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02.07.2019
Kleine Kaffeekapseln und das große Problem der Politik

Wenn es um Klima- und Umweltfragen geht wird häufig eine Diskussion geführt, welche wesentliche Aspekte außer Acht lässt. Es gibt zum Beispiel einen bekannten Anbieter eines Portionskaffee-Systems, welcher Kaffee in Aluminiumkapseln verkauft. Diese Firma setzt auf Recycling des Aluminiums und hat in Kooperation mit bekannten Markenherstellern, Taschenmesser und Stifte aus recyceltem Kapselaluminium produzieren lassen.
Diese Firma betont, dass Aluminium die Frische und die Aromen des Kaffees besser vor Licht, Luft und Feuchtigkeit schützen kann als Alternativen. Außerdem sei keine zusätzliche Verpackung nötig und das geringe Gewicht erlaube eine möglichst nachhaltige Logistik und ermögliche einfaches recyceln.
Deren Gegner argumentieren, dies sei Greenwashing, die Aluminiumproduktion sei stark umweltbelastend. In der Hierarchie käme Recycling relativ weit unten, losen Kaffee zu verwenden sei wesentlich umweltverträglicher bzw. nachhaltiger. Außerdem sei die Recyclingquote gering und es ginge nicht um Recycling, sondern allenfalls um Downcycling. Ein staatliches Verbot sei nötig, um die Umwelt zu schützen. Dieses „Kapselproblem“ steht stellvertretend für zahlreiche andere Ökologiedebatten in denen der Glaube an den Staat als Problemlöser regelmäßig triumphiert.
Doch werden manche essenzielle Fragen (die ich auch in meinem neuen Buch Unglaubliche Welt: Etatismus und individuelle Freiheit im Dialog behandle) oftmals gar nicht gestellt, wie beispielsweise welche Rolle der einzelne Mensch in diesen Belangen spielt, woher der Staat die Legitimation hat, solche Verbote durchzusetzen, und daraus hervorgehend, wie ökologische Diskussionen geführt werden können, ohne den Staat als Weltretter zu stilisieren.
Im Kapselbeispiel wird der einzelne Mensch in zwei „Kollektivrollen“ gesehen. Der Hersteller der Kaffeekapseln hat den Menschen primär als Konsumenten im Blick. Die Verbotsbefürworter sehen Menschen als Umweltbetroffene. Durch diesen kollektiven Fokus geht eine wichtige Einsicht verloren: Der Mensch ist in allerster Linie ein Individuum, welches subjektiv – unter Zuhilfenahme des individuell und dezentral zur Verfügung stehenden Wissens – den Wert der Kaffeekapsel für sich selbst in seiner konkreten Situation bestimmt.
An dieser Stelle wird Widerspruch aufkommen. Einerseits wird es Verbotsbefürworter geben, die behaupten, es gäbe sehr wohl einen objektiven Wert. Wasser könnte ins Feld geführt werden, dieses sei (anders als Kaffee) lebensnotwenig und der objektive Wert daher unbestreitbar. Es stimmt natürlich, dass Wasser überlebensnotwendig ist, aber dadurch bekommt Wasser nicht automatisch einen ökonomischen Wert.
Für einen einzelnen Menschen in einer konkreten Situation kann Wasser sowohl wertlos als auch wertvoll sein. Ist Wasser im Überfluss vorhanden, einfach verfügbar oder der Mensch hat keinen Durst gilt das eine, in Knappheitssituationen das andere. Der Wert bestimmt sich also aus der subjektiven Perspektive des einzelnen Menschen.
Andererseits wird es Verbotsbefürworter geben, die argumentieren: Überlebensnotwendiges muss unabhängig von der freien, subjektiven Bewertung einzelner Individuen staatlich reguliert werden. Der Staat muss durch diverse Zwangsmaßnahmen dafür sorgen, dass keiner vom richtigen Pfad abweicht. Nur der Staat könne für das Allgemeinwohl sorgen.
Diese Argumentation unterstellt dreierlei: Erstens, dass die subjektiven dezentralen Entscheidungen einzelner Frauen und Männer zu schlechten Ergebnissen führt, zweitens, dass die Politik erkennt, wo Probleme liegen und die „richtigen“ Lösungen dafür kennt, und drittens, dass politisch gesetzte Ziele wichtiger sind, als das individuelle Streben nach Glück.
Das führt zum zweiten Aspekt, der Frage nach Legitimation und Wirken staatlichen Handelns. Politiker können sich auf die Legitimation durch Wahlen berufen. Diese – so wird argumentiert – ermächtigen sie, weitreichende Entscheidungen für jeden Einzelnen mit Zwang durchzusetzen. Doch das ist kritisch und normalerweise ein beliebtes Argument in autoritären Systemen. Nationalsozialismus und Kommunismus liefern hierfür anschauliche Beispiele.
Hinzu kommt der Umstand, dass gewählte Politiker zahlreichen Einflüssen unterliegen. Diese können sich im rechtlich zulässigen Rahmen bewegen oder darüber hinaus gehen. Einige Beispiele illegalen Zusammenspiels zwischen Politik und Interessenvertretern gelangen in die Schlagzeilen, andere bleiben im Verborgenen. Doch auch legale Einflussnahme durch die gegenseitige Abhängigkeit von Politik und Medien, Lobbyismus oder den Druck der Straße ist ein Beleg, dass Politik beeinflusst werden kann und keineswegs als neutraler und unabhängiger Weltenretter agiert. Nur weil dies so ist, macht es überhaupt Sinn, das Vertreter von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden oder NGOs versuchen, Einfluss auf politische Entscheidungsträger zu nehmen.
Ein weiterer Punkt ist die Wissensfrage: Kann Politik die richtigen Probleme und deren Lösungen überhaupt erkennen? Es war hier Friedrich A. von Hayek, der aufzeigte, dass zentrale Planung beziehungsweise politische Macht mit der „Anmaßung von Wissen“ einhergeht. Dieses Grundproblem ließe sich nur vermeiden, wenn es möglich wäre, die subjektiven und sich verändernden Handlungen jedes einzelnen Individuums vorherzusagen, und alle Zusammenhänge der komplexen Welt verstehen zu können – ein Ding der Unmöglichkeit. Zentrale Planung und politische Vorgaben sind daher in gewissem Sinne willkürlich – auch wenn diesen eine demokratische Legitimation und gute Absichten zugrunde liegen.
Die Situation eines Menschen mag dazu führen, dass dieser Kaffeekapseln bevorzugt oder aber losen Kaffee. Sie mag dazu führen, dass jemand zu Fuß geht oder ein Flugzeug nutzt. Sie mag den einen zum Fleischkonsum und den anderen zu vegetarischer Ernährung veranlassen. Sein Handeln (und nicht Umfrage- oder Wahlergebnisse) verrät seine echten Präferenzen.
Natürlich können auch diese dezentral getroffenen, subjektiven individuellen Entscheidungen (im Nachhinein betrachtet) falsch sein. Doch deren Wirkung ist gering. Fehler in politischen Entscheidungen haben weitreichende und häufig nur bedingt reversible Folgen. Außerdem ist im ersten Fall jener Mensch betroffen, der die Entscheidung traf, während im zweiten Fall, Entscheidung und Haftung bzw. das Tragen der Folgen von Fehlentscheidungen auseinanderfallen. Bezogen auf die Kaffeekapselfrage, die Frage der umweltverträglichen Mobilität oder der bewussten Ernährung, bleibt der einzelne Mensch und seine subjektiven Werte demnach der wichtigste Dreh- und Angelpunkt.
Damit kommen wir zur letzten, eingangs aufgeworfenen Frage, wie die Diskussion (ökologischer) Themen geführt werden könnte, ohne die subjektiven Werte des einzelnen Menschen zu vernachlässigen und den Staat zum Weltenretter zu stilisieren. Erster Schritt hierzu wäre, den entscheidenden Akteur jeglichen Wirtschaftshandelns überhaupt zu berücksichtigen und nicht durch gedankliche Kollektive zu ersetzen. Viele Klima- und Umweltfragen lassen sich einfach nicht mit Kollektivperspektive identifizieren und mit zentraler Planung lösen.
Stattdessen ist auch bei Umweltproblemen die freiheitliche, dezentrale, individuelle Entscheidung und Handlung besser als zwangsweise, zentrale staatliche Planung und Lenkung. Wer ökologische Ziele erreichen (oder sein Geschäft ankurbeln) möchte, kann dies tun. Aber nur mit Hilfe jener Instrumente, welche die Freiheit anderer Menschen – ihr eigenes Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten – nicht beschränkt.
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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