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Die neueste Waffe der Ukraine – eine Steuerreform

Vermögenssteuer und der Raub der Sabinnerinnen

von Richard Teather

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Englisch am 22. März 2022 beim Adam Smith Institute.


Die ukrainische Regierung hat inmitten ihrer bewundernswerten Abwehr des russischen Angriffs die Zeit gefunden, ihr Steuersystem zu reformieren. Das ist in der Tat bemerkenswert!

Manche mögen die Prioritäten in Frage stellen, aber es ist sinnvoll, das Steuersystem so, wie den Rest des Landes, auf Kriegsbetrieb umzustellen.

Es gibt einen berühmten Präzedenzfall: Das britische PAYE-System (für den Abzug von Steuern von den Löhnen der Arbeitnehmer, die dann direkt an das Finanzministerium abgeführt werden, ohne dass die Arbeitnehmer das Geld überhaupt sehen) wurde geschaffen, als wir im Zweiten Weltkrieg den Nazis gegenüberstanden, und ermöglichte es der Regierung, mehr, schneller, sicherer und billiger Steuern einzuheben.

Es stellt sich jedoch die Frage, ob PAYE das beste System war – sowohl für den Krieg oder für den Wiederaufbau der Nachkriegswirtschaft. Ist die ukrainische Reform 2022 besser als jene in Großbritannien in den 1940er Jahren?

Die Reform der Ukraine besteht aus drei Teilen (basierend auf einer inoffiziellen Übersetzung der Ankündigung):

  • Die Körperschaftsteuer und die Mehrwertsteuer wurden abgeschafft und durch eine 2%ige Umsatzsteuer ersetzt;
  • Für kleine Unternehmen wird die Steuer freiwillig sein;
  • Neben der Steuerreform gibt es eine radikale Reform der Rechtsvorschriften – alle Unternehmensregulierungen werden abgeschafft.

Die Regulierungsreform ist definitiv eine gute Sache. Vorschriften verhindern die Gründung neuer Unternehmen und schränken bestehende Unternehmen ein, so dass sie weniger und jedenfalls teurer produzieren, als sie es sonst tun könnten. In der Ankündigung heißt es, dass die Regierung „alle Überprüfungen für alle Unternehmen aussetzen wird … damit die Städte leben können“, und dass die Unternehmen stattdessen einfach „im Rahmen des Gesetzes“ arbeiten müssen. Durch die Abschaffung von Genehmigungen, Beschränkungen, Vorschriften und staatlichen Formularen können die Unternehmen im Rahmen einer einfachen Rechtsnorm und nicht im Rahmen einer übermächtigen Bürokratie tätig sein.

Das wird dazu beitragen, dass die Wirtschaft des Landes während des Krieges so gut wie möglich funktioniert, und es wird die besten Chancen für den Wiederaufbau und die Gründung neuer Unternehmen bieten, um eine schnelle Erholung nach dem Krieg zu fördern. Ich hoffe, dass es für den Regierungsbeamten, der sich das ausgedacht hat, eine Medaille „Held der Ukraine“ gibt, denn eine funktionierende Wirtschaft ist ein noch größerer Dienst für das Land als die Zerstörung feindlicher Panzer.

Die Steuerreform ist auch eine gute Notmaßnahme für die Zeit des Krieges. Sie ist einfach und ermöglicht es den Unternehmen, sich auf die Aufrechterhaltung von Produktion und Versorgung in fast unbewältigbar schwierigen Zeiten zu konzentrieren. Aber meine Begeisterung ist nicht ganz so groß.

Die Freiwilligkeit der Besteuerung von Kleinunternehmen ist eine großzügige Notmaßnahme, die nach Kriegsende wahrscheinlich nicht weitergeführt wird (obwohl Steuererleichterung für Kleinunternehmen in bestimmter Art wahrscheinlich fortgesetzt werden sollte).

Die Abschaffung der Körperschaftsteuer ist ebenfalls gut; wir wissen, dass sie zu weniger Investitionen, weniger Unternehmensgründungen, geringerem Wachstum und letztlich zu geringerem Wohlstand und weniger (oder weniger gut bezahlten) Arbeitsplätzen führt.

Aber obwohl ich niedrige, einfache Steuern schätze, kann eine Umsatzsteuer Probleme verursachen. Sie ist nicht unbedingt der beste Weg, um eine Kriegswirtschaft zu führen, und sie ist langfristig sicherlich nicht der beste Weg, um die Wirtschaft nach dem Krieg wiederaufzubauen.

Das erste Problem bei einer Umsatzsteuer ist, dass ihre Auswirkungen von der Rentabilität des Unternehmens abhängen. Für ein Unternehmen mit einer Gewinnspanne von 20 % – d. h. 20 % des Umsatzes sind Gewinn – sind 2 % Umsatzsteuer nur ein kleines Problem. Aber für ein Unternehmen mit einer Gewinnspanne von 5 % würde eine 2 %ige Umsatzsteuer zwei Fünftel des Gewinns aufzehren. Und für ein Unternehmen mit einer Gewinnspanne von 1 % ist eine Umsatzsteuer von 2 % eine Katastrophe.

Letztlich würden viele Unternehmen eine Umsatzsteuer an ihre Kunden weitergeben, indem sie ihre Preise erhöhen (was sie wahrscheinlich ohne allzu große Umsatzeinbußen tun können, da alle ihre Konkurrenten das Gleiche tun würden), und in diesem Fall dürften die Preiserhöhungen durch die Abschaffung der Mehrwertsteuer größtenteils wieder ausgeglichen werden.

Aber selbst dann ist es möglich, dass ein Unternehmen mit geringer Gewinnspanne bei einer 2 %igen Umsatzsteuer mehr Steuern zahlen muss als bei einer 20 %igen Mehrwertsteuer, weil man bei der Mehrwertsteuer die von den Lieferanten gezahlte Mehrwertsteuer abziehen kann. Aus diesem Grund hätte ich auch im Krieg die Beibehaltung der Mehrwertsteuer in Erwägung gezogen, vielleicht mit einem reduzierten Satz, aber mit der Option für kleine und mittlere Unternehmen, stattdessen eine 2%ige Umsatzsteuer zu zahlen.

Das größere Problem mit der Umsatzsteuer wird aber erst nach dem Krieg auftreten.

Eine Umsatzsteuer wird als „Kaskadensteuer“ bezeichnet, weil sie wie ein Wasserfall immer gefährlicher wird, je weiter sie fällt – die Steuer wird umso schädlicher, je mehr Ebenen, sprich Unternehmen, sie durchläuft, da jedes einzelne Unternehmen in der Lieferkette erneut mit der Umsatzsteuer belastet wird, ohne dass die von der darunter liegenden Ebene gezahlte Steuer auf die Mehrwertsteuer angerechnet wird.

Dies begünstigt Konglomerate, bei denen ein einziges Unternehmen alles macht, um die Steuerlast zu senken, anstatt viele verschiedene Zulieferer zu beauftragen. Wenn ein Unternehmen alles macht, von der Produktion der Rohstoffe über die Herstellung bis hin zum Verkauf des fertigen Produkts, fällt die Steuer nur einmal an. Werden jedoch beispielsweise Komponenten zugekauft, fallen zwei Steuerbeträge an (für den Hersteller und den Verkäufer), und zwar für das gleiche Geld, das vom Endkunden bezahlt wird.

Aber moderne Unternehmen sind komplexer als das; es ist sehr wahrscheinlich, dass die Rohstoffe von einem Unternehmen hergestellt werden, dann von einem zweiten Unternehmen veredelt werden, dann werden Komponenten von einem dritten Unternehmen hergestellt, dann wird das Produkt von einem vierten Unternehmen zusammengebaut, an einen Großhändler als fünftes Unternehmen in der Kette verkauft und dann schließlich von einem Einzelhändler als sechstes Unternehmen verkauft. Sechs Unternehmen in der Kette, also wird die Umsatzsteuer sechs Mal ausgelöst – und viele Lieferketten sind komplexer als das.

Die Umsatzsteuer ermutigt die Unternehmen daher, zu versuchen, alles im eigenen Haus zu erledigen, um die Anzahl der Ebenen in der Lieferkette zu reduzieren und so die Anzahl der Steuereinhebungen für dasselbe Endprodukt zu verringern. Und das gilt nicht nur für die eigentliche Produktion, sondern auch für alle Nebendienstleistungen: Gebäudereinigung, Buchhaltung und andere professionelle Dienste, Transport und vieles mehr – alles wird nach Möglichkeit intern durchgeführt, um Steuern zu sparen.

Das ist in der Regel ineffizient, denn es ist unwahrscheinlich, dass ein Unternehmen in all diesen Dingen gut ist. Es führt tendenziell zu weniger Innovation, als wenn man viele verschiedene Unternehmen hat, die jeweils versuchen, ihren eigenen kleinen Beitrag in der Lieferkette zu verbessern. Und es schadet kleinen Unternehmen, weil sie nicht die Kapazität haben, alles selbst zu machen, und daher auf Outsourcing angewiesen sind, was zu einer höheren Steuerbelastung von kleinen Unternehmen führt als bei großen Unternehmen.

Die ukrainischen Steuerreformen haben also den richtigen Ansatz: die Unternehmen sollen entlastet werden, damit sie in diesen entsetzlich schwierigen Zeiten weiterhin Waren und Dienstleistungen produzieren und liefern können. Aber wenn sie nach dem Krieg in der gleichen Weise fortgeführt werden, besteht die Gefahr, dass sie den Aufschwung beeinträchtigen, insbesondere indem sie die Gründung neuer, innovativer, spezialisierter kleinerer Unternehmen einschränken.

Ein besserer Plan wäre, die Beibehaltung der Mehrwertsteuer, allerdings in einer reformierten Form, so niedrig und einfach wie möglich, und mit der Option einer Umsatzsteuer für kleine Unternehmen, denen die Mehrwertsteuer zu kompliziert ist und die ein einfacheres, aber weniger effizientes System bevorzugen würden. Jede Gewinnsteuer, die wieder eingeführt wird, sollte so niedrig und einfach wie möglich sein, denn wir wissen, dass Gewinnsteuern dem Unternehmenswachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen schaden.

Ich wünsche der Ukraine einen baldigen Sieg und dass sie bald wie Adam Smith auf „Frieden und niedrige Steuern“ prosten kann.

 

Author

Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.

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