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04.09.2019
Die Irrationalität der Digitalsteuer

von Kai Weiß
Die Digitalsteuer kommt nach Österreich – so sieht es zumindest derzeit aus. Zusammen mit dem ersten Paket der ansonsten vielversprechendenSteuerreform will der Nationalrat im September über die Einführung einer solchen Steuer, welche digitale Unternehmen extra an die Kasse bittet, abstimmen. Die Chancen, dass sie verabschiedet wird, stehen gut.
Die Digitalsteuer ist eine mittlerweile besonders beliebte Steuer in Europa – von Italien, Großbritannien, Belgien nach Spanien erwägen zahlreiche Länder die Einführung einer solchen Steuer. In Frankreich ist sie bereits eingeführt – und die Ergebnisse sind bislang alles andere als wohlwollend.
In Frankreich beläuft sich die Digitalsteuer auf drei Prozent für Unternehmen mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz weltweit oder 25 Millionen Euro im Land. Doch wie schon jetzt deutlich wird, nehmen es Digitalunternehmen nicht einfach hin, dass sie mehr Steuern zahlen müssen. Stattdessen hat beispielsweise Amazon angekündigt, die Steuer einfach an Klein- und Mittelunternehmer, die die Seite zum Verkauf ihrer Waren verwenden, weiterzuleiten. Geschädigt wird also nicht Amazon, sondern vornehmlich französische Unternehmen (die daraufhin wahrscheinlich die erhöhten Kosten an die Kunden weiterreichen werden).
Währenddessen haben andere Länder – in erster Linie die USA – die Steuer als reinen Protektionismus angesehen. Digitalsteuern zielen immerhin vornehmlich darauf ab, große Digitalunternehmen zu besteuern. Diese sind in Europa selbst rar – die meisten kommen aus den USA. Präsident Donald Trump war jedenfalls nicht erfreut und drohte Frankreich neue Zölle an, die wiederum in erster Linie französische Konsumenten treffen würden. Erst ein separater Deal am G7-Treffen ließ Trumps Wut (vorerst) herunterkühlen.
Experten warnten schon seit längerem davor, dass eine Digitalsteuer lediglich als eine Handelsbarriere gelten könnte. Die deutschen Wirtschaftsweisen meinen, sie käme einem einseitigen Zoll gegen die USA gleich mit denen man gar WTO-Regeln verletzen würde. Clemens Fuest vom Ifo Institut erwartet, dass eine Digitalsteuer den Handelskrieg weiter verschlimmern würde.
Dass eine Digitalsteuer in den meisten Fällen in Europa fast ausschließlich amerikanische Unternehmen treffen würde, zeigt sich besonders gut am österreichischen Modell. In Österreich würde die Digitalsteuer lediglich eine Ausweitung der fünfprozentigen Werbesteuer auf digitale Werbung bedeuten – im Moment trifft die schon länger bestehende Steuer nur traditionelle Werbungen, die nicht online sind. Doch auch hier müssen nur digitale Unternehmen die Abgabe zahlen, die mehr als 750 Millionen Euro weltweiten oder 25 Millionen Euro österreichischen Umsatz erzielen. Dies würde jedoch nur eine Handvoll große ausländische, größtenteils amerikanische Unternehmen betreffen. Der damalige Kanzler Sebastian Kurz meinte selbst, kein einziges österreichisches Unternehmen wäre davon betroffen, während Teile der Einnahmen von der Digitalsteuer zur Modernisierung der österreichischen Medien verwendet würden.
Das bedeutet: ausländischen Firmen wird abgeknüpft, um das Geld österreichischen zuzuschieben. Dieselben Mittel, welche die USA durch ihre protektionistische Agenda benutzt und über die sich Europa gerne beschwert, würden verwendet. Früher oder später würden aber vor allem Österreicher davon betroffen sein. Der Fall Frankreich zeigt dies schon, doch sollte man realisieren, dass Unternehmen nicht einfach höhere Steuern – das heißt, höhere Kosten – akzeptieren werden, sondern bis nach unten zum Konsumenten rieseln lassen würden. Auch österreichische Kleinunternehmen wären besonders von höheren Marketing-Kosten betroffen. 53 Prozent Firmen im Land bewerben ihre Produkte oder Dienstleistungen auf Social Media. Es wird wohl kaum Facebook sein, welches die Digitalsteuer zahlen wird. Genauso wie Amazon werden die Kosten an diejenigen weitergeleitet, die tatsächlich etwas auf der Seite bewerben. Wie Daniel Bunn von der Tax Foundation schreibt, würden weniger „Big Tech“ von der Steuer betroffen sein, „sondern Firmen, die sich auf diese Plattformen verlassen, um neue Kunden zu generieren.“
Wieso wollen also Österreich sowie andere europäische Länder einen solchen „bürokratischen Alptraum“, wie ihn die Bertelsmann-Stiftung bezeichnete, überhaupt einführen? Der Hauptgrund ist, dass die Regierungen argumentieren, dass digitale Unternehmen wie Google, Amazon, Apple oder Microsoft im Moment nicht ihren „fairen Anteil“ zahlen. Diese Behauptung stützt sich auf ein Dokument der Europäischen Kommission, in der diese eine europaweite Digitalsteuer fordert, ein Vorhaben, dass im letzten Jahr aufgrund der Opposition mehrere Mitgliedsstaaten scheiterte. In der Studie wird behauptet, digitale Unternehmen würden nur 10,1 Prozent Steuern zahlen entgegen 23,2 Prozent von traditionellen Firmen.
Doch wie Matthias Bauer vom Brüsseler Think Tank ECIPE gezeigt hat, stützt sich diese Aussage auf irreführenden Zahlen. Diese beruhen lediglich auf den 100 größten Unternehmen nach Börsenwert und den fünf größten E-Commerce Firmen. Das bedeutet, die Kommission blickt auf eine Minderheit von Unternehmen und zieht nur hypothetische Zukunftswerte, nicht echte Profite, in Betracht.
Verwendet man stattdessen die echten Umsätze der Unternehmen, zeigt sich ein anderes Bild. In Bauers Berechnungen zahlen Digitalfirmen 29,1 Prozent Unternehmensteuern im Gegensatz zu 27,7 Prozent von ihren traditionellen Gegenstücken. Wie er in einer Studie aus diesem Jahr zeigt, gilt das ebenso für die großen, bösen Unternehmen aus den USA: Von 2012 bis 2017 zahlte die Firma Alphabet (die auch Google beinhaltet) 26,8 Prozent Unternehmensteuern, Facebook 27,7, Microsoft 28,2 und Amazon sogar 38,2. Dies steht im Gegensatz zu den 24,1 Prozent, die Deutschlands größte, im DAX30 inkludierten Unternehmen im selben Zeitraum zahlten. Tatsächlich kommen in Sachen Steuern einheimische Großkonzerne wie Renault, Volkswagen oder die Deutsche Telekom deutlich besser weg als die amerikanischen „Big Tech“ (mehr zu dieser Studie finden Sie in einem früheren Artikel von mir).
Das deutsche Ifo Institut stellt zwar derweil eine Lücke zwischen traditionellen und digitalen Unternehmen fest, doch auch hier ist sie deutlich geringer als von der Kommission behauptet. In ihren Berechnungen zahlen Digitalunternehmen insgesamt 20,9 Prozent Steuern im Gegensatz zu 26,7 im Fall von traditionellen Firmen. Will man diese Lücke schließlich, meint Ifo, wäre es aber besser, durch neue Abschreibungsmöglichkeiten auf Produktionsanlagen die Steuerbelastung von traditionellen Unternehmen zu senken.
Das Argument, dass digitale Unternehmen nicht genug zahlen, ist also allemal zweifelhaft. Die Schäden einer Digitalsteuer könnten derweil immens sein. Österreich wie auch die EU hängen in Sachen Standortbeliebtheit weltweit sowieso schon hinterher – deshalb gibt es ja auch kaum europäische Großunternehmen, die von der Digitalsteuer betroffen sein würden: Sie existieren einfach nicht. Eine Digitalsteuer würde die Entstehung solcher digitalen Firmen nur noch weiter erschweren.
Trotz alledem scheinen Länder wie Österreich gar nicht schnell genug Digitalsteuern einführen zu wollen. Es wäre schwer zu erklären, wieso dem so ist, wäre nicht jegliches rationales Argument gegen eine Digitalsteuer mittlerweile wirkungslos geworden. Befürworter einer Digitalsteuer haben schon lange die rationale, faktenbasierte Diskussion verlassen und haben sich stattdessen dem irrationalen Populismus gegen „die bösen reichen, ausländischen Konzerne“ zugewendet. Schlussendlich würden jedoch die eigenen Firmen und Konsumenten davon am meisten getroffen werden.
Noch ist es Zeit, dieses Vorhaben zu verhindern. Doch die Uhr tickt.
Kai Weiß ist Vorstandsmitglied beim Hayek Institut und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Austrian Economics Center.
Lesen Sie die englische Version hier: Austrian Economics Center
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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