerdings haben die privaten Banken seit Ausbruch der Krise vor sechs Jahren, viel weniger Kredite vergeben, als erhofft, so auch weniger Geld in Umlauf gesetzt. Zwischen 2008 und 2013 ist die sogenannte Geldmenge M3*, die auch das Buchungsgeld der Banken mitberücksichtigt, lediglich um rund 10 Prozent, von 8.800 Milliarden auf fast 10.000 Milliarden Euro gestiegen. Genau genommen hat sich das Wachstum der Geldmenge sogar extrem verlangsamt, wenn wir einen dementsprechenden Vergleich zu den Jahren vor der Weltwirtschaftskrise heranziehen. Dabei sind Kredite so billig wie noch nie, seitdem die Europäische Zentralbank den Leitzinssatz auf das Rekordtief von 0,05 Prozent gesenkt hat. Erstens um einer angeblich drohenden Deflation entgegenzuwirken und zweitens, um durch verbilligte Kredite, Investitionen und Wirtschaft anzukurbeln.
Dass weniger Kredite vergeben werden als erhofft, lässt auch den Schluss zu, dass sich Spekulanten momentan sehr zurückhalten, Ängste vor großen Blasen, die bald zerplatzen könnten, unbegründet sind. Einzige Ausnahmen bleiben die wachsende Immobilienblase in Schweden und Belgien.
Die Europäische Zentralbank möchte verhindern, dass frisch gedrucktes Geld zur Finanzierung neuer Immobilienblasen verwendet werden könnte, sie will also festlegen, welchen Branchen das neue Geld von der Bank zur Verfügung gestellt werden darf und welchen eben nicht. Aus einem Bericht des Internationalen Währungsfonds geht hervor, dass „Immobilienblasen in mehr als zwei Drittel aller Fälle den jüngsten, systemischen Banken-Krisen vorangegangen sind.“ Parallel dazu wissen wir, dass wir noch keine tauglichen Werkzeuge besitzen, um Immobilien-Blasen einzudämmen oder erst gar nicht entstehen zu lassen.
Die Geldmenge, die von den Zentralbanken regelmäßig in Umlauf gebracht wird, ist in den letzten Jahren stetig angewachsen: Sie hat sich zwischen 2008 und 2013 mehr als verdoppelt – von 880 Milliarden Euro auf 1800 Milliarden Euro. Wo viel Geld gedruckt wird, wächst die Angst, dass das Geld immer weniger Wert wird.
Aktuelle Statistiken legen dar, dass diese Angst (noch) unberechtigt ist: In Österreich betrug die Inflationsrate im August aber lediglich 1,7 Prozent (im Juli 1,8 %), in Deutschland lag sie im letzten Monat bei 0,8 Prozent und bleibt auf dem niedrigsten Stand seit mehr als vier Jahren. Sinkende Energiepreise haben die Inflation im Euroraum auf 0,3 Prozent gedrückt – den niedrigsten Stand seit Oktober 2009. Die Sorge vor einer Hyperinflation scheint also völlig aus der Luft gegriffen. Oder?
Der Zeitabstand zwischen dem Gelddrucken und einer bevorstehenden Inflation ist lang und unbeständig, vor allem aber nicht vorhersehbar. Wo die Geldmaschine angeworfen wird, nimmt die Inflation nicht automatisch zu. Vieles hängt vom Verhalten der Finanzwirtschaft ab. Nur solange Banken auch tatsächlich Kredite an Unternehmen bzw. Haushalte vergeben, und zudem auch eine Nachfrage an Krediten besteht, nimmt die im Umlauf befindliche Geldmenge zu. Noch fehlt es in Spanien und Griechenland an einer ernsthaften Kreditnachfrage – die sogenannte Kreditklemme hemmt, laut Europäischer Zentralbank, Europas Wirtschaftswachstum. Nur deswegen gibt es auch noch keine Hyperinflation zu erwarten.
Doch sobald sich die Eurozone wieder stabilisiert, der Existenzkampf um den Euro gewonnen ist, Unternehmer wieder größere Investitionen ins Auge fassen und die Konjunktur tatsächlich anspringt, droht auch die Inflation zu explodieren. Dann wird sich wieder der Staat erheben und versuchen über die Notenbanken die Kontrolle über die Geldmenge zu behalten und so versuchen, das Geldmengenwachstum zu bremsen.
Friedrich August von Hayek argumentierte: Die Inflation zu stoppen ist kein „technisches“, sondern ein „politisches“ Problem. Schließlich hätte die Europäische Zentralbank die Möglichkeit, das gedruckte Geld später wieder einzusammeln. Das würde im Klartext bedeuten, dass die Notenbank keine Anleihen von Ländern mit schwachen Volkswirtschaften mehr aufkauft, um die Inflation in Deutschland, Frankreich oder Italien einbremsen zu können. Eine interessante, heutzutage aber rein theoretische Überlegung.
Auf der Rechnung für die Euro-Rettung wird in großen Buchstaben das Wort „Inflation“ stehen. Sobald echtes Wirtschaftswachstum einsetzt, müssen wir mit einer Inflation zwischen 3 und 4 Prozent über rund zehn Jahre rechnen.
Das ist mit Sicherheit viel weniger, als die größten Pessimisten erwarten. Allerdings frisst die Inflation schon jetzt bei vielen Sparanlagen die Zinsen auf.
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*Das Geldmengenaggregat M3 lässt sich wie folgt darstellen: M3 ist die Summe der Kredite an Nicht-MFIs im Euro-Währungsgebiet plus den Nettoforderungen an Ansässige außerhalb des Euro-Währungsgebiets minus längerfristige finanzielle Verbindlichkeiten plus sonstige Gegenposten. (Quelle: EZB, Thomson Reuters, Eurostat.)
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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