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Vertrauen Sie der Wissenschaft?

Rauchverbot

von Nikolaus Muchitsch, MSc

Als Staatsbürger genießt das Individuum den Schutz der Gemeinschaft, repräsentiert durch den Staat und seine Organe. Viele Gesetze und Regulierungen befassen sich in diesem Sinn mit dem Schutz der Gesellschaft vor den persönlichen Entscheidungen ihrer Mitglieder. Der Gesetzgeber befindet sich hier in einem ständigen Konflikt zwischen dem Schutz der Rechte des Individuums und dem Schutz der Allgemeinheit. Abzuwägen sind die Gewichtung der Interessen und die Vereinbarkeit mit Grundrechten ebenso, wie gewünschte gesellschaftliche Effekte und volkswirtschaftliche Folgen.  Der Gesetzgeber befindet sich in der einzigartigen Situation, dass er die Lebensrealität seiner Bürger wie keine andere Institution beeinflussen kann (Schuck, 1993). Aus diesem Grund ist, um Willkür zu vermeiden, es umso wichtiger sich auf den von Berman & Kim (2015) formulierten Grundsatz zu besinnen, nach dem Gesetze auf soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbauen sollten.

Ein anschauliches Beispiel für den Konflikt des Gesetzgebers bietet die weltweite Entwicklung im Bereich der Herstellung, Handel und Konsum von Tabakprodukten. Die Risiken und Nebenwirkungen des Tabakkonsums sind seit Jahrzehnten bekannt und wissenschaftlich einwandfrei belegt. Ebenso bekannt sind die negativen gesundheitlichen Folgen von Passivrauchen auf Nichtraucher, die unfreiwillig verrauchte Luft einatmen müssen. Aufgrund dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse haben Staaten auf der ganzen Welt bereits vor Jahrzehnten angefangen, verschiedenste Gesetze zu erlassen, die das Rauchen einschränken: Sei es ein (teilweises) Rauchverbot am Arbeitsplatz, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Bars und Restaurants, oder, wie vor kurzem in Österreich, in Privat-KFZ, wenn Minderjährige mit an Bord sind. Diese Einschränkungen sind auch sinnvoll, denn der Staat hat eine gewisse Fürsorgepflicht gegenüber seinen Bürgern. Sie sind vor allem auch deswegen sinnvoll, weil sie sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen, und dadurch gegenüber der „regulierten“ Bevölkerung legitimiert werden (Berman & Kim, 2015).

Befassen wir uns nun also mit einer Facette der Tabakregulierung, die 2012 in Australien ihren Anfang genommen hat, und seither in 7 weiteren Ländern weltweit eingeführt, und in vielen anderen diskutiert wurde: Der Einheitsverpackung. Nachdem die Tabakindustrie ihre Produktpackungen bereits schon seit einiger Zeit und in einigen Ländern, unter anderem auch den EU-28, mit bildlichen Darstellungen der potentiellen Folgen des Zigarettenkonsums „schmücken“ musste, ist sie nun also dazu verpflichtet, ihre Packungen in der hässlichsten Farbe der Welt zu gestalten. Die Schockbilder bleiben natürlich auch.

Die Argumentation der Regierungen Australiens, Frankreichs, Großbritanniens, und der anderen Länder mit Einheitspackung ist dabei immer gleich, folgt der Linie der WHO, und argumentiert, dass die Einheitsverpackung:

  1. Die Attraktivität von Tabakprodukten einschränkt
  2. Die Verwendung der Packungen zu Werbezwecken verunmöglicht
  3. Irreführende Versprechen auf der Packung erschwert, und
  4. Die Effektivität der Gesundheitswarnungen erhöht

Auf Basis einer Studie, die die Wirkung von Einheitsverpackungen auf das Rauchverhalten der australischen Bevölkerung untersuchen sollte, argumentiert die WHO des Weiteren, dass Einheitsverpackungen zu einer niedrigeren Rate an Rauchern in der Bevölkerung führen.

Also weniger Raucher aufgrund unattraktiver Packungen?

Die WHO (und auch die australische Regierung) haben sich hier allerdings eine Studie ausgesucht, die ihre politische Agenda unterstützt. Der überwiegende Teil der Studien, die den Einfluss von Einheitsverpackungen untersuchen, ist nämlich entweder von schlechter Qualität, oder sieht gar keinen Einfluss auf das Verhalten von Tabakkonsumenten, widerspricht also der Darstellung der WHO (Lilic, Stretton, & Prakash, 2018).  Im Falle des Forschungsüberblicks von Lilic et. Al. waren aus 1923 untersuchten Studien nur 9 qualitativ annehmbar, von diesen 9 wiederum nur eine einzige von hoher Qualität. Die Autoren kommen daher zum Schluss: „die Beweislage [für die Effektivität von Einheitsverpackungen] ist nicht stark.“

In dieselbe Kerbe schlugen bereits Hughes et. Al. (2016), die für ihren Forschungsüberblick 2903 Studien zum Thema Einheitsverpackungen in Niedrig- und Mittellohnländern überprüften. Von diesen 2903 Studien hielten nur 4 einer Qualitätsüberprüfung stand, was zur Einschätzung führte, dass Einheitsverpackungen nur möglicherweise eine effektive Methode zur Prävention wären.

In Australien, dem Vorreiter der Einheitsverpackung, gibt es seit ihrer Einführung 2012 jedenfalls erstaunlich wenige Studien zur Frage, ob sich der Prozentsatz an Rauchern in der Bevölkerung durch die Einführung der schlammgrünen Packung verändert hat. Die wenigen Erhebungen, die es gibt, zeichnen ein trübes Bild für die Initiative. In den Jahren 2013 bis 2016 ist die Zahl der Raucher in Australien entgegen aller Bemühungen sogar leicht gestiegen (Young, 2018). Diese Entwicklung wurde bereits 2014 von Davidson & da Silva vorausgesagt, die in ihrer Analyse zeigten, dass bei einem Fehlen von Definitionsmerkmalen, wie in diesem Fall der von jeder Marke individuell gestalteten Verpackung, Konsumenten automatisch zur günstigsten Marke greifen. Ein geringerer Preis führt des Weiteren zu niedrigeren Ausgaben, und ultimativ zu einer höheren Konsumation, also genau dem Gegenteil dessen, was die Erfinder der Einheitsverpackung erreichen wollten (Davidson & de Silva, 2014). Diese Folgen konnten die beiden Wissenschaftler im Rahmen ihrer Studie auch bestätigen.

Die beschriebenen Beispiele zeigen damit: Wissenschaftlich gesehen steht das Argument, eine Einheitsverpackung hätte einen positiven Effekt auf die Rate an Rauchern in der Bevölkerung, auf sehr wackeligen Beinen. Studien und insbesondere harte Zahlen aus Australien weisen auf das komplette Gegenteil hin. Wie am Anfang des Artikels beschrieben, ist es unerlässlich, dass sich staatliche Reglementierungen auch auf wissenschaftliche Fakten stützen, um für Legitimität in der Bevölkerung zu sorgen, und Willkür und Bevormundung zu vermeiden. Diese wissenschaftliche Stütze fehlt in diesem Fall aber. Im Sinne der Freiheit des Einzelnen und dem Schutz vor unangemessenen staatlichen Eingriffen ohne stichhaltige Grundlage, ist eine weitere Einführung von Einheitsverpackungen daher abzulehnen. Sollte sich die Beweislage für die Maßnahme in den nächsten Jahren ändern, ist eine Diskussion darüber ja auch weiterhin möglich.

Literaturverzeichnis

Berman, M. L., & Kim, A. E. (2015). Bridging the gap between science and law: The example of tobacco regulatory science. The Journal of Law, Medicine & Ethics, 95-98.

Davidson, S., & de Silva, A. (2014). The plain truth about plain packaging: An econometric analysis of the Australian 2011 Tobacco Plain Packaging Act. Agenda: A Journal of Policy Analysis and Reform, 27 – 43.

Hughes, N., Arora, M., & Grills, N. (2016). Hughes, Nicole, Monika Arora, and Nathan Grills. „Perceptions and impact of plain packaging of tobacco products in low and middle income countries, middle to upper income countries and low-income settings in high-income countries: a systematic review of t. BMJ Open, 1-10.

Lilic, N., Stretton, M., & Prakash, M. (2018). How effective is the plain packaging of tobacco policy on rates of intention to quit smoking and changing attitudes to smoking? ANZ Journal of Surgery, 825-830.

Schuck, P. H. (1993). Multi-culturalism redux: Science, law, and politics. Yale L. & Pol’y Rev.

Young, M. (31. May 2018). News.com.au. Abgerufen am 01. February 2019 von Smoking decline rates in Australia stall as experts argue over e-cigarettes: https://www.news.com.au/lifestyle/health/health-problems/smoking-decline-rates-in-australia-stall-as-experts-argue-over-ecigarettes/news-story/44aadfd89d8b7380860e0ea9451f5207

 

Nikolaus Muchitsch  besitzt einen BA in Business Administration von der University of York und einen MSc von der Erasmus University Rotterdam und absolviert derzeit das Trainee-Programm der Industriellenvereinigung und des Hayek-Instituts.

Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.

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