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Plastik statt Plankton

Plastik statt Plankton

Die Plastikinsel im Nordpazifik ist größer als Europa. 670 Tonnen Müll landen jede Stunde im Meer. In den Ozeanen schwimmt sechsmal mehr Plastik als Plankton.

von Raoul Sylvester Kirschbichler

Rund zehn Suchflugzeuge und mehrere Schiffe machten sich auf den Weg zur mutmaßlichen Unglücksstelle, als auf den Satellitenfotos eindeutig Treibgut zu erkennen war. Das größte Wrackteil, so wurde errechnet, soll über zwanzig Meter lang sein. Als die Trümmerteile geborgen wurden, stand fest, dass sie nicht zur vermissten Malaysia-Airlines-Boeing (Flug MH 370) gehörten, sondern, dass es ganz gewöhnlicher Müll war, der im Indischen Ozean herumtreibt.

Jedes Jahr produziert die Menschheit 240 Millionen Tonnen Müll. Nach Schätzungen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen gelangen jährlich zwischen 6,4 und 26 Millionen Tonnen Müll in die Ozeane – 70 Prozent sinken schon nach kurzer Zeit auf den Meeresboden. Sogar im Molloy Tief, dem mit 5500 Metern tiefsten Punkt des Arktischen Ozeans hatten Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts bereits im Jahr 1999 Plastikmüll gesichtet. In ihrer jüngsten Studie kommt das Institut zu dem Schluss, dass „heute zweimal so viel Abfall auf dem Meeresgrund liegt wie noch vor zehn Jahren.“

Hunderttausende Tonnen Müll schwimmen in unseren Ozeanen herum, das gesamte Ausmaß ist und bleibt unvorstellbar und unerfassbar. Wir müssen davon ausgehen, dass es pro Stunde 670 Tonnen Müll sind, die weltweit direkt ins Meer geworfen werden. Ungefähr die Hälfte davon besteht aus Plastik, vorwiegend PET-Flaschen und Kanister – sie sollen 80 Prozent der gesamten Abfälle ausmachen. Mittlerweile schwimmt in den Ozeanen sechsmal mehr Plastik als Plankton. Die Wegwerfkultur hat den Erdball erobert. Und jeder Einzelne von uns, der Plastik ge- bzw. verbraucht, ist ein Verschmutzer der Meere.

Weil Plastik bis zu 500 Jahre erhalten bleiben kann, hat es große Chancen, über Flüsse und den Wind irgendwann in einem Meer zu landen. Selbst wenn die PET-Flasche ursprünglich auf einer Müllhalde in einem Binnenland weggeworfen wurde. Nur die Donau schwemmt täglich rund 4,2 Tonnen Kunststoff ins Schwarze Meer, berichten Wiener Forscher im Fachjournal „Environmental Pollution“.

In einer am 30. April präsentierten Studie des des Alfred-Wegener-Instituts* (publiziert im Online-Fachblatt PLOS ONE) gehen Wissenschaftler davon aus, dass jährlich rund 10 Millionen Tonnen Plastikabfall in die Ozeane gekippt werden. Hergestellt wird der Plastikmüll in erster Linie in den Industrieländern. Weniger schädlich ist der Müll aus den Entwicklungsländern, weil er sich aus natürlichen Materialen zusammensetzt, die sich schneller und leichter zersetzen.

Der Plastikmüll auf hoher See wird durch die Wellenbewegungen und durch UV-Strahlung nahezu unendlich oft zerteilt. Mit den Jahren zerfällt der Kunststoff in immer kleinere Teile – die Folgen für unsere Umwelt sind derzeit nicht abschätzbar. Die winzigen Plastikteilchen, kaum größer als 5 Millimeter, gelangen in unsere Nahrungskette. In einigen Nordsee-Fischen und Langusten ist bereits Mikroplastik nachgewiesen worden. Bis zu 30 Prozent Beifang, vorwiegend Plastikmüll, befindet sich mittlerweile in den Fischernetzen. An Bord gibt es nicht genug Platz, so wird der Müll zurück ins Meer geworfen.

*Alfred-Wegener-Institut: http://www.awi.de/de/

 

Die Meeresströmung treibt den Müll zu riesigen Inseln zusammen. Das größte Müllgebilde wurde vor 5 Jahren im Nordpazifik gesichtet. Es ist 16 Mal größer als Österreich und treibt zwischen den Küsten Chinas und den USA. Die UNO-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur hatte Mitte letzten Jahres einen neuen Staat proklamiert: „Garbage Patch“ – die Müllinsel umschließt insgesamt fünf Regionen. Sie erstreckt sich im Nord- und Südpazifik, im Nord- und Südatlantik und im Indischen Ozean. Überall ist Abfall zu gigantischen Müllinseln mit einer schwimmenden Plastikoberfläche zusammengewachsen. Am besten erforscht wurde die Plastikinsel im Nordpazifik ihre Größe beträgt zwischen 700.000 und 15.000.000 km 2. Europa hat eine Gesamtfläche von 10.180.000 km 2.

„Garbage Patch“ hat – laut der offiziellen Facebook-Seite 36.939 Einwohner, gemeint sind allerdings die Anzahl der Tonnen Müll, die die Masse der Insel ausmachen. Die Nationalflagge von Garbage Patch ist tiefblau, so wie unsere Ozeane nur auf den allerersten Blick aussehen.

https://www.facebook.com/pages/Clean-up-the-Great-Pacific-Garbage-Patch/224938530213

Jährlich werden rund 640.000 Tonnen an Fischernetzen in den Weltmeeren zurückgelassen, was nach Schätzung von FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations ) und UNEP (United Nations Environment Programme) einem Zehntel der Meeresabfälle entspricht. Schleppnetze wurden nicht nur in den Küstengewässern gefunden, sondern auch aus einer Tiefe von über 4500 Metern. In den riesigen Fischernetzen verfängt sich der Abfall der Meere – so entsteht eine relativ kompakte Treibgutmasse, die sich aber wegen ihrer Größe nicht so leicht herausfischen lässt.

Boyan Slat, ein 19-jähriger Niederländer, hat sich eine Methode zur Reinigung der Meere überlegt: „The Ocean Cleanup Project“ ist eine Idee, die in kürzester Zeit um die Welt ging. Dabei soll eine Armee aus schwimmenden Sieben, es sind Roboter mit riesigen Fangarmen, die Abfälle einsammeln. Zusammengetrieben wird der Müll einzig und allein durch die Strömung des Meeres. Die Positionierung der schwimmenden Roboter mit ihren Fangarmen muss demnach sehr gut durchdacht sein. Anschließend sollen große Teile des Plastikmülls recycelt werden. Geschätzte 375 Millionen Euro könnten pro Jahr durch das Recycling der herausgefischten Abfälle in die „Ocean Cleanup Foundation“ zurückfließen. Um die geschätzten 150 Millionen Tonnen Plastikmüll, die im `Plastic Ocean´ herumschwimmen, einzufangen, müssten die Filterroboter ungefähr 5 Jahre lang ihre Fangarme ausstrecken. Was viele Experten für „unmachbar“ halten, wird jetzt durch eine Machbarkeitsstudie geprüft.

How the oceans can clean themselves / Boyan Slat:

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Plastikmüll in der Donau – Science Direct:

http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0269749114000475

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Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.

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