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16.04.2019
Free Market Road Show – Wien

Mao Tse-tung und die Grundeinsichten des Liberalismus
Die „Free Market Road Show 2019“ gastierte im Wiener Ringturm: Prominent besetzte Paneel-Diskussionen über Liberalismus, wirtschaftliche Freiheit und Europa 30 Jahre nach dem Mauerfall.
In der Rolle des Gastgebers begrüßte Dkfm. Karl Fink, Vorstand der Vienna Insurance Group die Teilnehmer der zwölften FMRS Wien.
„Ausgerechnet Mao Tse-tung hat mich am meisten davon überzeugt, dass drei zentrale Fragen dreier berühmter Köpfe der Ökonomiegeschichte richtig beantwortet wurden“, sagt der Soziologe und Politikwissenschafter Erich Weede. Was hat denn gerade Chinas „Großer Revolutionär“ mit Liberalismus und wirtschaftlicher Freiheit zu tun? „Er sorgte quasi für die experimentelle Evidenz der Annahmen von Smith, Mises und Hayek.“ Aber zum Preis von Millionen Toten.
Die Ausführungen des deutschen Professors über das „Weltbild des Liberalismus“ bildeten den Auftakt zweier prominent besetzter Panel-Diskussionen im Wiener Ringturm im Rahmen der „Free Market Road Show 2019“, die am 11. April in Österreichs Hauptstadt Station machte. Unter den Titeln „Freier Fall oder ein Fall für Freiheit?“ sowie „Reinventing Freedom 30 Years after the Wall“ tauschten sich heimische wie internationale Wirtschaftsexperten unter Leitung von Barbara Kolm (Präsidentin des Hayek Instituts sowie Direktorin des Austrian Economics Center) aus. Kolm gleich zu Beginn: „Die wirtschaftliche Freiheit gilt es jeden Tag auf’s Neue hochzuhalten und zu verteidigen.“
Verfassung der Freiheit
Der Liberalismus, so Weede, will im Wesentlichen eine „Verfassung der Freiheit“, in der „der Zwang von Menschen auf Menschen minimiert wird.“ Alle wirklichen Liberalen schätzen die Freiheit als Wert an sich. Die Eigenverantwortung ist jedoch eine notwendige Kehrseite und „ich fürchte, dass deshalb nicht alle Menschen so glücklich über diese Freiheit sind.“ Freiheit ist eng mit Eigentum verbunden („jeder Mensch gehört sich selbst“. Die Früchte der eigenen Arbeit gehören einem selbst und „nicht dem Finanzminister – daran darf man auch unsere Politiker ab und zu erinnern.“
Wie könne man Skeptiker vom Wert der Freiheit, dem Liberalismus überzeugen? Drei (alte) Grundeinsichten der Ökonomik könnten dabei, so Weede, helfen. Schon Adam Smith war der Ansicht, dass Eigentum als Arbeitsanreiz unverzichtbar ist. Ludwig von Mises postulierte: Eigentum an Produktionskapital ist erforderlich, damit es Wettbewerb auf Input-Märkten geben kann. Denn nur mit diesem Wettbewerb gibt es Knappheitspreise. Und Friedrich von Hayek hat erkannt: es gibt viele verschiedene Arten des Wissens (theoretisches, praktisches etc.). Dieses Wissen ist auf Millionen Köpfe verteilt und nicht zentralisierbar. Dezentrale Entscheidungen in einer Volkswirtschaft mit privatem Unternehmertum und Privatbesitz am Produktionskapital sind Voraussetzung dafür, dass das Wissen in einer Gesellschaft tatsächlich genutzt werden kann.
Mao habe diese Grundeinsichten mit seinem „Großen Sprung nach vorn“ bewiesen – indem er sie „einfach so gründlich missachtet hat wie nirgendwo in der Weltgeschichte“: Privatbesitz wurde total abgeschafft und Arbeitsanreize radikal vernichtet. Es gab keine Knappheitspreise, weil es kein Eigentum an Produktionskapital gab (nicht an Feldern oder Arbeitswerkzeug). Und bäuerliches Wissen wurde „ersetzt durch Kaderarroganz – Bauern entschieden nicht mehr selbst, was, wann und wo angebaut wird, das entschied alles die Parteibürokratie.“ Die Folgen: In rund vier Jahren kamen rund 45 Millionen Menschen um, die meisten verhungerten. Wenn man ökonomische Grundeinsichten total verneint und so viele Menschen sterben, dann ist das „für mich eine überzeugende Evidenz für die Richtigkeit dieser Grundeinsichten.“
Heute zeigen laut Weede viele wissenschaftliche Daten zur wirtschaftlichen Freiheit, dass diese eng mit Wohlstand und Wachstum zusammenhängt. Der Wert der „wirtschaftlichen Freiheit ist überprüfbar.“ Diese Freiheit nütze auch „jenen Menschen, deren Regierungen sie ihnen noch vorenthalten.“ Gerade in Asien gebe es viele Regime, die ihrer Bevölkerung wenig Freiheiten gewähren, die aber von der Freiheit in westlichen Gesellschaften profitieren: Sie „bedienen unsere kaufkräftigen Märkte“.
Neben wirtschaftlicher Freiheit „brauchen wir heute vor allem eine Begrenzung der Staatstätigkeit und der Macht der Obrigkeit, denn nur damit behalten wir die Möglichkeit, die unvermeidlichen Irrtümer der Menschen zu überwinden“. Deshalb brauchen „wir eine Verfassung der Freiheit.“
Liberalismus hat keine blutigen Hände
„Die wirtschaftliche Freiheit ist unabdingbar mit der politischen Freiheit verbunden“, hielt Barbara Kolm in der anschließenden Diskussion fest. Das hätten die 30 Jahre nach dem Fall der Mauer wohl eindeutig erwiesen: „Man schaue nur, wo all die Länder heute sind, in denen es seither politische und damit auch wirtschaftliche Freiheit gibt.“
Beim Blick aus den Fenstern des Ringturms auf die Wiener City hielt Herbert Unterköfler vom Management-Beratungsunternehmen Korn-Ferry fest: „Hier sehen wir das bauliche Ergebnis der liberalen Ära Wiens im 19. Jahrhundert. Es ist beachtlich, was damals der Liberalismus als Antwort auf den Feudalismus an Kräften freigesetzt hat.“ Im Gegensatz zu den anderen Ideologien habe sich der Liberalismus niemals „blutige Hände gemacht.“ Warum er gerade in Österreich heute „eher ein Minderheitenprogramm“ ist, das erklärt sich Unterköfler damit, dass „er rationaler, logischer und weniger emotional ist als andere.“ Man müsse heute aber die Freiheit nicht neu erfinden sondern sich ihrer wieder (zurück)besinnen.
Für Unternehmer Johannes Strohmayer (Vorstand der Austrian Equities Industriebeteiligungen AG) hat die Idee der liberalen Marktwirtschaft in den „letzten 70 Jahren zu Wohlstand und Arbeit für die meisten Menschen geführt.“ Global bedeute die liberale und soziale Marktwirtschaft, dass in den letzten 15 Jahren fast zwei Milliarden Menschen aus der „ärgsten Armut geholt wurden.“ Demgegenüber bringe zentrale Planwirtschaft Hunger und Not, wie „wir leider in Venezuela sehen können.“ In Europa, so Strohmayer, müssen „wir jedoch den Bürger wieder mehr vor dem Staat schützen – wir sind absolut überreguliert.“ Wenn ein börsennotiertes Unternehmen jährlich fünf mal überprüft werde (vom Wirtschaftsprüfer bis zur FMA) sei das zu viel. Deregulierung sei ein zentrales Anliegen einer liberalen Gesellschaft. „Wir müssen der nächsten Generation die Schönheit des Abenteuers Freiheit wieder vermitteln“, meint Strohmayer.
„Eigenverantwortung, Wettbewerb und Leistungsprinzip sind nicht für alle bequem, sie beschreiben jedoch Freiheit und Liberalismus“, führte Barbara Kolm abschließend aus. Das Nachdenken darüber, dass man für die eigenen Entscheidungen auch selbst verantwortlich ist, müssen „wir der jungen Generation ebenfalls nahebringen.“
Europa am Scheideweg: Demokratische Defizite, hohe Ausgaben und zu viel Harmonisierung
Warum Europa am Scheideweg steht, warum es zwischen den europäischen Völkern und ihren Führern zu Differenzen kommt, das erklärte der US-Journalist John Fund im zweiten Panel mit einem historischen Blick auf die Entwicklung der EU seit 1989, nach dem Zusammenbruch des Kommunismus: „Es herrschte damals große Euphorie und man wollte die EU hin zur politischen Union entwickeln.“ Über die Erweiterungen, den Maastricht-Vertrag bis hin zu den Bemühungen um eine europäische Verfassung wurden die „Wähler jedoch nicht direkt involviert und befragt, es herrscht ein Demokratie-Defizit.“ Immer dann, wenn die Menschen doch über die Zukunft Europas direkt abstimmen konnten, haben „sie gegen ihre jeweiligen Regierungen gestimmt.“ Es sei höchst an der Zeit, jetzt mit der Bevölkerung zu gehen.
Laut US-Ökonom Terry Anker (The Anker Consulting Group) muss gerade Europa auch die Frage betrachten, ob und wie sich die westlichen Traditionen mit Privateigentum und individueller Freiheit gegenüber jener der östlichen (Asien) mit eher kollektivem Eigentum etc. behaupten werden. In China, Indien und Afrika mit jeweils Bevölkerungszahlen jenseits der Milliarde, sowie auch in Russland („ist es Europa oder Asien?“), herrschten teils konträre Definitionen von Märkten. Anker hält es für möglich, dass deshalb gar eine neue „Monroe-Doktrin“ entstehen könnte.
Daniel Mitchell, Ökonom im „US-Center for Freedom and Prosperity“, hält fest: In allen Rankings liegen die EU-Länder wiederholt an der Spitze – ein Verdienst der Union. Probleme gebe es jedoch immer mit jeweils nationalen politischen Entscheidungen. Seit der „wachrüttelnden“ Finanzkrise seien etwa die Staatsausgaben allerorts gestiegen, die Schuldenstände noch viel mehr. Bei der nächsten Krise könnte so in Italien Gleiches wie in Griechenland passieren: „Daran trägt nicht Brüssel Schuld sondern die italienische Politik über Dekaden hinweg.“ Weitere den EU-Ländern drohende Probleme: die Überalterung der Bevölkerung und die Steuerpolitik. „Ich fürchte, Brüssel zieht da alles an sich, harmonisiert und zentralisiert – das ist ein Fehler.“
Der britische Steuerexperte Richard Teather von der Bournemouth University sieht hier ebenso eine Gefahr für Europa, bedingt durch zwei unterschiedliche Ansätze: hier die jeweiligen Regeln eines Landes, dort die für alle gleich geltenden Regeln. Mit zunehmender Zentralisierung und Harmonisierung (etwa bei Steuern) „verlieren wir die Vielfalt an Möglichkeiten, etwas zu probieren, neue Systeme zu testen, wir verlieren damit auch an Flexibilität.“ Das gelte nicht nur für Steuersysteme sondern für vielen andere Bereiche. Österreich mache zum Beispiel bei der „Schaffung neuer Jobs vieles besser als andere Länder.“ Hier stehe Europa an einem Scheideweg: „Harmonisieren wir alles total oder akzeptieren wir auch Diversity, die Vielfalt“.
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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