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03.03.2023
Viel mehr als nur Ökonomie

Einleitung
Begrüßungsworte von Barbara Kolm leiteten den Vortrag ein. Sie stellte Alexander Linsbichler vor, der sein neuestes Buch „Viel mehr als nur Ökonomie. Köpfe und Ideen der Österreichischen Schule der Nationalökonomie“ präsentierte. Alexander Linsbichler ist Lektor an der Universität Wien und Senior Postdoc an der Johannes Kepler Universität Linz, wo er ein Forschungsprojekt zum Thema Logischer Empirismus und die Österreichische Schule leitet.
Linsbichler erklärte, sein Buch sei generell ein einsteigerfreundliches Buch und solle breite Schichten ansprechen, also nicht nur Ökonomen, sondern beispielsweise auch Historiker und Philosophen. Somit soll das Buch einen Überblick für alle schaffen, leicht verständlich die wichtigsten Meilensteine der Österreichischen Schule zwischen 1871 und 1934 darstellen, aber dennoch für echte Kenner erfrischende Ideen, neue Fakten, andere Perspektiven präsentieren.
Die 4 Generationen Österreichischer Schule
Begründer und damit Teil der ersten Generation war Carl Menger, Professor an der Universität Wien. Als Gründungsdokument der Österreichischen Schule gilt sein Buch „Grundsätze der Volkswirthschaftslehre“, welches 1871 erschien. Seine Ideen fußen auf den Prinzipien der subjektiven Theorie der Bewertungen, wonach Werte subjektiv zu bewerten sind und des methodologischen Individualismus, bei dem das Individuum im Mittelpunkt der Untersuchungen steht. Unintendierte Resultate sind hierbei das Ergebnis intendierter Handlungen Einzelner.
Auf Carl Menger folgte die zweite Generation. Die wichtigsten Vertreter hierbei waren Friedrich von Wieser und Eugen von Böhm-Bawerk. Beide bekleideten Ministerämter und waren Professoren an der Universität Wien. Sie trugen durch die Übersetzung ihrer Werke ins Englische zur Internationalisierung der Österreichischen Schule bei. Zwischen den beiden Vertretern der zweiten Generation gab es große Unterschiede: während Böhm-Bawerk als biederer, technischer Ökonom galt, war Wieser eher der schönen Sprache und den großen Ideen zugewandt.
Der bekannteste Vertreter der dritten Generation ist Ludwig von Mises. Aufgrund des politischen Klimas im Wien der 1920/1930er Jahre ging es mit der Österreichischen Schule bergab. Mises hatte eine Dozentenposition; eine Professorenstelle in Wien blieb ihm – trotz internationalem Ansehen – verwehrt. Doch seine Seminare in der Handelskammer erfreuten sich großer Beliebtheit, welche einen erheblichen Einfluss auf die vierte Generation hatten. In diesen Seminaren ging es oft um Systemvergleiche (Sozialismus, Liberalismus, Interventionismus). Er beschäftigte sich viel mit Philosophie und Methodologie.
Methodologisch gänzlich anders sah es bei einem weiteren, etwas umstritteneren Vertreter der dritten Generation aus: Joseph Schumpeter. Schumpeter hatte viel Kontakt zu den Vertretern der Österreichischen Schule, stammt selbst auch aus diesem Umfeld; seine Zuordnung zur Österreichischen Schule ist jedoch wegen seiner Methodologie umstritten.
Die vierte Generation brachte mit Friedrich August von Hayek einen Nobelpreisträger hervor. Hayek selbst war bekannt für seine weitreichenden Interessen, dementsprechend breit gefächert waren seine Forschungsfelder: Konjunkturtheorie, Rechtstheorie, Psychologie, etc. Ein weiterer Ökonom der vierten Generation, nämlich Oskar Morgenstern, wird eher kritisch betrachtet. Zusammen mit John von Neumann entwickelte er die Spieltheorie. Da diese sehr mathematisch ist, wirft das die Frage auf, ob er auch methodologisch zu den Österreichern gehört. Sehr einflussreich waren auch Fritz Machlup sowie Gottfried Haberler. Als Professoren und Mitglieder in diversen ökonomischen Vereinen hatten sie vor allem in den USA großen Einfluss. Sie bewiesen, dass konstruktive Zusammenarbeit zwischen den Denkschulen möglich ist. Obwohl international hoch angesehen, hätten sie an der Universität Wien keine Chance gehabt.
Das Problem mit der Indexierung von Zahlen
Als besonderes Beispiel nannte Linsbichler die Problematik bei der Indexierung von Zahlen, wie sie Haberler 1927 beschrieb: Ein Fleischhauer verkauft Würste, die aus Pferdefleisch und Hühnerfleisch bestehen. Auf die Frage, in welchem Verhältnis die beiden Tiere in der Wurst vorkommen, antwortet er 1:1. Aber erst bei erneutem Nachfragen erklärt er, dass er damit 1 Pferd und 1 Huhn meint. Das zeigt das Dilemma bei Zahlen, die vor allem auch in der Corona-Pandemie problematisch waren: Wie kommen Zahlen zustande? Ähnlich ergeht es hierbei dem Staatsangestellten, der das Preisniveau errechnen soll. Es gibt verschiedene Definitionen von Preisniveaus. Die Bürokraten müssen das Preisniveau definieren und fällen damit eine politische Entscheidung, wo auch ihre Werte einfließen.
Die drei wesentlichen Punkte der Austrian School
Es gibt laut Linsbichler drei wesentliche Punkte, die die Österreichische Schule kennzeichnen:
1. Viel mehr als nur Ökonomie: In den Anfängen der Volkswirtschaftslehre hieß das Fach im englischsprachigen Raum „Political economy“. Im Laufe der Jahre spezialisierte man sich auf den ökonomischen Teil, was zu der Bezeichnung „economics“ führte. Im Gegensatz dazu hat die Austrian School eine breitere Auffassung von Nationalökonomie. Ihre Vertreter betonten immer wieder die Wichtigkeit von interdisziplinären Zugängen und publizierten zu Psychologie, Philosophie der Mathematik, schrieben Lieder, etc.
2. Wiener Diskussionskultur: Zur damaligen Zeit gab es in Wien rund 300 Diskussionszirkel, davon beschäftigen sich ca. 15 bis 20 mit Ökonomie. Die Diskussionskultur wird häufig idealisiert, dennoch gab es z. B. die Regel den Sprecher ausreden zu lassen. Als Moderatoren bzw. Seminarleiter waren die Vertreter der Österreichischen Schule sehr zurückhaltend und ließen verschiedene Positionen zu Wort kommen. Auch waren die Diskussionen von Bescheidenheit geprägt, nach dem Motto: dine Diskussion zahlt nur sich aus, wenn ich was lernen kann, wenn möglicherweise der andere Recht haben könnte.
3. Fokus auf Wissen: Die Österreichische Schule fokussiert auf Wissen, Wissensgenerierung, Umgang mit Wissen und Institutionen, die Wissen generieren. Es gilt laut Hayek zu beachten, dass Wissen oft fehlerhaft oder unvollständig ist. Dabei wird zwischen Information – direkte Beobachtung oder Daten – und Wissen – subjektiv interpretierte Information – unterschieden. Es geht darum, das Verstehen zu verstehen. Mit dem Fokus auf Wissen leistete die Österreichische Schule durch einen interdisziplinären Zugang ihren Beitrag zur Wiener Spätaufklärung.
In der anschließenden Diskussion wurden Fragen zur Thematik beantwortet. Dabei ging es unter anderem darum, ob empirisches Forschen am Institut für Konjunkturforschung im Sinne der Österreichischen Schule ist, ob Morgenstern zu wenig kritisch gegenüber der Mathematik war und was die Unterschiede zwischen der Österreichischen Schule und dem Wiener Kreis sind. Ein geselliges Beisammensein rundete den Abend ab.
Sehen Sie hier den Mitschnitt des Vortrages:
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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