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30.06.2017
Die „Ehe für alle“ geht nicht weit genug

Das Motto bezüglich politischer Entscheidungen ist für den Anarchokapitalisten Walter Block bekanntlich: „Wenn es sich bewegt, privatisier es. Wenn es sich nicht bewegt, privatisier es. Weil sich alles entweder bewegt oder nicht bewegt: Privatisier alles.“ Auch wenn dies vielleicht etwas zu weit geht, kann man diesen Spruch trotzdem als gutes Leitmotiv für die Politik ansehen. Je mehr vom Markt – und demnach von den Menschen – erledigt wird und je mehr sich der Staat aus den Angelegenheiten seiner Bürger heraushält, desto besser.
Von diesem Punkt ausgehend ist eines der Top-Themen der Woche, die „Ehe für alle“, besonders interessant. Die SPD unter Martin Schulz, verzweifelt danach, endlich wieder Schwung für die kommenden deutschen Bundestagswahlen aufzunehmen, die FDP unter Christian Lindner und die Grünen hatten in der letzten Woche die gleichgeschlechtliche Ehe allesamt zur Koalitionsbedingung gemacht. Nachdem der Druck auf Angela Merkel stieg, beschloss diese, den CDU/CSU-Abgeordneten die freie Wahl zu geben, für was sie sich in einer zukünftigen Abstimmung entscheiden würden.
Wohl hatte sie nicht erwartet, dass es so schnell zu einem Votum kommt. Schon heute stimmte der Bundestag über die „Ehe für alle“ ab und stimmte mehrheitlich mit „ja“ – so ist Deutschland das 13. Land Europas in der die homosexuelle Ehe gleichgestellt ist mit der traditionellen Form. Und auch in Österreich könnte dies nur eine Frage der Zeit sein, nachdem die linksgerichteten Parteien diese Woche ebenfalls aktiv werden wollten (jedoch mit weniger Erfolg als beim Nachbarn).
Aus liberaler Sicht ist die „Ehe für alle“ auf den ersten Blick ein großer Sieg. Es ist schwer zu verstehen, wie es dem Staat möglich ist, vorzuschreiben, wer sich mit wem verheiratet. Doch muss man sich Walter Block erneut ins Gedächtnis rufen und sich fragen, ob das genug ist: Bewegt sich die Ehe? Nein. Bewegt sie sich nicht? Ja. Also? Die richtige Lösung ist die Privatisierung der Ehe.
Wie soll das aussehen? Wie kann man die Ehe privatisieren? Ganz einfach: Etwas zu sachlich gesagt ist eine Ehe nichts weiter als ein Vertrag zwischen zwei (oder mehr, einen Moment dafür noch) Parteien, die sich darauf einigen, für einen gewissen Zeitraum – bestenfalls ein Leben lang – zusammenzuleben, eine Familie zu gründen usw. – je nach den Konditionen, die man festlegt. Dabei spielt es keine Rolle, wer die Vertragspartner sind: Nach dem marktwirtschaftlichen Prinzip der Vertragsfreiheit ist jeder dieser Vereinbarungen legal, solange alle Parteien freiwillig zugestimmt haben.
Sicherlich denkt sich so mancher schon: Ermöglicht das nicht noch viel extremere Ehen als die homosexuelle? Könnte dann nicht ein Mann drei Frauen – oder eine Frau fünf Männer (oder hundert) heiraten? Könnten nicht Transsexuelle sich untereinander vermählen? Oder gar irgendwelche der anderen dutzenden Geschlechter, die es angeblich geben soll (man stelle sich nur eine Hochzeit zwischen „interweiblich“ und „Two Spirit drittes Geschlecht“ vor)?
Die Antwort lautet: Ja! Sogar wenn ein Mann sich dazu entschließt seine Katze – oder den Apfelbaum in seinem Garten – zu heiraten, wäre dagegen rechtlich gesehen nichts einzuwenden. Es handelt sich lediglich um eine Vereinbarung, frei getroffen zwischen mehreren Individuen (bzw. Gegenständen, die einem Individuum gehören).
Natürlich heißt das nicht, dass dies auch alles passieren sollte. Jemand der seine Katze heiratet und sie bei der nächsten Grillparty als die Liebe seines Lebens vorstellt, sollte sofort wieder fortgeschickt werden (möglichst in eine Anstalt). Eine Frau, die nach einem Fotografen für die Hochzeit mit ihrem Bonsai-Bäumchen Leopold sucht, sollte leer ausgehen (schockierenderweise ist dieser Fall nicht einmal komplett erfunden). Und ja, wenn die Eltern ihr Kind zur Adoption freigeben, sollte es ihnen auch möglich sein, ein homosexuelles Paar auszuschließen. Privatisierung gilt also beiderseitig: Alles ist möglich bezüglich der Ehe – aber darauf reagieren kann man ebenso wie man will (solange friedlich).
Diejenigen – vor allem konservative Stimmen – die versuchen, durch den Staat die traditionelle Ehe zu retten, sollten derweil ihre Meinung schleunigst überdenken. Die Aufgabe des Staates ist es, seine Bürger und deren Eigentum zu schützen – nicht vorzuschreiben, welche Lebensformen besser sind als andere. Es wirft auch diverse moralische Fragen auf, zum Beispiel: Woher hat ein Mensch das Recht, einem anderen vorzuschreiben, wie er zu leben hat? Dass dies eben nicht geht kommt im Übrigen von demjenigen, auf den sich sture Möchtegern-Konservative gerne berufen: Jesus Christus. Man erinnere sich nur an folgende Geschichte aus dem Evangelium Johannes:
Da führten die Gesetzeslehrer und Pharisäer eine Frau herbei, die beim Ehebruch ertappt worden war. Sie stellten sie in die Mitte und sagten zu Jesus: »Lehrer, diese Frau wurde ertappt, als sie gerade Ehebruch beging. Im Gesetz schreibt Mose uns vor, dass eine solche Frau gesteinigt werden muss. Was sagst du dazu?« … Als sie nicht aufhörten zu fragen, richtete er sich auf und sagte zu ihnen: »Wer von euch noch nie eine Sünde begangen hat, soll den ersten Stein auf sie werfen!« … Als sie das hörten, zog sich einer nach dem andern zurück; die Älteren gingen zuerst. Zuletzt war Jesus allein mit der Frau, die immer noch dort stand. Er richtete sich wieder auf und fragte sie: »Frau, wo sind sie geblieben? Ist keiner mehr da, um dich zu verurteilen?« »Keiner, Herr«, antwortete sie. Da sagte Jesus: »Ich verurteile dich auch nicht. Du kannst gehen; aber tu diese Sünde nicht mehr!« (Johannes 8, 3-11, GNB)
Niemand sagt, dass all die Lebensformen, die in diesem Artikel erwähnt wurden richtig sind. Der Autor dieses Artikels denkt selbst, dass es schlussendlich nur eine „korrekte“ Form gibt: die traditionelle Familie (warum sollte an anderer Stelle geklärt werden, aber selbst säkulare Libertäre sollten, wie Hoppe erklärt, für die Familie argumentieren).
Dennoch ist es nicht die Sache des Staates, dies zu entscheiden, sondern der Menschen. Für Christen und anderen Gläubigen bleibt weiterhin die kirchliche Hochzeit als die „echte“ Ehe – und wem das nicht reicht, kann rausgehen und Kampagnen starten und versuchen, möglichst viele Menschen auf die eigene Seite zu bringen (genauso wie es Homosexuelle und alle anderen auch tun können). Solange man dabei niemandem etwas antut, sollte es erlaubt sein. Und gerade deswegen ist die „Ehe für alle“, obwohl es ein Fortschritt ist, nicht genug. Es ist noch ein langer Weg zum Endziel, der Privatisierung der Ehe.
Kai Weiß studiert Internationale Beziehungen und engagiert sich im Hayek Institut und dem Austrian Economics Center.
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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