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30 Jahre nach Brügge: Margaret Thatchers Vision für Europa

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Diese Woche feiern wir das dreißigjährige Jubiläum von Margaret Thatchers berühmten „Brügge-Rede“, in welcher sie ihre Vision für die Zukunft von Europa vorstellt. In der neuen Studie 30 years after Bruges: Margaret Thatcher’s Vision for Europe Revisited des Austrian Economics Centers wird von unserem Vorstandsmitglied Kai Weiß ein detaillierter Blick darauf geworfen, was wir noch heute von der ehemaligen britischen Premierministerin lernen können. Laden Sie die Studie hier herunter und lesen Sie anbei eine Zusammenfassung:

Europa steckt heute inmitten einer Debatte über die Zukunft der Europäischen Union. Es ist nicht die erste: Bevor 1992 der Vertrag von Maastricht beschlossen wurde, bestimmte die Diskussion um die Ausrichtung der EU – oder der Europäischen Gemeinschaft, wie sie damals genannt wurde – die Schlagzeilen. Sollte der Weg in Richtung einer „immer enger“ zusammenwachsenden Union eingeschlagen werden, oder doch eher der in Richtung zurück zu den grundsätzlichen Prinzipien? Fragen wie diese spalteten Europa.

Die britische Premierministerin Margaret Thatcher fand sich genau mit diesen Problemen konfrontiert, als sie am 20. September 1988 vor das College of Europe im belgischen Brügge trat. „Ich entschied, dass es an der Zeit war, gegen den Abbau von Demokratie durch die fortschreitende Zentralisierung und Bürokratisierung aufzutreten und ein Zeichen für eine alternative Zukunft für Europa zu setzen“, wird sie später in ihre Memoiren schreiben.

Das Ergebnis war die noch heute herausragende „Rede von Brügge“, die weit davon entfernt war, anti-EU zu sein, jedoch ein deutliches Signal der Warnung an Brüssel aussandte. Die EU müsse vor allzu starken, föderalistischen Kräften, die eine fortschreitende europäische Integration fordern, geschützt werden. Diese Woche jährt sich die Präsentation dieser Rede zum dreißigsten Mal. Wie sich herausstellt, hat sie den „Test der Zeit“ sehr gut bestanden. Viele Probleme, vor denen sie warnte, sind heute noch drückender als je zuvor.

Das europäische Erbe

In Thatchers Vision ist das europäische Erbe von essenzieller Bedeutung. Sie versucht uns zu lehren, dass Europa stolz auf seine Geschichte sein kann. Während Kriege in der Vergangenheit eine zu große Rolle spielten, ist Europa dennoch der Kontinent, indem sich das Ideal der Freiheit zuerst durchsetzen konnte. Es ist der Kontinent, der viele der größten Innovationen, Kunstwerke, literarischen Werke und Intellektuellen hervorbrachte, die die Welt je gesehen hat.

Großbritannien hat dabei eine Schlüsselrolle in der europäischen Geschichte gespielt, wie Thatcher verdeutlicht: „Unser Band zum Rest Europas, dem Kontinent, war schon immer der dominante Faktor in unserer Geschichte.“ Großbritannien hat maßgeblich zur europäischen Geschichte und ihren Werte beigetragen, über die Magna Carta, die Glorreiche Revolution und vielen anderen Schritten auf dem Weg zur Freiheit. Aber auch Großbritannien hat von seiner Verflechtung mit dem Festland Europas profitiert, und so zum Beispiel das „Konzept der Rechtsstaatlichkeit, das uns von einer barbarischen zu einer zivilisierten Gesellschaft gemacht hat, übernommen“.

Diese besondere Beziehung, so Thatcher, muss erhalten bleiben. Heute ist es wahrer, als jemals zuvor: Am Vorabend des Brexit ist es von unvorstellbarer Bedeutung, dass das gegenseitige Verständnis zwischen beiden Seiten intakt bleibt, unabhängig davon, ob Großbritannien innerhalb- oder außerhalb der EU ist.

Neben der Jahrtausende langen europäischen Erfolgsgeschichte, müssen wir bedenken, dass es sich um die Geschichte Europas und nicht um die Geschichte der EU (die gerade einmal sechzig Jahre alt ist) handelt: „Europa ist nicht das Ergebnis der Römischen Verträge. Noch ist die Europäische Idee das Eigentum einer Gruppe oder Institution.“ Nicht jeder, der die EU kritisiert, ist automatisch anti-europäisch – ein wichtiger Punkt in der heutigen Welt, in der die Begriffe Europa und EU die meiste Zeit über synonym verwendet werden.

Vielmehr ist die Europäische Union ein Mittel zum Zweck, um die europäischen Werte, die im zwanzigsten Jahrhundert so hart verteidigt wurden, zu fördern: Die EU „ist nicht selbst das Ziel“, sondern eher „ein praktisches Mittel, um zukünftigen Wohlstand und die Sicherheit der europäischen Bürger zu garantieren.“

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Ein Europa des freien Unternehmertums und des Freihandels

Was ist der Weg zu zukünftigem Wohlstand? Für Thatcher liegt er darin, „Handel zu deregulieren und Handelsbeschränkungen abzubauen.“ Das heißt „für freie Märkte einzustehen, Auswahlmöglichkeiten auszuweiten, und staatliche Einflüsse einzuschränken.“ Anstatt Zentralisierung und Regulierungen weiter auszuweiten, sollte sich Europa darauf konzentrieren, weiterhin den freien Unternehmergeist zu fördern. Geschichte – und die Sowjetunion – sollten Beweis genug sein, dass zentralistische Führung nicht funktioniert.

Die EU sollte nicht nur nach innen den Freihandel fördern. Stattdessen sollte sie global denken: „Europa ist nie gediehen, noch wird es je gedeihen, wenn es sich wie ein engstirniger, nach innen gerichteter Club verhält“, warnte sie. Freihandel mit der Außenwelt, etwas, das die EU noch heute sehr vermissen lässt (während sie alle Mitgliedsstaaten verpflichtet mit ihrer Handelspolitik übereinzustimmen), ist eine der Kernkompetenzen von Brüssel: „Wir müssen sicherstellen, dass unser Ansatz im Welthandel auch mit der Liberalisierung übereinstimmt, die wir Zuhause immer fordern.“

Dafür ist eine starke Beziehung zu Amerika unabdingbar. Für Margaret Thatcher waren die USA bis zu einem gewissen Grad ein Teil Europas, „insofern sie ein gemeinsames Erbe zivilisatorischer Werte und die Liebe zur Freiheit teilen.“ Die Beziehung ist daher ganz natürlich, immerhin teilt man dieselben Werte. Im Angesicht der heutigen Handelskriege und der beiderseitigen Aggressionen, wäre es äußerst bedauerlich, wenn diese Beziehung in nur wenigen Monaten verspielt werden würde.

Gegen die Eurotopie

Wenn es irgendein Argument gibt, das die Premierministerin immer wieder zur Sprache brachte, so ist es ihre starke Abneigung gegen ein zentralistisches, föderales Europa, das von Brüsseler Bürokraten regiert wird. Die Idee der Vereinigten Staaten von Europa ist eine Utopie, die „niemals Wirklichkeit werden wird, weil wir wissen, dass wir es nicht mögen würden, wenn sie wirklich werden würde.“ Statt dass Politiker versuchen, eine gemeinsame europäische Identität zu kreieren, sollte das Mantra Einheit in Vielfalt lauten: „Europa wird dann stärker sein, weil es Frankreich als Frankreich, Spanien als Spanien und Großbritannien als Großbritannien, ein jedes mit seinen eigenen Bräuchen, Traditionen und Identität, hat. Es wäre ein Fehler, zu versuchen, diese in eine Art gesamteuropäische Identität stecken zu wollen.“

Nach Margaret Thatchers Meinung soll die EU eine supranationale Organisation bleiben, die auf freiwilliger Kooperation zwischen souveränen Staaten, statt auf einem föderalen Staat,beruht. Sie fühlte sich vielleicht allein mit dieser Meinung, als sie sie vor dreißig Jahren kundtat. Aber heute, mit einer weiteren Diskussion über die Zukunft Europas laufend – und noch etwas näher an einer „immer engeren Union“ – sollten wir uns vor Augen führen, was Lady Thatcher einst sagte. Wir sollten „Flagge zeigen für nationale Souveränität, Freihandel und freies Unternehmertum – und dafür kämpfen.“ Wie die Premierministerin schon in ihren Memoiren schrieb, „wenn es eine Idee gibt, deren Zeit gekommen und wieder vorüber gegangen ist, dann die des künstlichen Mega-Staates.“

Kai Weiß ist Vorstandsmitglied beim Hayek Institut und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Austrian Economics Center.

Lesen Sie die komplette Studie zu Margaret Thatchers Brügge-Rede hier. Die Zusammenfassung gibt es hier auf Englisch.

 

Bildquelle: Marion S.Trikosko (1977), Library of Congress

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Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.

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