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Leben und Werk Hayeks

Cover Hayek A Life Buecher scaled

Eine neue Biographie von ideengeschichtlicher Bedeutung.

Bruce Caldwell und Hansjörg Klausinger beschreiben in ihrem Buch vor allem das Leben, aber auch die Ideen des späteren Nobelpreisträgers Friedrich August von Hayek und deren politische Wirksamkeit. In Anbetracht der Länge von Hayeks Leben, der Vielzahl seiner Ideen und Werke, auch der Länge der neuen Biographie muss ein Rezensent auswählen und Schwerpunkte setzen. Hoffentlich gelingt es hier, die Schwerpunkte so zu setzen, dass auch Hayek das akzeptieren könnte, nämlich das Werk in den Vordergrund zu stellen. In seiner Habilitationsschrift und anderen in zeitlicher Nähe seines Wechsels von Wien nach London, zur London School of Economics, verfassten Schriften entwickelt Hayek eine Konjunkturtheorie. Wenn das freiwillige Sparen der Investitionsbereitschaft entspricht, dann gilt der natürliche Zins. Wenn durch monetäre Expansion der Zins unter das natürliche Niveau gesenkt und zu viel Kredit vergeben wird, dann wird die Struktur von Volkswirtschaften verzerrt, dann kommt es zu vielen Investitionen, die angefangen, aber nicht beendet werden. Es folgt eine Krise mit Deflation und Arbeitslosigkeit. Falls diese Diagnose Hayeks zutrifft, dann sollten die Ersparnisse vermehrt und auch die Investitionen in den Wirtschaftszweigen erhöht werden, die relativ zur Nachfragestruktur in der Krise vorher bei gleichzeitigen Überinvestitionen anderswo vernachlässigt wurden. Offensichtlich ermutigt diese Theorie viel weniger als die kurze Zeit später entwickelte keynesianische Theorie Staatseingriffe, Nachfragesteuerung und schon gar nicht defizitäre Staatshaushalte.

Die vielleicht wichtigste Beitrag Hayeks betrifft das menschliche Wissen und seine Nutzung. Das hat Hayek in einem Aufsatz im American Economic Review 1945 dargestellt. Es unterscheidet explizites und implizites Wissen. Explizites Wissen kann in Texten oder Formeln festgehalten werden. Implizites Wissen ist in Arbeitspraktiken oder auch Traditionen inhärent.  Es gibt universell gültiges Wissen, aber auch an konkrete Zeiten und Orte gebundenes Wissen. Aus der Vielfalt des Wissens und der Menge des Wissens folgt für Hayek, dass jeder nur einen Bruchteil des Wissens überschaut, dass die Wissensnutzung dezentrale Entscheidungen und wirtschaftliche Freiheit erfordert, dass eine rationale Ressourcenallokation Wettbewerb und nicht nur dessen Simulation erfordert, dass sozialistische Planwirtschaft nicht funktionieren kann.

De Kommunisten haben Planwirtschaft zwar konsequenter als andere aufgebaut, aber planwirtschaftliche Neigungen sind anderswo weit genug verbreitet, dass Hayek eines seiner Bücher, seinen ‚Weg zur Knechtschaft’, den Sozialisten oder Planwirtschaftlern in allen Parteien gewidmet hat. Dort macht er allerdings den Anhängern des sozialen Ausgleichs weitreichende Zugeständnisse. Er akzeptiert nicht nur staatliche Fürsorgeleistungen, sondern auch dass diese sich mit steigendem gesellschaftlichen Wohlstand von Grundbedürfnissen lösen darf; weshalb ihm von Libertären Sozialdemokratismus vorgeworfen wird. Man kann das als Problem der schiefen Ebene oder der ständigen Ausweitung der Staatsaufgaben und Ausgaben bezeichnen. In späteren Werken hat Hayek immer wieder damit gerungen. In ‚Recht, Gesetzgebung und Freiheit’  skizziert er eine Verfassung, die die Staatstätigkeit begrenzen soll. Das ist zwar in akademischen Schriften, aber nicht in der Politik aufgegriffen worden. Dasselbe lässt sich von seinem Plädoyer für die Entstaatlichung des Geldes und Währungswettbewerb sagen.

Das Buch ist gut geschrieben, informativ und lesenswert. Im Gegensatz zu meiner Rezension behandelt das Buch das Privatleben Hayeks sehr ausführlich, etwa seine Scheidung und deren Auswirkung auf Freundschaften. Es enthält aber viele ideengeschichtliche Perlen, etwa kompetente Zusammenfassungen von Theorien seiner Vorläufer, wie Menger, Böhm-Bawerk oder Mises. Leider sorgt die Länge des Buches für eine Begrenzung der Leserzahl. Trotz der Länge vermisst der Rezensent eine Beurteilung von Hayeks Ideen und Theorien in Anbetracht wirtschaftlicher Ereignisse. Hat sich etwa seine Konjunkturtheorie in der großen Rezession bewährt? Oder hat das Schicksal des Kommunismus seine Wissenstheorie bestätigt? Weil die Biographie 1950 endet, Hayek aber viel länger gelebt, geforscht und publiziert hat, wollen die Autoren – künftig von dem Zwickauer Ökonomen Stefan Kolev unterstützt – noch einen zweiten Band schreiben.

Wehn die Rezension Sie neugierig gemacht hat, finden Sie das Buch in unserem Webshop:

Author

  • lehrte Soziologie an den Universitäten Köln, Bologna und Bonn. 1998 gehörte er zu den Gründern der Friedrich-A.-von-Hayek-Gesellschaft.

Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.

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