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08.04.2020
Spontane Gesellschaft: Traditionen und soziale Institutionen entstehen

von Kai Weiß
Dieser Artikel ist Teil der Serie Spontane Ordnung: Eine lange Tradition mit Lehren für heute. Lesen Sie hier den vorherigen Artikel der Serie.
Eine unsichtbare Hand lässt eine spontane Ordnung in der Wirtschaft entstehen. Diese spontane Ordnung ermöglicht eine immer weitreichendere, umfassendere und komplexere Wirtschaftsordnung. Wie Edmund Burke (1729-1797) es ausdrückte, sind Menschen dazu verpflichtet, „ob sie wollen oder nicht, ihren Eigeninteressen nachzugehen, um das Allgemeinwohl mit ihrem eigenen individuellen Erfolg zu verbinden.“ Die Verfolgung der eigenen Träume und die Interaktion mit anderen durch Kooperation und Handel werden sich positiv auf alle auswirken.
Und doch zeigt uns Burke – wie andere Denker in der Tradition – wie diese Ordnung auch in der Gesellschaft generell entsteht und zu gemeinschaftlichem Aufblühen führt. „Menschen werden in eine Gemeinschaft hineingeboren mit dem sozialen Rahmen ihrer Eltern, ausgestattet mit allen Vorteilen, beladen mit allen Pflichten ihrer Situation“, schrieb der irisch-britische Staatsmann und Denker des 18. Jahrhunderts. Dieses soziale Gefüge, in das wir hineingeboren werden, diese „sozialen Bindungen“, fährt Burke fort, „beginnen und setzen sich meist unabhängig von unserem Willen fort.“
Wie Sprache, Geld, das Preissystem und Marktinstitutionen im Allgemeinen, entstehen soziale Institutionen, Traditionen, Sitten und Regeln durch die Interaktion und Zusammenarbeit von Individuen. Diese Institutionen machen unsere Gesellschaft aus und ermöglichen es uns, zu Bürgern einer Gemeinschaft oder eines Landes zu werden. Wie es der Baron de Montesquieu (1689-1755), der die Rolle der Ehre in diesem Zusammenhang betonte, ausdrückte, „bewegt dies alle Teile der politischen Gemeinschaft; ihre Handlung bindet sie, und jeder Mensch arbeitet für das Gemeinwohl, glaubend, für seine individuellen Interessen zu arbeiten.“
Die Methode, mit der diese Institutionen entstehen, ist die Geschichte, in der verschiedene Ansätze des Zusammenlebens in einem Prozess von trial und error getestet werden. Die Welt, in der Cicero (106-43 v. Chr.) lebte, war laut seinen Angaben „nicht vom Talent eines Mannes geprägt, sondern von dem vieler; und nicht zu Lebzeiten eines Menschen, sondern über viele Generationen hinweg. “ In der Tat wird die Geschichte zu einem „Aufbewahrungsort für Wissen“, wie Yuval Levin es formulierte, in dem wir die Erfahrungen und Weisheiten unserer Vorfahren sammeln – und durch die Traditionen und Regeln, die aus diesem Prozess erfolgreich hervorgegangen sind, können wir in einer funktionierenden Gesellschaft leben. Dies erklärt und vermittelt „Burkes gefeierte Verteidigung von Sitte, Tradition und ‚Vorurteilen‘ gegen den ‚Rationalismus‘ der französischen Revolutionäre“, argumentierte Roger Scruton (1944-2020).
In der Tat hat Scruton die Entstehung unserer Geschichte in der Gesellschaft besonders eloquent formuliert: „Das Wissen, das wir unter den unvorhersehbaren Umständen des menschlichen Lebens benötigen, ist weder aus der Erfahrung einer einzelnen Person abgeleitet noch in dieser enthalten, noch kann es a priori aus universellen Gesetzen abgeleitet werden. Dieses Wissen wird uns von Bräuchen, Institutionen und Denkgewohnheiten hinterlassen, die sich über Generationen hinweg durch die Prüfungen und Irrtümer von Menschen geprägt haben, von denen viele im Zuge ihres Erwerbs umgekommen sind.“
Mit dieser Wertschätzung gegenüber unserer Vergangenheit und der Generationen vor uns und der Erkenntnis, dass wir uns nur verbessern können, wenn wir auf diese aufbauen, will die Tradition der spontanen Ordnung – die selbst ein solcher Wissensspeicher ist – die Zivilisation verteidigen; zeigt jedoch auch, dass Zivilisation nur durch Freiheit und freiwillige Zusammenarbeit verteidigt werden kann.
„Es wäre ein Fehler zu glauben, dass wir, um einen höheren Grad der Zivilisation zu erreichen, nur die Ideen umsetzen müssen, die uns jetzt leiten“, warnte Friedrich August von Hayek (1899-1992). „Wenn wir vorankommen wollen, müssen wir Raum für eine kontinuierliche Überarbeitung unserer gegenwärtigen Vorstellungen und Ideale lassen, die durch weitere Erfahrungen erforderlich werden. Wir können uns so wenig vorstellen, wie die Zivilisation in fünfhundert oder sogar fünfzig Jahren sein wird oder sein kann, wie unsere mittelalterlichen Vorfahren oder sogar unsere Großeltern unsere heutige Lebensweise vorhersehen konnten.“
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Kai Weiß ist ein Vorstandsmitglied des Friedrich A. v. Hayek Institut und der Research and Outreach Coordinator des Austrian Economics Center.
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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