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13.05.2020
Schwedens unkonventioneller Weg

von John Fund & Joel Hay
Kein Lock Down, keine verwaisten Geschäfte oder Volksschulen, keine unfreiwillige Isolation. Und auch kein Disaster.
Frühling liegt in der Luft und vermittelt sich auch in der Zuversicht mit der Schweden seinen Weg beschreitet.
In Schweden kann man den Frühling genießen, frei von Panik und der Angst vor der zweiten Welle. Die Statistik zeigt, dass die Todeszahlen deutlich niedriger sind als in Frankreich, Spanien, Großbritannien, Belgien, Italien und anderen EU-Ländern.
Dr. Mike Ryan, executive director des WHO Emergencies Program, sagt: “Ich denke, dass Schweden in vielen Aspekten ein Modell für für unsere zukünftige neue Normalität darstellt – wenn wir wieder in einer Gesellschaft ohne Lock Downs leben wollen.”
Die schwedische Botschafterin in den Vereinigten Staaten, Karin Ulrika Olofsdotter, sagt, dass bereits Mitte Mai: “Herdenimmunität in der Hauptstadt Stockholm erreicht sein könnte. Das würde die Verbreitung des Virus drastisch einschränken.
Vor einem Monat berichteten wir erstmals über den schwedischen Weg, der in unseren Augen „ein besser justierter, mit Vorsichtsmaßnahmen und Isolation nur für die hochvulnerablen Gruppen ist und den völligen Lock Down umgeht.“
Es scheint eine glückliche Fügung gewesen zu sein, dass Dr. Anders Tegnell gerade dann Chefepidemologe von Schweden war, als auf COVID-19 reagiert werden musste. Entgegen der Bedenken vieler schwedischer Politiker und internationaler Beobachter, widerstand Tegnell der Versuchung, sich der international allgemein vorherrschenden Ansicht anzuschließen und überprüfte die Annahme, dass soziale Isolation die Anzahl der COVID-19 Todesopfer auf die gesamte Dauer der Panedemie verringern könnte.
Anfang April formulierte Tegnell gegenüber der NPR: „Ich bin nicht sicher, ob es wirklich einen wissenschaftlichen Konsens über irgendetwas in Zusammenhang mit diesem neuen Coronavirus gibt, grundsätzlich deshalb, weil es kaum Daten für welche Maßnahmen auch immer gibt.“
Heute, ein Monat später, wissen wir mehr.
Mythos 1: Schwedens Maßnahmen waren nicht mit Sorgfalt zu Ende gedacht oder gut überlegt.
Die Fallzahlen steigen in Schweden und anderen Ländern immer noch an, aber in Schweden sind ein Drittel der Intensivbetten frei. Tegnell sagte gegenüber dem kanadischen Globe & Mail: „ Für mich sehen die Lockerungsmaßnahmen, die diskutiert werden, sehr ähnlich aus, wie das, was Schweden bereits tut.“
Tegnell und seine Kollegen erkannten, dass die Entscheidung zum Shut Down nicht einzig eine gesundheitspolitische, dem Virus geschuldete, sein kann. Die wirtschaftlichen Kosten und die Folgen für die allgemeine Gesundheit sind enorm. Also berücksichtigten sie alle möglichen indirekten gesellschaftlichen Folgen in ihrer Analyse möglicher Maßnahmen. Zum Beispiel betrachteten sie die nicht bewiesene Annahme, dass Kinder als Überträger des Virus ein besonderes Risiko darstellen. Zur NPR sagte Tegnell: „Wir sehen uns auch andere Konsequenzen für die allgemeine Gesundheit an, wie sie zum Beispiel von Schulschließungen herrühren. Das verursacht enorme Probleme, insbesondere für die Gesundheit der Kinder. Ich denke da etwa an Kinder, die ohnehin schon benachteiligt sind. Wenn wir Schulen schließen, dann nehmen wir ihnen womöglich den einen sicheren Platz in ihrem Leben, wo sie regelmäßige Mahlzeiten und vor allem soziale Kontakte haben. Also, Schulen zu schließen ist nicht gut.“
Jan Albert, Professor an der Abteilung für Mikrobiologie, Tumorforschung und Zellbiologie am schwedischen Karolinska Institut, sagte gegenüber CNN, dass strenger Lock Down „nur dazu führt, dass die Kurve abflacht, und Abflachen der Kurve bedeutet nicht, dass die Krankheit verschwindet – die Krankheitsfälle sind nur zeitlich verschoben.” Er ergänzte: “Und solange das Gesundheitssystem nicht überlastet ist und jene, die Behandlung brauchen gut betreut warden können, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass es besser wäre, wenn die Krankheitsfälle später einträten.”
Mythos 2: Schwedens Management der COVID-19 Krankheits- und Todesfälle war deutlich schlechter als das der USA oder anderer Länder.
In Schweden sind rund 2.200 COVID-19 Fälle pro eine Million Einwohner registriert. Diese Zahl ist etwas niedriger als in den USA (3.053 pro Million), Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien und auch niedrieger als in vielen anderen EU-Ländern. Es sind etwas mehr Fälle als in Deutschland, das für seine Maßnahmen viel Zustimmung fand.
265 COVID-19 Todesfälle pro eine Million Einwohner wurden in Schweden registriert. Das ist mehr als in den USA (204 pro Million) aber weniger als in anderen EU-Ländern.
Tegnell bestätigt, dass es nicht gelang, den Ausbruch in Seniorenheimen zu verhindern. „Etwa 50% unserer Todesfälle ist jener kleinen Gruppe zuzurechnen, die in Betreuungseinrichtungen lebt,“sagte Tegnell und ergänzte „Wir wussten seit Jahren, dass es ein Problem mit Altersheimen gibt.“
Wie überall, ist die Zahl der COVID-19 Opfer in der Gruppe der Älteren und chronisch Kranken auch in Schweden sehr groß. Mehr als die Hälfte der Todesfälle stammt aus der Gruppe von Heimbewohnern. 90% von ihnen waren älter als 70 Jahre mehr als die Hälfte älter als 86 Jahre, nur 1% jünger als 50 Jahre.
Insgesamt waren mehr als die Hälfte der COVID-19 Opfer älter als 86. Die durchschnittliche Lebenserwartung in Schweden beträgt 83 Jahre, in den USA hingegen nur 79 Jahre. Es ist also nicht verwunderlich, dass in Schweden in Relation mehr ältere sterben. Von 100.000 Geburten werden in Schweden etwa 10.000 Menschen mehr älter als 85 als in Amerika. Im Vergleich zur amerikanischen COVID-19 Mortalitätsrate erklärt sich die in Schwedens etwas höhere also dadurch, dass eine größere Zahl überhaupt älter als 79 Jahre wird.
Wenn man also die Lebenserwartung berücksichtigt, dann hat Schweden sowohl in Bezug auf Krankheitsfälle als auch Todesfälle pro Million Einwohner besser abgeschnitten – und das ohne Lock Down.
Mythos 3: Die relativ geringe Zahl an Intensivbetten würde sich für Schweden in der Krise bitter rächen.
Das wichtigste Argument überall auf der Welt für Shut Downs war, zu verhindern, dass Intensivabteilungen mit dem Andrang von Patienten nicht mehr zurechtkommen. Schweden hat aber gezeigt, dass Wirtschaftsstillstand und die Isolation junger, gesunder Menschen nicht unbedingt nötig sind um Kapazitätsreserven in der Intensivmedizin offen zu halten. Trotz nur weniger Isolationsregeln, Versammlungsverboten für Gruppen über 50 Personen und vernünfiger Abstandsregeln in Restaurants – aber ohne Shut Down – kam das schwedische Gesundheitssystem, insbesondere die Intensiveinheiten, zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd einem Zusammenbruch, der mit der Überlastung in Italien, Spanien und New York vergleichbar wäre. Den Höhepunkt der Belastung erlebte Schwedens Intensivmedizin Anfang April, als täglich ca. 50 neue COVID-19 Patienten hinzukamen. Aktuell liegt die Zahl bei täglich etwa 35 neuen Intensivpatienten.
Anders als die angrenzenden nordischen Länder oder irgendwo sonst auf der Welt, muss man sich in Schweden keine Gedanken darüber machen, wann man es riskieren kann, die besonders vulnerablen Gruppen zu deisolieren und soziale Kontakte wieder zu erlauben. Denn das ist bereits auf natürlichem Wege passiert und hat zu einer beachtlichen Immunitätsrate geführt. Schweden benötigt schon jetzt den Rückspiegel um COVID-19 zu betrachten – genauso wie auf SARS, MERS und die saisonale Grippe.
Schweden muss sich keine Gedanken über den Zeitpunkt und die einzelnen Schritte der Wiederöffnung machen. Schweden erspart sich die Diskussion über Grundrechte deren unfreiwillige Beschränkungen wie Strafen für das Nicht-tragen von Masken oder Handschuhen.
Schweden zahlte seinen Preis während der Pandemie. Wie hoch auch immer dieser Preis war, die Schweden werden sagen, dass es das wert war. Und so schwer ist es nicht, den Preis zu benennen. Es gab keinen Wirtschaftsabsturz und kein Aufschieben von geplanten Operationen. Es gab mehr Tote als in anderen nordischen Ländern, aber nicht einmal annähernd so viele wie 1968 in den USA als an der Hong Kong – Grippe 650 Menschen pro einer Million Einwohner starben (eine Pandemie, der mit nur wenig Abstandsregeln oder Shut Downs begegnet wurde).
Schwedens Vorbild wird nun in vielen Ländern und in einigen Staaten der USA nachvollzogen. Aber in Kalifornien, wie auch in anderen Staaten, steigen isolation-induzierte Gesundheitskosten und es werden mit landesweiten Lock Downs weiterhin gigantische Löcher in die Budgets geschlagen, sowie 30 Millionen neue Arbeitslose in Kauf genommen.
John Fund ist Kolumnist bei der National Review und hat häufig aus Schweden berichtet.
Joel Hay ist Professor in der Abteilung für Pharmazeutische Ökonomie und Politik an der University of Southern California; er ist Autor von mehr als 600 begutachteten wissenschaftlichen Artikeln und Berichten, arbeitet seit fast 40 Jahren mit dem schwedischen Institut für Gesundheitsökonomie zusammen.
Quelle: National Review
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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