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18.04.2017
Perspektiven und Chancen im und für den Kosovo
Mag. Sami Ukelli, Botschafter der Republik Kosovo
Am Morgen des 5. Aprils durfte das Hayek Institut seine Exzellenz Mag. Sami Ukelli, Botschafter aus der Republik Kosovo, im Hayek-Saal begrüßen. Herr Ukelli referierte zum Thema „Perspektiven und Chancen im und für den Kosovo“ und gab den Teilnehmern des allmonatlichen Center Right Coalition Meetings einen Einblick in die politische und wirtschaftliche Situation des jüngsten Landes Europas. Durch die anschließende Diskussion führte Lukas Mandl, Abgeordneter zum Landtag in Niederösterreich und Vorsitzender der neu gegründeten Österreichisch-Kosovarischen Freundesgesellschaft.
Herr Ukelli begann mit einer kurzen Übersicht über die Entstehung des Staates. Kosovo gehörte früher zu Jugoslawien, doch als dieses in den 1990ern zerbrach, entstanden diverse neue Staaten, als letztes Kosovo. Lange wurde dabei gerangelt und speziell Russland und Serbien stellten sich – beziehungsweise stellen sich bis heute – gegen das neue Land. Als 2008 die Regierung die Unabhängigkeit erklärte, wurde sie von den meisten Ländern schnell anerkannt – und ist es mittlerweile von insgesamt 114 Ländern, auch wenn unter anderem noch fünf EU-Länder diese Anerkennung derzeit verweigern.
Seit der Unabhängigkeit hat Kosovo große Fortschritte gemacht – und das mit oftmals liberaler Politik. Das Land kann eine „flat tax“ von gerade einmal zehn Prozent auf Einkommen aufweisen, ebenso ist die Körperschaftssteuer auf demselben niedrigen Level – davon kann man in Westeuropa heutzutage nur noch träumen, selbst in Irland gibt es diese Verhältnisse nicht. Es besteht kein fixer Mindestlohn und die Arbeitsrechtregulierungen sind ebenfalls überschaubar. Zudem kann Kosovo, betont Sami Ukelli, die modernste Verfassung Europas vorweisen.
Besonders Interesse fand seine Ausführung zur ethnischen und religiösen Zusammenstellung. Der Großteil der Kosovaren sind Albaner mit einem fast 90-prozentigen Anteil an der Gesamtbevölkerung, die bei knapp zwei Millionen liegt. Ansonsten gibt es nur mehr kleine ethnische Gruppen, angeführt von Serben. Überraschend: Knapp 600.000 Kosovaren leben im Ausland, vor allem Deutschland ist ein beliebtes Auswanderungsziel. Für Herrn Ukelli ist dies ein wichtiger Faktor für den sozialen Frieden im Land, denn die Auswanderer schicken große Summen Geld zurück.
Die meisten Albaner sind Muslime, wenngleich es auch viele Anhänger der römisch-katholischen Kirche gibt (Mutter Theresa war beispielsweise Albanerin). Der Botschafter berichtete jedoch trotzdem von einer säkularen Gesellschaft und speziell einem säkularen Staat. Religion scheint im Leben der Kosovaren keine große Rolle zu spielen. Natürlich beeinflussen Moscheen und Kirchen die öffentliche Meinung, doch nicht direkt in der Politik. Stattdessen unternimmt die Regierung alle Bemühungen, um aufkommenden Extremismus und Fundamentalismus zu verhindern – und ist Herrn Ukellis Meinung nach dabei sehr erfolgreich. Problematisch ist daran nur, dass sich das Land „zwischen zwei Stühlen“ befindet: Einerseits denken die Europäer, sobald sie von der muslimischen Mehrheit im Land hören, an Terroristen und Dschihadisten und wollen sich schnellstmöglich abschotten. Andererseits sehen jedoch islamische Länder die Kosovaren eher als Möchtegern-Muslime und erkennen auch deshalb auch den Staat nicht an.
Trotz der tendenziell guten Bedingungen bleiben die Erfolge jedoch noch oftmals aus. Die Investitionen aus dem Ausland steigen zwar kontinuierlich, aber sind weiterhin niedrig. Das Wirtschaftswachstum liegt bei lediglich 3,9 Prozent – laut Herrn Ukelli wären mindestens sieben Prozent Wachstum nötig, da jährlich 30.000 junge Menschen den Arbeitsmarkt erreichen und nach Jobs suchen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist deshalb bei fast 50% (obwohl sie wohl nur bei knapp 20% liegt, wenn man den boomenden informellen Sektor einrechnen würde).
Verbesserungen sind aus diesem Grund weiter nötig. Die Infrastruktur wird weiter verbessert, nächstes Jahr soll zum Beispiel eine neue Autobahn vom mazedonischen Skopje nach Pristina, der Hauptstadt Kosovos, eröffnet werden, womit die Reise zwischen den beiden Großstädten nur noch eine Stunde dauern wird. Die jungen Menschen sind schon gut ausgebildet, vor allem im IT-Sektor, aber auch hier werden weiter Fortschritte gemacht. Und der Kampf gegen Steuerhinterziehung soll verstärkt werden.
Was jedoch laut Herrn Ukelli von essentieller Bedeutung ist, ist die Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit und die Korruptionsbekämpfung. Zudem will der Kosovo weitere Schritte zum Eintritt in die Europäische Union gehen – den Euro hat man ja schon (und eine eigene Währung bringt laut Herr Ukelli keinen Mehrwert). Herr Ukelli mahnt dabei aber auf die Einheit der Europäischen Union, angesichts der derzeitigen Herausforderungen mit dem Brexit und den Problemen in der Nachbarschaft (Russland, Ukraine, Türkei) und betont wie wichtig für den Balkanraum die Beitrittsperspektive ist. Die EU wird auch als Friedensprojekt angesehen; enorm wichtig für eine Region die vor zwei Jahrzehnten Schauplatz von vielen Kriegen und Konflikten war.
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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