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Die Wirtschaftsagenda der Regierung Meloni

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Arbeitsmarkt, Steigerung der Produktivität, aber vor allem Entschlossenheit gegenüber den Verbündeten

In der Regierung Meloni hat sich nichts geändert, außer dass der Ministerpräsident nun zum ersten Mal in der Geschichte Italiens eine Frau ist. Von den 26 Ministern verfügen neun bereits über Regierungserfahrung aus dem letzten von Berlusconi geführten Kabinett (2010-2011), darunter auch Meloni. Andererseits ist die Zusammensetzung politisch. Und für Italien, das sich in den letzten 30 Jahren auf die Führung von vier Technokraten (Ciampi, Dini, Monti und Draghi) verlassen musste, ist dies vielleicht ein Wendepunkt.

Die Kontroverse über den postfaschistischen Hintergrund Melonis und einiger ihrer Minister war heftig. 100 Jahre nach dem Marsch auf Rom und angesichts der persönlichen Geschichte vieler Mitglieder der Parlamentsmehrheit sind die Zweifel berechtigt. Allerdings steht die Demokratie in Italien auf einem soliden Fundament; das prominenteste Beispiel dafür ist die Führung durch den Staatspräsidenten Sergio Mattarella. Folglich wird die Überwachung durch die EU nicht benötigt, weder um die Regierung einzuschüchtern, noch um extremistischen Initiativen gegen die Bürgerrechte entgegenzuwirken, deren Einschränkung ohnehin höchst unwahrscheinlich ist. Jedenfalls konnte Brüssel nicht verhindern, was in Ungarn und Polen geschah, also müssen die Drohungen zurückgenommen werden.

Stattdessen wirkt die wirtschaftspolitische Agenda dieser Regierung perplex – von einer Flat Tax auf 100.000 Euro über die „Quote 41“-Renten bis hin zur Anhebung der Bargeldobergrenze auf 10.000 Euro. Dies sind Maßnahmen einer umfassenden Wirtschaftspolitik, die aber in vielerlei Hinsicht kurzsichtig sind.

Inflation, Rezession und Staatsverschuldung sind die drei großen Hindernisse, die zwischen dem stehen, was Meloni tun will und dem, was sie tun kann. Die EZB hat die Zinssätze um weitere 0,75 Prozent erhöht. In Anbetracht der Inflation ist diese Maßnahme unvermeidlich, aber sie geht zu Lasten von Hypotheken und Krediten und geht einher mit bürokratischen Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Investitionen im Zuge des Post Covid Recovery Plans. Melonis Ehrgeiz, der von Draghi geteilt wird, ein neues Kapitel des italienischen Wirtschaftswunders zu schreiben, wird dadurch noch komplexer, zumal keiner der Vorschläge die strukturellen Probleme unseres Produktionssystems berührt. Es stimmt, dass Meloni ihre Regierung konservativ gestalten will. Aber die Geschichte des Kapitalismus lehrt uns, dass es die Konservativen waren, die in den letzten 45 Jahren die revolutionärsten und wirksamsten Reformen eingeleitet haben.

Beginnen wir mit der Rentenreform, die, wenn sie in Kraft tritt, erhebliche Auswirkungen auf die Staatsverschuldung haben dürfte. Die so genannte Quote 41 (Rentenantritt mit 62 Jahren bei 41 Beitragsjahren) entspricht den Wünschen der von Salvini geführten Lega, die den letzten strukturellen Eingriff in diesem Sektor, die „Fornero-Reform“ (der Name stammt vom Sozialminister der Regierung Monti), als Machwerk sieht, das zerstört werden soll. Angesichts der Tatsache, dass die durchschnittliche Lebenserwartung in Italien bei über 85 Jahren liegt, soll der Staat mit der Quote 41 eine Generation älterer Menschen erhalten, die nicht mehr am Arbeitsmarkt teilnehmen, aber wahrscheinlich noch 23 Jahre leben werden. Dies ist für ein Land mit einem demografischen Defizit undenkbar und wird zu einem Verhältnis von 1:3 zwischen Aktiven und Pensionisten führen. Auch der Vorschlag zur Förderung von Zusatzpensionen ist schwach. Die neuen italienischen Generationen kennen diese Kultur nicht, da sie an Wohlfahrt von der Wiege bis zur Bahre gewöhnt sind. Außerdem ist die zusätzliche Altersvorsorge eine zusätzliche Ausgabe, fast eine Hypothek, was die Zahlungen und den Zeitplan angeht, die ein junger Mensch nicht auf sich nehmen kann.

Ebenso problematisch sind die Steuervorschläge. Nicht nur, weil man Gefahr läuft, die Steuerhinterziehung zu erleichtern, sondern auch, weil sie die Schwächen des nationalen Produktionssystems nicht berühren. Die Pauschalierung ist für die Mehrwertsteuerpflichtige günstig, aber nur in Bezug auf die Steuern, und sie ist nicht normativ. Andererseits wird sie von den Unternehmern dringend benötigt. Eine Senkung der Steuerlast für produzierende Betriebe würde zwar Anreize für neue Arbeitsplätze schaffen, wäre aber kein Anreiz für Investitionen in technologische Innovation und Ausbildung. Sie würde auch ein Defizit in den Sozialkassen (Inail und Inps) verursachen, was für Quote 41 kontraproduktiv wäre.

Schließlich sagte Meloni nichts zu den drei Hauptproblemen der italienischen Wirtschaft: eine echte Industriepolitik für Süditalien, eine Förderung des Wachstums kleiner und mittlerer Unternehmen und eine Schwächung der Interessengruppen, die den freien Markt verhindern.

Süditalien – die Heimat von Wohlfahrtsstaatlichkeit, organisiertem Verbrechen, Emigration, schlechter Schulbildung und weit verbreiteter Armut – ist der Ort, an dem Italien am meisten krankt. Kurzfristig wurde versucht, das Problem mit einem Grundeinkommen zu lösen. Heute, mit der Brücke über die Straße von Messina, wissen wir, dass beide Maßnahmen nur kosmetisch sind. Um dieses Drama anzugehen, muss Meloni viel kreativer und entschlossener sein.

Das italienische Wirtschaftsgefüge besteht aus „Nano-Unternehmen“, familiengeführten Betrieben, die zwar kurzfristig effizient sind, aber aufgrund ihrer Größe, der fehlenden Managementkultur, der geringen Produktivität und der geringen Bereitschaft zu technologischen Investitionen nicht in der Lage sind, zu wachsen und sich auf dem Weltmarkt zu behaupten. Die Abkehr von der Tradition dieser KMUs bedeutet eine Modernisierung der italienischen Wirtschaft.

Schließlich der Institutionalismus. Der Autor hat kürzlich eine Erfahrung bei einem Notar gemacht: ein mittelalterlich geprägtes Berufsverständnis, das außerhalb der Grenzen Italiens so nicht existiert, ein Monopol auf die Ausführung bestimmter Rechtshandlungen. Der Berufsstand ist Ausdruck eines Produktionssystems, das sich aus einflussreichen und wohlhabenden Minderheitengruppen zusammensetzt, die die freie Entwicklung des Marktes behindern. Und dann sind da noch die Taxifahrer, die Apotheken, die Besitzer von Badeanstalten: allesamt sektorale Einheiten von geringer unternehmerischer Größe, die sich bewusst sind, dass eine Reform ihre Interessensphäre nicht berühren wird – und nur zum Teil zufällig, stellen sie die Wählerschaft der Fratelli d’Italia.

In der Geschichte haben eiserne Ladies wie Margret Thatcher und Golda Meir gewonnen, weil sie sich gegen ihre eigenen Unterstützer gestellt haben. Meloni hat beide in ihrer Rede nicht erwähnt. Vorhersehbar. Aber wenn es stimmt, dass Konsequenz kein politischer Wert ist, dann können wir davon ausgehen, dass Realismus sie dazu bringen wird, unpopuläre, aber effektive Entscheidungen zu treffen.

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Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.

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