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27.03.2023
Jammern auf hohem Niveau

Wie ein ungeliebter Schatten, der sich nicht abschütteln lässt, begleitet die Inflation die europäischen Volkswirtschaften. Österreich liegt mit 10,9 Prozent im Februar 2023 laut Statistik Austria bedauerlicherweise im europäischen Inflations-Spitzenfeld. Völlig anders stellt sich die Situation bei unseren Eidgenossen dar. Warum ist die Inflationsrate in der Schweiz deutlich niedriger als im Euroraum? Oder steht dem Schweizer Franken sein Wertverlust noch bevor?
„Jammern auf hohen Niveau“ so könnte man die Reaktion der Schweizer Finanzexperten im Februar 2023 zusammenfassen, die sich erschrocken zurücklehnten, als sie erkennen mussten, dass sie schlichtweg falsch lagen. Entgegen allen Erwartungen und Prognosen hatte die Inflation bei den Eidgenossen doch zugelegt. Die meisten Experten hatten einen Inflationsrückgang prognostiziert, nun kam es doch zu einem Anstieg von 3,3 Prozent (im Jänner) auf 3,4 Prozent (im Februar). Im Dezember letzten Jahres waren es lediglich beneidenswerte 2,8 Prozent.
Die Ursache für den Anstieg war schnell herausgefunden: Im Vergleich zum Vormonat Jänner legte der Landesindex der Konsumentenpreise (LIK), er misst die Teuerung der Konsumgüter, um 0,7 Prozent auf 105,8 Punkte zu. Analysten hatten lediglich einen Anstieg zwischen 0,3 und 0,4 Prozent erwartet. Das Bundesamt für Statistik lieferte die Gründe: Flug- und Pauschalreisen, aber auch Wohnungsmieten und Benzin wurden teurer, Heizöl und Autos wiederum billiger.
Im Vergleich zum Euroraum gilt die Schweiz immer noch als Musterschüler. Die Jahresinflation 2022 betrug 3,3 Prozent. Laut WKO lag der EU-Durchschnitt bei 9,2. Prozent. Während manche Stimmen diese Entwicklung auf eine allzu expansive Geldpolitik der EZB in den Jahren davor zurückführen, gilt es zu bedenken, dass bis 2021 weder die mehrjährige Negativzinspolitik noch die massive Geldmengenausweitung im Rahmen der Programme zum Ankauf von Staats- und Unternehmensanleihen nach dem Ende der Finanzkrise 2008 einen nennenswerten Inflationsschub erzeugt haben. Durch die Wertpapier-Ankaufsprogramme versuchte die EZB offiziell das Zinsniveau zu stabilisieren und den geldpolitischen Transmissionsmechanismus sicherzustellen. Aus der Zusammensetzung ihrer Ankäufe (primär griechische, italienische und spanische Staatsanleihen) wird aber erkennbar, dass die EZB damit eigentlich zur Finanzierung angezählter Euro-Staaten und Senkung ihrer Renditen beigetragen hat, damit klar ihr geldpolitisches Mandat überschritten und gegen das Verbot monetärer Staatsfinanzierung verstoßen hat (auch, wenn dies vom EuGH verneint wurde).
Im Kielwasser der Pandemie
Auf der Suche nach den Inflationsursachen erscheint klüger, die Nachwirkungen der COVID-19-Krise genauer unter die Lupe zu nehmen, primär die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus, die von Vater Staat ins Leben gerufen wurden: Reisebeschränkungen, Ausgangssperren, die Schließung von Fabriken und Geschäften. Grundstoffe und Halbfertigprodukten konnte aus diesen Gründen nicht (zeitgerecht) geliefert werden. Und genau genommen kehren wir nur sehr langsam zur globalen Handelsnormalität zurück, denn Einschränkungen bestehen nach wie vor. Viele Lieferketten sind bis heute unterbrochen. Das Warenangebot bleibt begrenzt, gleichzeitig sind aber die Verbraucher (nach den Lockdowns) schon längst wieder zurückkehrt. Viele Konsumausgaben, die pandemiebedingt nicht getätigt werden konnten, werden nun nachgeholt, was logischerweise zu einem Anstieg der Nachfrage geführt hat.
Ein weiterer Faktor, der die Inflation anheizt, sind die gestiegenen Rohstoffpreise: Rohöl, und Holz, Metalle und andere wichtige Rohstoffe sind ebenfalls infolge von Lieferengpässen teurer geworden. Dies findet in zweifacher Weise in den Verbraucherpreisen seinen Niederschlag: einerseits steigen die Preise für Strom, Heizen und Tanken, die der Konsument direkt bezahlt, andererseits sind viele Unternehmen auf diese Rohstoffe angewiesen, um ihre Produkte herzustellen, was natürlich zu höheren Produktionskosten und letztendlich ebenso höheren Endpreisen führt. Damit sind hier aber nur zwei (pademiebedingte) Ursachen für hohe Inflation herausgegriffen. Die Frage, weshalb der Schweizer Franken verglichen zum Euro kaum an Wert verliert, ist aber noch nicht beantwortet.
Der Musterschüler und seine Vorgaben
Mit einer sehr restriktiven Geldpolitik versucht die Schweizer Nationalbank (SNB) die Inflation in einem ausgesprochen engem Korridor zwischen 0 und 2 Prozent zu halten. Somit wird seit Jahren vermieden, dass eine lockere Geldpolitik eine schwache Währung und somit auch höhere Importpreise nach sich zieht. Darin spiegelt sich die relative Stärke des Schweizer Franken und in weiterer Folge auch in einem allgemeinen Wohlstandsniveau: Das hohe Pro-Kopf-Einkommen ist relativ breit verteilt und das Prekariat entsprechend gering. Eine solche Konstellation kann durchaus inflationsdämpfend wirken, da ein großer Teil der Arbeitnehmer nicht existenziell bedroht und auf stetig steigende Gehälter angewiesen ist. Der „Lohn-Preis-Spirale“ wird so ihr Druck entzogen.
Trotzdem liegt die derzeitige Teuerung bereits außerhalb des SNB-Zielkorridors. Zurückzuführen ist das primär, wenn man das Jahr 2022 analysiert, auf die gestiegenen Energie- und Nahrungsmittelpreise.
Vergleichswert Verbraucherpreisindex
Um die Schweizer Inflationsrate mit dem EU-Durchschnittswert vergleichen zu können, gilt es zunächst eine gemeinsame Basis heranzuziehen: Den sogenannten harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI). Dieser von Eurostat publizierte Index spiegelt die Preisentwicklung in verschiedenen Verbraucherbereichen. Er setzt sich zusammen aus zwölf Hauptkategorien, die gemeinsam den sogenannten Warenkorb bilden. Allerdings zeigt sich deutlich, dass aufgrund der unterschiedlichen Gewichtung einzelner Konsumelemente ein tatsächlicher Vergleich schwierig ist.

Die Basisdaten für die Grafiken stammen von Eurostat

Offensichtlich ist, dass die größten Inflationstreiber im letzten Jahr die Kategorien Energie und Nahrungsmittel waren. Ohne diesen beiden Kategorien würde die Inflation im letzten Jänner (verglichen mit dem Jänner 2022) EU-weit bei 5 Prozent liegen, in der Schweiz sogar unter 1,5 Prozent. Auf die internationalen Rohstoffmärkte haben aber weder die Politik noch Notenbanken Einfluss.
In der folgenden Grafik habe ich versucht, diesen Effekt anhand vorliegender Daten von Eurostat zu veranschaulichen.

Die EZB-Perspektive
Auch nicht die Europäische Zentralbank (EZB). Sie hat grundsätzlich in den letzten Monaten nicht zögerlich, sondern eindeutig zu spät reagiert. Gebremst wurde ihre Reaktionsfähigkeit durch die Tatsache, dass sie durch eine Leitzinsanhebung die Wirtschaft in der Eurozone regelrecht abwürgen könnte. Denn sobald die Nachfrage einbricht, bremst sich die Teuerung ein. Am Eurozone-Horizont werden sehr schnell steigende Arbeitslosenzahlen und Insolvenzen sichtbar. Betroffen sind primär Volkswirtschaften, die im Mittelmeerraum schon seit Jahren vor sich hin schwächeln. Höhere Zinsen lassen ihre Staatsverschuldung weiter explodieren, selbst wenn die Inflation den Realwert dieser Schulden verkleinert. Doch langfristig gesehen steht am Ende des Wechselspiels zwischen Inflation und Leitzinsanhebung auch ein geschwächter Euro. Das zu verhindern, ist gleichermaßen der Auftrag der Europäischen Zentralbank.
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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