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Ein Mann der Tat und ein Mann der Theorie

Ein Mann der Tat und ein Mann der Theorie 1

[ACHTUNG: Dieser Abschnitt enthält Ausschnitte aus dem Film und sollte nicht gelesen werden, wenn man den Film noch sehen will.]

Lucio Urtubia hatte ein sehr abwechslungsreiches Leben. Geboren ist er 1931 im Baskenland und wuchs dort in einer armen Familie auf. Mit 17 Jahren begann er an der französisch-spanischen Grenze zu schmuggeln. Jedoch wurde er entdeckt und floh 1954 nach Paris, da ihm in Spanien die Todesstrafe drohte. Dort ging er einer Arbeit als Maurer nach. Paris war auch der Ort, wo er den spanischen Widerstandskämpfer Quico Sabaté kennenlernte. Durch ihn ergaben sich Kontakte zu den Anarchosyndikalisten in der spanischen Gewerkschaft „Confederación Nacional de Trabajo“, welche in Zeiten Francos verboten war. Urtubia begann mit Sabaté Banken auszurauben. Mit den Einnahmen versorgten sie Aktivisten, aber auch deren Familienangehörige. Urtubia raubte gerne Banken aus. In einem Interview 2010 gab er zu: „Die größten Gauner, die es gibt, sind die Bankinstitute, die obendrein auch noch vom Rechtssystem geschützt werden. Die Banken auszurauben, was ich als einen revolutionären Akt bezeichne, war das größte Vergnügen, das ich in meinem Leben hatte.“ Irgendwann später hörte Urtubia damit auf, Banken auszurauben, aus Sorge, Mitarbeiter der Bank zu verletzen. Aber er blieb nicht untätig. Er wandte sich nur einem neuen Ziel zu.

In den 60er Jahren tat er sich mit Aktivisten zusammen und verfolgte ein neues Ziel: Die Gruppe begann, Geld zu fälschen. Hauptzweck des Ganzen war nach wie vor die Unterstützung des Widerstandes gegen Franco, aber auch lateinamerikanischer Guerillabewegungen. Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen seiner Tätigkeit waren Urtubia durchaus bewusst. Er wollte sie sogar für seine Zwecke nutzen. Das Ziel war, für so viel Inflation zu sorgen, dass ganze Nationen destabilisiert wurden. 1962 trat er mit dieser Idee an Che Guevara, der zu dieser Zeit kubanischer Industrieminister und in Frankreich war. Er schlug ihm vor, so viele Dollars wie möglich im Umlauf zu bringen, damit die Wirtschaft der USA darunter leide. Che Guevara lehnte seine Idee jedoch ab, da er die USA für ökonomisch zu mächtig hielt, als dass man sie auf diese Weise angreifen könne.

Mit der Zeit boten sich neue Möglichkeiten des Betrugs. Insbesondere Touristen mit den Reiseschecks sorgten dafür, dass Schecks als Zahlungsmittel vermehrt benutzt wurden. Das brachte Urtubia und seine Leute auf die Idee Schecks, statt Geld, zu fälschen. Sie nahmen die Reiseschecks der First National City Bank ins Visier. „Es war eine große Genugtuung für mich, eine der größten Banken Amerikas die Spesen für den Kampf gegen Diktaturen Lateinamerikas bezahlen zu lassen.“ Durch die Fälschung und Ausgabe von Schecks konnten 20 Millionen Dollar eingenommen werden. Das Management war in ziemlicher Bedrängnis, da die Aktienkurse der Bank stark fielen. Und somit wuchs auch der Druck auf die Polizei, Urtubia zu schnappen. Insgesamt wurden 5 internationale Haftbefehle gegen ihn erlassen, einer sogar von der CIA. Als die Behörden ihn endlich erwischten, wollte die Bank ihn für 5 Jahre einbuchten und verlangte eine Entschädigungssumme in Höhe der gefälschten Schecks. Der Baske allerdings entgegnete, dass, wenn er ins Gefängnis käme, seine Kollegen mit dem Fälschen von Schecks einfach weitermachen würden. Die amerikanische Bank war dem Bankrott nahe. Daher einigten sich der Anarchist und die Bank auf einen Deal: Nur 6 Monate Gefängnis und einen Koffer voller Geld für Lucio, die Bank hingegen bekam die Druckplatten. Ob damit nun Urtubia oder die Bank gewonnen hatte, ist eine philosophische Frage. Den restlichen Verlauf seines Lebens verbrachte Urtubia friedlich. Im Juli 2020 starb er mit 89 Jahren.

[Ende der Filmbeschreibung]

Soweit das Leben eines kommunistischen Anarchisten. Aber auch ideologische Gegner wie Murray Rothbard kritisierten ebenfalls das Bankensystem. Der ehemalige Professor für Ökonomie an der Universität Nevada ist bekannt für seine anarchistischen, genauer seine anarchokapitalistischen, Ansichten. Nachlesen kann man seine Ideen in seinem Buch „Eine neue Freiheit. Das libertäre Manifest“. Seine Kritik am Bankensystem kommt in seinem Buch „The Mystery of Banking“ zum Ausdruck.

Das Problem, so Rothbard, besteht im Mindestreservesystem. In einem System mit dem Goldstandard kann die Bank Geldscheine als Ersatz für die Ausgabe von Gold, das ihre Kunden bei ihr eingelegt haben, ausgeben. Anstatt nun mit Gold direkt zu handeln, wechseln Geldscheine, welche zu einer gewissen Menge Gold berechtigen, den Besitzer. Nachdem die Scheine als Ersatz für tatsächliches Gold akzeptiert werden, werden die Scheine nun selten gegen Gold eingetauscht. Sämtliche Tauschpartner akzeptieren nun auch Scheine. Daher hat die Bank nun einen Anreiz, mehr Geldscheine in Umlauf zu bringen, als dass sie an Gold hält. Das hat für sie den Vorteil, dass die zusätzliche Geldmenge in Form von Krediten der Bank Zinsen bringt. Das Geld entsteht – und das ist laut Rothbard der wichtigste Punkt des modernen Bankensystems – aus dem Nichts. Im Wesentlichen ist es dasselbe wie Geldfälschung. Geldfälscher erschaffen Geld aus dem Nichts, indem sie Geld drucken. Auf diese Weise ergaunern sie Ressourcen von jenen Menschen, welche ehrlich für ihr Geld gearbeitet haben. Auf die gleiche Weise gehen Banken vor, wenn sie Geldscheine ausgeben. Der Unterschied besteht darin, dass die von den Banken ausgegebenen Geldscheine, welche nicht durch Einlagen gedeckt sind, vom Gesetz nicht wie Geldfälschung behandelt werden.

Im Fall des Mindestreservesystem gibt die Bank mehr Geld in Umlauf, als dass sie selbst an Geld besitzt. Wenn nun alle Besitzer ihr Geld gleichzeitig abheben würden, hätte die Bank zu wenig Geld, um ihren Kunden ihre Einlagen zurückzugeben. Mit anderen Worten: Eine Bank ist im Mindestreservesystem inhärent bankrott. Dabei ist es einerlei, wenn es sich bei dem Geld um Gold, Tabak oder um staatliches, ungedecktes Papiergeld handelt. Das System des Mindestreservesystems bleibt dasselbe. Und das von der Bank ausgegebene Geld, das nicht von Einlagen gedeckt ist, ist folgerichtig Betrug.

Inflation tritt nicht immer zur gleichen Zeit im gleichen Ausmaß ein. Am meisten profitieren diejenigen, die das neue Geld zuerst erhalten. Nachdem sich die Geldmenge erhöht hat, haben diese Personen nun die Möglichkeit mehr Güter nachzufragen. Diese können nun mit neuem Geld zu alten Preisen kaufen. Und so sickert das neue Geld durch die Wirtschaft. Diejenigen, die als erste das neue Geld erhalten, profitieren vom Geld auf Kosten derjenigen, die es später erhalten und diese wiederum profitieren auf Kosten derjenigen, die das neue Geld nie erhalten. Somit trägt dieses System zur Umverteilung bei.

Auch in seinem Buch „The case against the Fed” geht Rothbard mit dem Bankensystem streng ins Gericht. Die Einlagensicherung (Federal Deposit Insurance Corporation, kurz: FDIC) wurde 1933 von Roosevelt eingeführt, um Bankenruns zu verhindern. Damit wurde den Bankkunden versichert, dass ihre Einlagen geschützt sind und im Falle eines Bankrotts der Bank ihre Einlagen erhalten. Dies sendete ein falsches Signal: Man gab den Banken zu verstehen, dass man ein großes Bailout-Programm für den Fall der Fälle geschnürt hat. Bei genauerer Betrachtung muss man jedoch ernüchternd feststellen, dass lediglich ein verschwindend geringer Teil der Einlagen (1 bis 2 Prozent) durch FDIC abgesichert sind. Was diese Sicherung wert ist, zeigt ein Blick in die Geschichte der Savings- und Loan-Krise Ende der 1980er Jahre, als man diese S&L-Banken, trotz eigener Einlagensicherung, sehr teuer wieder sanieren durfte.

Das Problem an der Einlagensicherung ist bereits das Wort „Versicherung“. Eine echte Versicherung hat die Funktion, den Versicherten vor zukünftigen Schäden, welche nicht durch den Versicherten verursacht werden, abzusichern. Der Schaden kann zudem in vorneherein abgeschätzt werden. In einem Bankwesen mit einem Mindestreservesystem sind die Banken inhärent insolvent. Ein Unternehmen kann sich nicht gegen Bankrott versichern. Aber genau das geschieht im Bankensektor: Ein ganzer Industriezweig, bestehend aus im Grunde insolventen Firmen, wird durch dieses Gesetz versichert. Das Wort Einlagensicherung ist in diesem Fall eine Illusion.

Es gibt laut Rothbard nur einen Weg chronische Inflation, sowie die Aufschwung-und-Abschwung-Zyklen zu bekämpfen. Der einzige Weg, dies zu tun, ist das legalisierte Fälschen von Geld zu verbieten, das Zentralbanksystem abzuschaffen und zum Goldstandard zurückkehren.

Die Kritik der beiden Anarchisten ist somit ähnlich: Beide lehnen das Bankensystem in der aktuellen Form ab. Inwieweit sich Urtubia mit ökonomischen Theorien auseinandergesetzt hat, ist fraglich. Seine Intuition, dass die Banken unmoralisch handeln, teilt Rothbard. Die Kritik speist sich jedoch aus völlig verschiedenen Gründen: Urtubia lehnt Eigentum vollkommen ab, während für Rothbard gerade die Wahrung von Eigentum, mit dem aktuellen Banksystem, verletzt wird. Daher gibt es aus ethischer Sicht Differenzen. Banken auszurauben, ist nach wie vor Raub und somit moralisch verwerflich. Die Untergrabung des Bankensystems durch Währungswettbewerb ist die friedlichere Variante des Widerstandes.

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Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.

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