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29.09.2022
Truss radikaler als Thatcher?

Harrison Griffiths argumentiert, dass mit Liz Truss nun eine Frau an der Spitze der britischen Regierung steht, von der Reformen zu erwarten sind.
Dieser Artikel ist Teil einer Reihe von unterschiedlichen Ansichten über die Bedeutung der Regierung Liz Truss im Vereinigten Königreich. Da die Geschehnisse in der anglo-amerikanischen Welt so oft ihren Weg auf den Kontinent finden, glauben wir, dass er auch für unsere Leser hier interessant ist.
Obwohl Liz Truss zum Zeitpunkt des Rücktritts von Boris Johnson die am längsten amtierende Ministerin war, war ihr Profil in der Öffentlichkeit bei ihrem Amtszeit als Premierministerin deutlich weniger bekannt als das ihres Vorgängers bei seinem Amtsantritt. Für viele im Vereinigten Königreich und in der ganzen Welt ihre Ideologie und ihre politischen Prioritäten ein Rätsel. In Kreisen der britischen Unterstützer freier Marktwirtschaft, ist sie jedoch gut bekannt und man freute sich lange über die Aussicht, dass Truss das Spitzenamt übernehmen würde. Sie ist im Kern eine liberale Marktwirtschaftlerin, die glaubt, dass die Ausweitung der wirtschaftlichen Freiheit ein zentrales Element einer gerechten und wohlhabenden Gesellschaft ist.
Im Notfall-„Mini-Budget“ das die Regierung am Freitag vorstellte, untermauerte Truss ihre Glaubwürdigkeit betreffend ihren Einsatz für die freie Marktwirtschaft, indem sie die von Boris Johnson geplanten Steuererhöhungen rückgängig machte, die Einkommenssteuer von 45 % abschaffte und die Gebühren auf Hausverkäufe senkte. Noch wichtiger ist, dass Truss nicht zögerte, ein moralisches Plädoyer pro Märkte zu halten, in ihrer Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen diese Woche erklärte sie: „Wir wollen, dass die Menschen mehr von dem Geld, das sie verdienen, behalten, weil wir glauben, dass Freiheit wichtiger ist als Anleitungen“.
In einem Interview vor ihrer UN-Rede machte Truss deutlich, dass sie bereit ist, kurzfristig unpopulär zu sein, um ihre Wachstumsagenda umzusetzen. Dies ist nicht nur ein weiterer Beweis für die Tiefe ihrer Überzeugungen in Bezug auf freie Märkte, sondern zeigt auch, dass ihre Regierung bereit ist, von der Konsenspolitik, die Großbritannien seit 1997 beherrscht, abzuweichen.
Seit Tony Blairs Strategie des dritten Weges sich in Wahlkämpfen als sehr förderlich erwiesen hat, neigen britische Politiker dazu, ihre Entscheidungen auf die Vermeidung negativer Schlagzeilen auszurichten, anstatt sich an langfristigen Zielen oder ideologischen Prinzipien zu orientieren. Dies hat dazu beigetragen, politisch Wohlstand mit Besessenheit verteilen zu wollen – auf Kosten von Maßnahmen, die zur Schaffung von Wohlstand beigetragen hätten. Indem sie ihre Agenda klar auf die Seite des freien Marktes stellt, wird Truss eher als ihre Vorgänger der Versuchung widerstehen, sich negativen Schlagzeilen und unbequemen Umfragen zu beugen.
Liz Truss ist nicht zu beneiden: Ihre Partei ist durch die Missetaten ihres Vorgängers angeschlagen, sie hat das schlechteste Wirtschaftsklima seit mindestens 14 Jahren geerbt, und sie hat nur zwei Jahre Zeit, um die Situation vor den nächsten Parlamentswahlen zu ändern. Wenn uns die letzten zehn Jahre etwas gelehrt haben, dann, dass Vorhersagen ein zweifelhaftes Unterfangen sind. Wir wissen nicht wirklich, ob Truss standhaft die Fahne der freien Märkte hochhalten wird oder ob ihre neuen Energiepreiskontrollen ein Warnzeichen für die Zukunft sind. Selbst wenn sie eine radikale marktwirtschaftliche Agenda umsetzt, gibt es keine Garantie dafür, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen rechtzeitig vor den nächsten Wahlen spürbar sein werden oder dass die entscheidenden Pro-Brexit-Wähler der so genannten „Red Wall“ (von der Labour Party dominierte Gebiete in Nord- und Mittelengland) positiv auf die Politik der freien Marktwirtschaft reagieren werden.
Was wir sicher wissen, ist, dass Truss mit einem starken System starker Überzeugungen in die Nummer 10 eingezogen ist, einem System, das die freien Marktteilnehmer mit vorsichtigem Optimismus betrachten können. Aus diesem Grund hat Truss die Chance, den britischen Blair-Konsens zu sprengen und wirklich radikale Reformen durchzuführen. Der bisher letzte Premier, der es mit der stagnierenden Konsenspolitik in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit aufgenommen hat, war Margaret Thatcher. Wie Truss kam sie mit einem unauffälligen Profil und einer starken Überzeugung ins Amt: Ich bin optimistisch, dass Großbritanniens dritte Premierministerin es der ersten gleichtun kann.
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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Liz Truss