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12.07.2023
Kryptowährungen

Hayek betonte in seinen Arbeiten insbesondere den Währungswettbewerb unter privaten Teilnehmern. Mit dem Erstarken von Kryptowährungen erhält diese Idee der Geldpolitik einen neuen Schub.
Hayeks geldpolitische Überlegungen beruhten auf den historischen Erfahrungen 1971: damals erschütterte der Nixon-Schock das globale Finanzsystem. Der US-Präsident hatte die Goldbindung des Dollars aufgehoben. Es waren zu viele US-Dollar in Umlauf gebracht worden, als dass sie von den USA mit ihren Goldreserven hätten gedeckt werden können. Ein darauffolgendes System zum Teil fixierter Wechselkurse, das sogenannte „Smithsonian Agreement“ musste 1973 ebenso erfolglos aufgegeben werden.
Auch für Hayek sollte Geld klarerweise als Zahlungsmittel verwendet werden. Aber gab es für ihn keinen Grund, warum nur ein gültiges Zahlungsmittel in einem Land existieren sollte. Auch vor der Einführung des Euros in Deutschland und Österreich wurden entlang der deutsch-österreichischen Grenze sowohl der österreichische Schilling als auch die Deutsche Mark akzeptiert. Das Einzige, das deutsche Banken in Salzburg davon abhielt, ihre Geschäfte in D-Mark auf genau dieselbe Weise abzuwickeln, wie im 17 Kilometer entfernten Berchtesgaden, war die Gesetzgebung des österreichischen Staates. Auch die meisten touristischen Zentren Österreichs akzeptierten neben der D-Mark den Dollar.
Wettbewerb oder Monopole auf den Geldmärkten?
Grundlage der Ideen Hayeks bildet also der Währungswettbewerbs, auch Free Banking oder Bankfreiheit genannt. In dieser hypothetischen Welt gibt es keine zentrale, monetäre Autorität wie eine Zentralbank, die Messgrößen, wie die Geldmenge, Zinsen oder Teuerung zu steuern versucht. Stattdessen geben Geschäftsbanken schlicht ihre eigene Währung heraus. So könnte beispielsweise die Schweizer UBS ihre Währung „UBS-Dollar“ taufen, die Raiffeisenbank den „R-Taler“ herausgeben und die Deutsche Bank ihren „DB-Gulden“ in Umlauf bringen, etc. Dabei fungieren die Geschäftsbanken, die ihre eigene Währung ausgeben, faktisch als private Zentralbanken. Jede Bank kann unter diesen Umständen jene Geldpolitik verfolgen, die ihr am vorteilhaftesten erscheint. Die Banken werden hierbei einem Unternehmen gleichgestellt, die Ware „Geld“ wie jedes andere Gut behandelt. Diese stehen somit im Wettbewerb, um ihren Kunden ein bestmögliches Produkt zu liefern.
Beim staatlichen Geldsystem emittiert die Zentralbank als Monopolist Geld. Jede Zentralbank verfolgt dabei gewisse Ziele, die ihr von der Politik vorgegeben werden: so ordnet die Europäische Zentralbank der Wertstabilität, also die Bekämpfung der Inflation, alle anderen Ziele unter. Die amerikanische Politik hat dagegen der US Fed die beiden gleichwertigen Ziele gesetzt, maximale Beschäftigung sowie stabile Preise zu gewährleisten. Für manche Zentralbanken in Entwicklungsländern, die sehr stark vom Rohstoffexport abhängig sind, macht eine solche Wertstabilität jedoch nur wenig Sinn, da sie bei jeder Preisschwankung auf den Weltmärkten ihre Geldmenge anpassen müssten. Die Zentralbank eines jeden Landes hat somit andere Prioritäten: unter anderem Geldwertstabilität, Vollbeschäftigung oder Exportförderung.
Darf sich die Zentralbank nur auf Geldwertstabilität fokussieren, muss sie die Inflation auf einem gewissen Level halten, wie die Europäische Zentralbank mit einem Inflationsziel von nahe bei aber nicht über zwei Prozent. Sobald die Politik der Zentralbank weitere Ziele aufbürdet, muss sie auch Kontrollverlust über die Inflationsraten bis zu einem gewissen Grad akzeptieren. Da die Zentralbank also immer bis zu einem gewissen Maß politischen Entscheidern unterliegt, ist die Versuchung groß, das staatliche Geldmonopol gerne zur privaten Bereicherung, Finanzierung von Staatsausgaben oder Bereitstellung liquider Mittel für den Krieg zu verwenden. Dies konnte man 2022 bei dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan beobachten, der bei Inflationsraten von über 80 Prozent seine Notenbank dazu drängte, die Zinsen weiter zu senken, im Glauben dies könnte den Bausektor und damit das Wirtschaftswachstum weiter ankurbeln. Kurz gesagt, es gibt einen ständigen Anreiz zum Machtmissbrauch durch politische Entscheidungsträger.
Währungen, die Pleite gehen können
Auch ein privater Währungsemittent kann seine Währung zu diesem Zweck inflationieren. Die Raiffeisen Bank könnte so viele R-Taler drucken, dass es zur Inflation und damit dem Wertverlust ihrer Währung kommt. Doch würden Konsumenten, die ein Interesse an einer stabilen Währung haben, dann aus dieser Währung flüchten und auf eine wertstabilere Währung, den Dollar der UBS, umsteigen. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf, würden Banken ihre Währung stabil halten, um ihre Kunden nicht zu verlieren. Der Wettbewerb führt schließlich dazu, dass sich die Banken auf dem Währungsmarkt gegenseitig in Schach halten. Die einzelnen, konkurrierenden Währungen können dabei vielseitig gestaltet werden, etwa könnte eine Währung im klassischen Sinne goldgedeckt sein. In diesem Fall ist die Geldmenge durch das Gold gedeckt, dass die Bank in ihren Tresoren hat. Bei einem Geldwert eines UBS-Dollar von 1 Gramm Gold, könnte die Bank somit bei einem Besitz von 1.000 Gramm Gold 1.000 ihrer Dollar in Umlauf bringen.
Doch könnte es für eine Bank auch sinnvoll sein, die eigene Währung an einen Warenkorb zu binden. Dabei werden verschiedene Güter zu einem Warenkorb zusammengefasst – die Herausforderung der Bank liegt nun darin, seine Geldmenge so anzupassen, dass man mit einem UBS-Dollar immer den gleichen Warenkorb kaufen kann. Die Kunden der Bank können die Stabilität der Währung auch anhand eines solchen Warenkorbes messen. Neben klassischen Warenkörben, die Konsumgüter enthalten, könnten diese auch Energiepreise (Strom, Gas, Öl) enthalten oder Edelmetalle. Private Banken könnten dem aktuellen Vorbild von Zentralbanken folgen und ihren Kurs frei schwanken lassen oder sich im Wert an eine andere Währung binden. Letzteres könnte insbesondere für Währungen, die sich als stabiles Zahlungsmittel einen Namen machen wollten, eine Lösung sein.
Komplexität eines solchen Währungssystems
All das klingt sehr kompliziert für das tägliche Leben. Wer akzeptiert welche Währung und wieviel ist sie gerade wert? Ist so ein System praktikabel in einer globalisierten Welt mit Warenströmen und globalen Lieferketten, wenn in jedem einzelnen Land unterschiedlichste Währungen gültig sind? Besonders deutlich wird das in Argentinien. Seit seinem Staatsbankrott und einer galoppierenden Inflation weit über dem lateinamerikanischen Durchschnitt, hat das Land neben einem offiziellen Wechselkurs aufgrund strikter Kapitalmarktkontrollen (Argentinier dürfen nur eine begrenzte Anzahl an Pesos in Dollar umtauschen) auch einen Schwarzmarktkurs, der sogar ganz offiziell in der Zeitung (Dolar blue) angegeben wird. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Wechselkurse etwa für Aktien (dolar CCL). Der Dólar Turista fällt dabei durch seinen besonders hohen Kurs auf. Dieser zwingt Argentiniern im Ausland einen noch höheren Wechselkurs auf, wenn sie im Ausland mit Kreditkarte bezahlen, und soll sie so veranlassen, zu Hause zu konsumieren.
Neue Technologien lassen Kryptowährungen auf den Plan treten
2009 trat der bis heute anonym gebliebene Autor Satoshi Nakamoto mit seinem Whitepaper „Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System“ auf den Plan. In diesem beschreibt er die technischen Details eines Systems, in dem Transaktionen über dezentrale Netzwerke durchgeführt werden können. Es gibt keine zentrale Autorität oder Vermittler, vulgo eine Bank. Die Codes der Kryptowährungen stellen ihre eigene Zentralbank dar, die fixieren, wieviel digitale „Banknoten“ es gibt. Im Falle von Bitcoin ist diese Geldmenge bereits von Anfang an begrenzt. Kryptowährungen ersetzen somit nicht nur Zentralbanken, sondern die Institution Bank an sich.
Dabei konkurrieren sie durch verschiedenste Eigenschaften miteinander. Einige dienen eher als Wertspeicher, andere als Transaktionsmittel. Den meisten gemeinsam ist die Möglichkeit einfach durch eine Digital Wallet transportiert werden zu können und überall mittels Internets verfügbar und global versendet werden zu können. Dabei sind sie dank der Blockchain auch geschützt vor Datenverlust oder technologischem Verfall, da die Datenblöcke unveränderbar auf vielen verschiedenen Rechnern gespeichert sind, was den Bestand an Geldmenge transparent macht. Dazu wurden einige Kryptowährungen mit dem Gedanken entwickelt, eine sinnvolle Maßeinheit für bestimmte Güter zu sein, doch konnten sich diese aufgrund der grassierenden Goldgräberstimmung in der Szene und der damit einhergehenden Volatilität bisher nicht etablieren.
Dazu macht die Technologie die Überweisung finanzieller Mittel einfach für Länder mit großer Diaspora mit Gastarbeitern rund um die Welt. In den ersten Tagen des Angriffs Russlands auf die Ukraine nutzten zahlreiche Spender die Möglichkeiten von Überweisungen über die dezentralen Blockchains, um das Land zu unterstützen. Verwirklichen neue digitale Technologien die Visionen Friedrich August Hayeks und „entnationalisieren“ das Geldsystem?
Oft wird von Anhängern der Kryptowährungen argumentiert, diese würden dem Staat und somit der Regierung das Monopol entreißen. Tatsächlich werden die Währungen des Internets einigen sehr wichtigen Eigenschaften gerecht, die die Österreichische Schule Währungen abverlangt. Allen voran die Dezentralisierung und zumeist auch deren von vornherein begrenzte Geldmenge. Vor allem entspricht es den Visionen der Österreicher, dass deren Qualität und technologischer Fortschritt auf dem Feld durch den Wettbewerb unterschiedlichster Teams und Organisationen vorangetrieben wird. Dieser Wettbewerb versetzte längst schon die großen Zentralbanken der Eurozone und die US-FED so in Panik, dass sie begannen an ihren eigenen digitalen Währungen zu arbeiten.
Vertrauensfragen
Dennoch arbeiten sich Kryptowährungen noch an einer Frage ab: Nämlich der nach dem Vertrauen. Dabei ist es kaum überraschend, dass Kryptowährungen vor allem in Ländern stark verbreitet sind, wo das Vertrauen in die eigenen staatlichen Institutionen niedrig ist und diese oftmals nicht in der Lage sind, stabile Währungspolitik zu gewährleisten. Erst auf dem elften Platz folgt mit der Schweiz ein westliches Industrieland.
Tabelle 1: Übernahme von Kryptowährungen im täglichen Gebrauch oder Besitz
2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | |
Nigeria | 28% | 32% | 42% | 45% | 47% |
Türkei | 20% | 16% | 25% | 40% | 47% |
Vereinigte Arabische Emirate | – | 10% | 13% | 34% | 31% |
Indonesia | 11% | 13% | 12% | 19% | 29% |
Brasilien | 18% | 12% | 12% | 22% | 28% |
Indien | 8% | 8% | 10% | 22% | 27% |
Argentinien | 16% | 14% | 21% | 35% | 26% |
Malaysia | – | 12% | 16% | 20% | 23% |
Saudi Arabien | 14% | 11% | 12% | 20% | 23% |
Südafrika | 16% | 17% | 18% | 23% | 22% |
Schweiz | 10% | 9% | 13% | 18% | 21% |
Südkorea | 6% | 8% | 8% | 19% | 20% |
Ägypten | – | 8% | 12% | 14% | 19% |
Niederlande | 10% | 9% | 10% | 19% | 19% |
Pakistan | 6% | 6% | 14% | 19% | 18% |
Australien | 7% | 8% | 9% | 16% | 17% |
Norwegen | 7% | 8% | 9% | 15% | 17% |
Belgien | 7% | 6% | 10% | 15% | 16% |
Irland | 8% | 10% | 13% | 15% | 16% |
Marokko | 10% | 9% | 10% | 12% | 16% |
USA | 5% | 7% | 8% | 15% | 16% |
Chile | 11% | 12% | 14% | 14% | 15% |
Spanien | 10% | 10% | 10% | 15% | 15% |
Österreich | 8% | 7% | 8% | 14% | 14% |
Neuseeland | 6% | 5% | 11% | 15% | 14% |
Falsifizieren die Erfahrungen aus Krypto Hayeks Geldtheorien?
Währungen, die von Hayeks Vorschlag Gebrauch machten, ihren Wert beispielsweise an einen Warenkorb zu binden, blieben die Ausnahme. Eine davon ist Ampleforth, die ihren AMPL-Token an die Kaufkraft des US-Dollars von 2019 banden. Der Fortschritt in der Szene wurde zumeist getrieben von Technikern und Softwareingenieuren, die vergleichsweise wenig Expertise in der Funktionsweise des Geldsystems mitbrachten (und oft nur den schnellen Profit suchten). Auch private Banken sprangen nicht auf den Zug auf, wie von Hayek gewünscht – aus Angst um den Reputationsverlust, aufgrund der dubiosen Geschäfte, die sich um diese Bezahlform rankte, doch auch aufgrund staatlicher Regulierungen, die die Nutzung dieser Produkte für Banken unwirtschaftlich macht.
Dabei muss die langfristige Marktfähigkeit von Kryptowährungen gar nicht von gesättigten westlichen Märkten ausgehen, wo den Bürgern bereits eine große Bandbreite an Finanzdienstleistungen zur Verfügung steht. Die Zahlen aus der Tabelle oben zeigen, dass die Bevölkerungen in zahlreichen Schwellenländern mit ihren wachsenden Mittelschichten und deren Bedarf nach Kapital-, Versicherungs- und Kreditdienstleistungen großes Potenzial haben. In einer globalisierten Welt eröffnen sich auch für diese Menschen immer größere Möglichkeiten mobil zu sein und sich zu vernetzen – und entsprechend auch das Bedürfnis kleinere Beträge zu günstigen Preisen um die Welt zu schicken. Aufkeimender Protektionismus und Handelskriege zwischen den großen Wirtschaftsblöcken treiben den Bedarf nach entnationalisierten Finanzdienstleistungen weiter. Die Blockchain kann diesen Menschen als Infrastruktur für neue innovative Geschäftsmodelle dienen.
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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