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Die Angst ums Geld

Die Angst ums Geld

Im Netz kursieren Gerüchte über die Zahlungsunfähigkeit bulgarischer Banken. Ein Banken-Run auf die Corpbank setzt ein. Die Notenbank in Sofia muss einspringen. Wie sicher sind Bulgariens Banken?

von Raoul Sylvester Kirschbichler

Wir sind vorgewarnt. Vielleicht sind wir sogar ängstlich geworden, weil wir mittlerweile von einer Krise geprägt sind, die sehr viel mit Schulden und Spekulationen, aber auch mit Intransparenz und Spareinlagen zu tun hat. Auf Zypern wurden Sparer sogar zwangsenteignet. So verwundert es auch nicht, wenn ein gut verbreitetes Gerücht sehr schnell Panik auslöst. Die gesamte Social-Media-Kommunikation wirkt dabei wie eine Lawine, die sobald die Nachricht mehrmals geteilt und verschickt wurde, kaum noch zu stoppen ist.

Sieben Verdächtigten wird vorgeworfen, über Internetplattformen wie Youtube, Twitter oder Facebook, ernsthafte Zweifel über die Zahlungsfähigkeit verschiedener Geldinstitute in Bulgarien verbreitet zu haben. Aus welchem Grund? Sofern Bulgariens Opposition dahintersteckt, ist es ihr erklärtes Ziel, wenige Wochen vor den vorgezogenen Neuwahlen am 5. Oktober, das Vertrauen in die politische Elite weiter zu schwächen. Falls Spekulanten hinter den düsteren E-Mails und dunklen SMS-Botschaften stecken, hoffen sie, dass es über die Schwächung des Finanzsystems zu einer Abwertung des bulgarischen Lew gegenüber dem Euro kommt. Sie könnten Milliarden verdienen, indem sie auf eine schwache Währung wetten. Vor allem dann, wenn Bulgarien – mit dem Einverständnis der EZB – den Wert seiner Währung gegenüber dem Euro neu festlegt. Der bulgarische Lew ist seit den 90iger Jahren an die Deutsche Mark bzw. an den Euro gekoppelt.

Im Handumdrehen versuchen bulgarische Politiker alle Sparer zu beruhigen, um den Banken-Run zu stoppen: Der konservative Staatschef erklärt gemeinsam mit der sozialdemokratischen Regierung Bulgariens und dem Zentralbanken-Chef, dass „es keine Bankenkrise gibt, Bulgariens Geldinstitute sicher sind und eine Abwertung des Lew nicht zur Debatte steht.“

Doch wer glaubt der Politik noch? Die Schuldenkrise hat das Schicksal der Banken mit dem ganzer Staaten und ihrem Budgethaushalt eng miteinander verknüpft. Eine unglückliche Zwangsehe ist entstanden. Nur die gegenseitige Abhängigkeit ermöglicht beiden Partnern irgendwie das Überleben.

In Bulgarien ist zudem die Trennlinie zwischen Politik und organisierter Kriminalität kaum noch erkennbar. Korruptionsskandale stehen fast auf der Tagesordnung. Deshalb gibt es auch laufend Parlamentswahlen (2005, 2009, 2013, 2014). Die Macht geht von den Rechten zu den Linken und wieder zu den Rechten zurück. Auf der Strecke bleibt das Vertrauen der Menschen in ihr politisches Establishment. Die logische Konsequenz ist ihr beispielloses Misstrauen gegenüber dem gesamten politischen Betrieb. Das hat sogar der bulgarische Präsident Rossen Pleniew eingestanden, der eine Garantie für Sparguthaben in Bulgarien abgab, gleichzeitig nichts von einer bulgarischen Bankenkrise wissen wollte und lediglich von einer „Vertrauenskrise“ sprach.

Bankgeschäfte basieren auf Vertrauen. Wo es kein Vertrauen mehr gibt, dort wird es bald keine Banken mehr geben. Bei der First Investment Bank (Fibank), Bulgariens drittgrößter Bank, sind in wenigen Stunden umgerechnet 400 Millionen Euro abgehoben worden – das sind 10 Prozent der Bilanzsumme der Fibank. Nur wenige Tage zuvor hatte ein ähnlicher Kundenansturm auf die Corporate Commercial Bank (Corpbank) eingesetzt: Alle Zahlungen und Bankaktivitäten des viertgrößten Geldinstituts Bulgariens mussten aufgrund eines Liquiditätsengpasses eingestellt werden. Bulgariens Notenbank übernahm die Kontrolle: Geschäftsführung und Aufsichtsrat der Corpbank wurden für zunächst einmal drei Monate abgesetzt. Erst letzten Mai hatte die Corpbank die Genehmigung von der bulgarischen Notenbank erhalten, die bulgarische Sparte der französischen Großbank Credit Agricole zu übernehmen.

Der Schluss, dass niemand mehr den Politiken glaubt, sobald das eigene Geld in Gefahr ist, ist nachvollziehbar und verständlich zugleich. Die Angst ist größer und stärker als der Glaube an gut gemeinte Worte: “Wenn man der Panik nachgibt und sein Geld abhebt, wird man mit Sicherheit verlieren. Der einzige Weg, kein Geld zu verlieren, ist, es nicht abzuheben.“

Die Original-Mitteilung der bulgarischen Zentralbank lässt allerdings keinen Zweifel daran, dass die Situation sehr kritisch war:

„Today, at 11.40 a.m., the Bulgarian National Bank received a written notice from the management of Corporate Commercial Bank AD (CCB) that CCB’s liquidity had been depleted and the bank had suspended making payments and conducting all types of banking transactions. On these grounds and with a decision of the BNB Governing Council, Corporate Commercial Bank AD has been placed under conservatorship. From that moment on the CCB’s shareholders have been divested of their rights and conservators have been appointed at the bank.”

The Central Bank’s management is in direct communication with the major government institutions.

In the meantime, the minority owner of CCB – VTB Capital – has declared its interest in having talks with the BNB for possibly bailing CCB out.

Wenn wir ausschließlich nach den Zahlen gehen, ist die Angst der Sparer in Bulgarien tatsächlich eher unbegründet: Mit einer Staatsverschuldung von nur 18,9 Prozent und einem Haushaltsdefizit von lediglich 1,5 Prozent zählt das arme Bulgarien zumindest in puncto Finanzstabilität zu den besten EU-Ländern. Die Zentralbank wird von Finanzexperten als effektiv eingeschätzt und die Währung Lew ist an den Euro gekoppelt. Als „gut abgesichert“ gilt auch Bulgariens Einlagenversicherung (mit knapp 5 Prozent der Summe aller Einlagen der bulgarischen Geldinstitute). Um die Liquidität der bulgarischen Banken nachhaltig zu sichern, hat die EU-Kommission sich bereit erklärt, einer Verlängerung der Kreditlinie über umgerechnet 1,7 Milliarden Euro nachzukommen. Nach dem dramatischen Kurseinbruch der First Investment Bank (Fibank) geht es nun wieder bergauf.

Eine bulgarische Bankenkrise würde keine großen europäischen Konsequenzen nach sich ziehen. Dafür ist ihr Marktvolumen viel zu klein. Die Unterstützung durch die Europäische Union ist eher ein Zeichen der Solidarität. Gleichzeitig möchte Brüssel sichergehen, dass nicht schon wieder ein EU-Land in Schwierigkeiten gerät.

Es wird vermutet, dass die Spareinlagen einzelner ausländischer Kunden bei der Fibank die 100.000 Euro-Grenze nicht übersteigt, weil Einlagen bis zu dieser Summe nach dem neu harmonisierten europäischen Einlagensystem als geschützt gelten. Insgesamt haben Auslandskunden einen zweistelligen Millionenbetrag in der Fibank geparkt. Die Bank hatte in den letzten Monaten versucht, mit überdurchschnittlich hohen Festgeldzinsen in erster Linie deutsche Sparer anzulocken. Auch deshalb, weil rund zwei Drittel aller Bulgaren bis 35 über keine Ersparnisse bzw. Rücklagen in den Geldinstituten verfügen.

Die Erinnerung an die 1990er Jahre ist noch sehr frisch. Damals – während der Transformationszeit – sind 14 bulgarische Banken zusammengebrochen. Seither werden Ersparnisse lieber unter dem Kopfpolster gehortet. Nach dem Ende der Sowjetunion stürzte Bulgarien in eine tiefe Wirtschaftskrise. Kein Land hatte so regen Osthandel mit der Sowjetunion betrieben, kein anderes Land hatte mit so schwerwiegenden Konsequenzen zu kämpfen: Die Investitionen blieben aus und die Import-Export-Geschäfte brachen völlig zusammen. Es folgte eine Währungskrise.

Heute tritt Bulgarien erneut auf der Stelle, in den letzten Jahren gab es ein Nullwachstum. Und wegen der anhaltenden politischen Probleme hatte die Rating-Agentur Standard & Poor’s die Bonitätsnote des Landes herabgestuft. Bulgarien wird nur noch knapp über dem Ramschniveau eingestuft. Trotzdem: Es geht den Bulgaren heute wesentlich besser als damals in den 90igern. Gewachsen ist seit damals in erster Linie die Angst ums Geld.

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Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.

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