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22.09.2014
Kurskorrektur im Reich der Mitte

Photo von © Dreamstime
China privatisiert zwei große Staatsbetriebe und reformiert sein Finanzsystem. Ausländische Investoren dürfen ab Oktober Aktien von Festland-Unternehmen kaufen.
von Raoul Sylvester Kirschbichler
Es geht der Führung in Peking um eine Liberalisierung der chinesischen Landeswährung und um mehr Mitsprache auf dem globalen Finanzmarkt. Vor diesem Hintergrund wird China im kommenden Oktober seinen Aktienmarkt noch weiter für ausländische Aktienanleger öffnen.
Bis jetzt konnten ausländische Investoren nur jene begrenzte Auswahl an Aktien kaufen, die in Hong Kong gelistet sind. Oder sie bemühten sich um eine ganz spezielle Lizenz, die es ihnen ermöglicht, eine begrenzte Menge von Wertpapieren auch am Festland zu erwerben – ein langwieriger und mühsamer Behördenmarathon, der sehr viel Zeit, noch mehr Geduld und viele kleine Geldspenden in wichtigen Ämtern vorausgesetzt hat.
Wer in China in den letzten Jahren spekulierte, der hat nur sehr selten gewonnen. Chinas Wirtschaft ist immer langsamer gewachsen. Wertpapiere haben in den letzten zwei Jahrzehnten nicht sehr viel eingebracht: Ausländische Investoren hatten mit chinesischen Aktien bestenfalls 1,5 Prozent verdient, US-Staatsanleihen haben dreimal mehr eingebracht.
Chinas Wirtschaft schwächelt, die derzeitige Wachstumsrate von 7,5 Prozent, die schwächste seit 1990, wird in den kommenden Jahren kaum noch erreicht werden. Wirtschaftsexperten prognostizieren für die kommenden Jahre ein Wachstum von 5, maximal 6 Prozent – das wäre nur halb so viel wie noch im Jahr 2010 (10,4 Prozent).
Allerdings müssen die nüchternen Prozentsätze in Relation zum wachsenden Bruttoinlandsprodukt gesehen werden: Schließlich lag Chinas Wirtschaftsleistung im Jahr 2009 noch bei rund fünf Billionen Dollar, im letzten Jahr waren es bereits 13, 3 Billionen. Ein Wachstum von 10 Prozent (2010) entsprach rund 500 Milliarden Dollar. Sofern nun ein Wirtschaftswachstum von 6 Prozent vorhergesagt und auch erreicht wird, würde das rund 800 Milliarden entsprechen.
Vor fünf Jahren war die Welt im Reich der Mitte noch in Ordnung. Der Shanghai Composite Index hatte sich in nur zehn Monaten verdoppelt. China hatte Deutschland, die drittstärkste Volkswirtschaft überholt. Infrastrukturinvestitionen in einer Gesamthöhe von 600 Milliarden Euro stützte Chinas Konjunktur. Doch der chinesische Traum, größer zu werden als der amerikanische Aktienmarkt, zerplatzte im Zuge der Finanzkrise. Das Börsenbarometer hat seit seinem Höchststand 43 Prozent eingebüßt, rund 700 Milliarden Dollar an Marktwert wurden vernichtet. Lediglich der griechische ASE Index musste im selben Zeitraum noch größere Verluste in Kauf nehmen. Chinas Großkonzerne sind mittlerweile aus der Top-10-Liste der weltweit größten Unternehmen (nach Marktkapitalisierung) herausgefallen.
Während sich der Abwärtstrend des Shanghai Composite Index mittlerweile eingebremst hat, beginnt Peking seine Lehren zu ziehen: Ziel ist es, Wachstum zu stabilisieren und notwendige Reformen schnell umzusetzen. Die Regierung ordnete bei mehr als 1400 Betrieben in 19 Branchen die Stilllegung von Überkapazitäten an. Dass Chinas Führung grundlegend umdenkt, zeigt auch die geplante Privatisierung von CNBMG (China National Building Materials Group Corporation) und CNPG (China National Pharmaceutical Group). In beiden Fällen sollen auch ausländische Investoren zum Zuge kommen. An der Spitze beider Unternehmen soll schon bald ein professionelles Management stehen.
Li Keqiang, Chinas neuer Ministerpräsident, hat den großen Umbau der chinesischen Wirtschaft angekündigt: Die Abhängigkeit von Exporten soll stark reduziert werden, Chinas Wachstum wird sich – so sein Plan – künftig verstärkt auf Dienstleistungen und Konsum stützen. Parallel dazu wird die chinesische Notenbank rund 120 Milliarden Euro über die China Development Bank in das Finanzsystem pumpen. Einerseits um den Wohnungsbau zu stützen, andererseits um die Kreditvergabe zu erleichtern.
Gleichzeitig setzt China auch auf neue Geldquellen. Sie sollen den chinesischen Markt wiederbeleben. Seit Anfang des Jahres werden Lizenzen für den Ankauf von Wertpapieren in Rekordgeschwindigkeit vergeben. Bereits Monate vor der geplanten Aktienmarktreform haben Anleger massig Geld in Fonds investiert. Der Handelsansturm war gewaltig. Broker-Häuser mussten neue Mitarbeiter einstellen. Die Börse reagiert prompt: So hat der Shanghai Composite Index, der in China gelistete Aktien umfasst (A-Aktien*), die für inländische und nun auch für qualifizierte ausländische Investoren zugängig sind, seit Anfang Juni 12 Prozentpunkte zugelegt. Die Aktien im Shanghai Composite werden mit dem 10,7-fachen der berichteten Gewinne bewertet. Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der Kursrallye im Jahr 2009 war es das 29-fache.
Für ausländische Investoren wurde ein Aktien-Handelskontingent mit einem Gesamtvolumen von umgerechnet 12,6 Milliarden Euro freigestellt. Durch die Marktöffnung im kommenden Oktober werden vermutlich zusätzliche 37 Milliarden Euro in den chinesischen Aktienmarkt fließen. Die größte Befürchtung der ausländischen Anleger ist, dass China in Fragen der Transparenz und der Corporate Governance unter das Niveau von westlichen Konzernen fällt.
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*A-Aktien:
Aktien chinesischer Unternehmen, die in chinesischer Währung (Renminbi) in Schanghai und Shenzhen gehandelt werden. Ursprünglich waren A-Aktien nur inländischen Investoren vorbehalten. Die Beschränkungen für Ausländer wurden 2006 deutlich gelockert und die Handelsumsätze, zu denen Ausländer in diesen Papieren handeln dürfen, wurden deutlich erhöht
Im Vergleich zu B-Aktien:
Aktien chinesischer Unternehmen, die in US-Dollar (Schanghai) bzw. in Hongkong-Dollar (Shenzhen) gehandelt werden und ausländischen Privatanlegern zugänglich sind.
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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