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Report: Die Entnationalisierung des Rechtes

Die Entnationalisierung des Rechtes

Was ist Recht?

Der Vortrag begann mit einleitenden Grußworten von Scott B. Nelson, der die Anwesenden zum Vortrag willkommen hieß. Danach übernahm Herr Wendler das Wort. Seinen Vortrag begann der Jurist, der in Jena und Dublin studiert hat, mit einer allgemeinen Frage an das Publikum, nämlich: „Was ist Recht?“ Es fielen einige Definitionen wie „kodifizierte Gewohnheit des Kulturraums“, „Gesamtheit gesellschaftlicher Sitten“ und „normativer Rahmen eines Staatswesens“. Recht an und für sich hat einige Bedeutungen. So gibt es Recht als Gesetz, Recht als Gerechtigkeit, aber auch Recht als spontane Ordnung. Recht entwickelt in einem permanenten Prozess und es wächst aus den spontanen Interaktionen der Subjekte. Das Recht als spontane Ordnung bietet die Möglichkeit der flexiblen Anpassung an eine komplexe, sich immer schneller verändernde Welt.

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Der Gesellschaftsvertrag im 17. und 18. Jahrhundert

Es folgte ein Überblick über philosophische Rechtsgeschichte. Es begann im 17. Jahrhundert, in der Zeit der Common-Law-Gelehrten. Thomas Hobbes mit seinem bekannten Werk „Leviathan“ sorgte für Aufsehen. „Homo homini lupus“ – der Mensch ist des Menschen Wolf. Um das Verhalten der Menschen im Zaum zu halten, muss der Staat eingreifen. Damit begründete er den Gesellschaftsvertrag. Genau diesen Ideen von Hobbes traten die Common-Law-Gelehrten entgegen. Insbesondere Matthew Hale argumentierte dagegen. Das Common-Law-Gesetz galt über Jahrhunderte und dass das Gesetz nun plötzlich anders sein sollte, stieß bei ihm auf Unverständnis. Er hielt den Gesellschaftsvertrag für die praktische Welt für nicht funktional.

Die schottische Aufklärung des 18. Jahrhunderts ging dazu über die Ideen des Common Law auf das Recht zu erweitern. Es war die Zeit der Industrialisierung und damit einhergehend einer tiefgreifenden Umwälzung der Gesellschaft. So argumentierte zum Beispiel David Hume gegen den Gesellschaftsvertrag als unzureichende Vorstellung. Menschen ohne sozialen Kontext hat es nie gegeben, Recht entwickelt sich langsam mit der Zeit. Adam Ferguson beschrieb das Phänomen von spontaner Ordnung, allerdings ohne diese als solche zu benennen. Subjekte stolpern in der Zeit voran und die Neuerungen müssen sich der Ordnung anpassen. Es war jene Epoche, in der auch Adam Smith mit seiner unsichtbaren Hand der Arbeitsteilung berühmt wurde. Der Bäcker oder der Metzger verkaufen uns nicht Brot und Fleisch, weil sie gut zu uns sein wollen, sondern weil sie selbst davon profitieren wollen. Unsere Vernunft spielt eine Rolle bei den Regeln unserer Gesellschaft. Wenn eine Regel oder ein Rechtsprinzip gefunden wird, muss geprüft werden, ob es auch in Zukunft anwendbar ist.

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Methodenstreit: Historische vs Österreichische Schule

Als nächstes wandte sich Herr Wendler der historische Rechtsschule zu. Diese Denker wollten den historischen Werdegang des Rechts verstehen. Johann Gottfried Herder lehnte die logischen Konstrukte von Kant als in der Praxis nicht anwendbar ab. Im Allgemeinen versuchte man damals in Europa vernunftrechtorientierte Gesetzgebungen einzuführen. Karl Friedrich von Savigny stemmte sich gegen die Einführung eines solchen für den deutschen Sprachraum (vor der Einigung). Die Lebenswirklichkeit sei zu komplex, es gäbe zu lange Bindungen in unterschiedlichen Territorien und Bereichen. Auch Rudolf von Jhering, der das Recht als das Ergebnis menschlichen Handelns sah, leistete mit seinem Buch „Kampf ums Recht“ seinen Beitrag. Der Ausdruck kling martialischer, als er gemeint ist. Jhering argumentierte, dass man streiten bzw. die eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen vertreten soll. Er brachte den methodologischen Individualismus in den Bereich den Rechts. Recht ergäbe sich aus dem Handeln des Menschen, ohne Teil eines übergeordneten Plans sein zu müssen.

Ebenfalls einen entscheidenden Einfluss hatte die Österreichische Schule. Schmoller und Roscher als Angehörige der Historischen Schule, welche bevorzugt Daten und Statistiken sammelte, lehnten die Idee Carl Mengers ab, die Wirtschaftswissenschaften mit Theorien zu stützen. Es folgte der Methodenstreit, der maßgeblich zur Entwicklung der Österreichischen Schule beigetragen hat. Auch für die Rechtsordnung prägend, so unterstreicht Wendler, war der Einfluss Hayeks. Seine Schrift „The use of knowledge in society“ zeigt das Grundproblem der Wirtschaftsordnung auf, es handelt sich nämlich um ein Wissensproblem. Das Wissen ist unter allen Teilnehmern verteilt. Die Wissensverarbeitung der spontanen Ordnungskräfte, der gesellschaftlichen Institutionen, nennt er epistemischen Institutionalismus. Auch Hayek begründet seine Überlegungen auf den normativen Individualismus. Jeder Mensch lebt in Freiheit, kann frei seine Fähigkeiten einsetzen.

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Wettbewerb der Rechtsordnungen

Nach Betrachtung dieser rechtsphilosophischen Ideen ging der Vortrag zum eigentlichen Teil über. Die Grundidee, die hinter der Entnationalisierung des Rechtes steht, ist ein institutioneller Wettbewerb in der Rechtsordnung. Mehrere, autonome Entscheidungszentren treten in Wettbewerb zueinander. Dieser sogenannte Polyzentrismus, wie er von Elinor Ostrom vertreten wurde, sieht das Verhältnis Markt/Staat als weniger wichtig an als das Funktionieren von Institutionen. Damit diese gut funktionieren, brauche es gewisse Kriterien: Woher bekommen die Institutionen ihre Informationen? Bekommen sie Rückmeldungen? Wenn ja, von wo her? Gibt es bei schlechter Leistung einen Anpassungsdruck, gibt es Konsequenzen?

Einen wichtigen Beitrag dazu geleistet haben Bruno Frey und Reiner Eichenberger mit ihrem Konzept einer funktional überlappenden konkurrierenden Hoheit (Functional Overlapping Competing Jurisdiction – kurz FOCJ), einem radikal dezentralisierten Föderalismus. Dabei zielen sie auf das Funktionieren von Trägern ab. Schule und Müllabfuhr sind zum Beispiel Dienstleistungen, die der Staat übernimmt. Es entsteht hierbei ein Wettbewerb unter Anbietern öffentlicher Aufgaben. Damit entsteht bei den Institutionen gleichzeitig auch ein Anpassungsdruck. Wenn jeder frei entscheiden darf, an welche öffentliche Schule seine Kinder gehen, dann sind die Schulen darum bemüht eine möglichst gute Dienstleistung abzugeben. Auf das Recht übertragen würde es zum Beispiel bedeuten, dass ein Deutscher und ein Spanier unter beidseitigem Einverständnis einen Vertrag unter niederländischem Recht abschließen. Das wäre gelebter Föderalismus Der aktuelle Trend der EU jedoch geht eindeutig Richtung Zentralismus.

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Der Vortrag klang mit einer Diskussionsrunde aus. Dabei wurden unter anderem der Einsatz Künstlicher Intelligenz im Rechtswesen, die Umsetzbarkeit bzw. Realisierbarkeit von FOCJ und die aktuelle Anwendbarkeit von Entnationalisierung des Rechtes durch Schiedsgerichte besprochen. Die Meinungen waren vielfältig, eine Sorge teilten jedoch alle Teilnehmer: Eine noch weitere zunehmende Verkomplizierung des Rechtes. Eine Entnationalisierung des Rechtes dürfte daher ein Schritt in die richtige Richtung sein.

Sehen Sie hier den Mitschnitt des Vortrages:

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Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.

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