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13.09.2018
Was ist Freiheit?

von Michael Messal
„Freedom is just another word for nothing left to lose.”
Dieses Zitat aus dem Lied Me and Bobby McGee von Kris Kristofferson ist nur einer von vielen Ansätzen um den nur schwer zu begreifenden Begriff der „Freiheit“ aufzufassen. Aber ist Freiheit wirklich nur das? Ist Freiheit wirklich nur ein anderes Wort dafür, nichts mehr zu verlieren zu haben? Ist diese Ansicht nicht einfach nur engstirnig und unzutreffend? Freiheit ist doch viel mehr, oder? Zugegeben, das oben angesprochene Lied, das in der von Janis Joplin gesungenen Version zum Nummer-Eins Hit wurde, hat nicht zum Zweck den Begriff der „Freiheit“ zu definieren oder zu erklären. Vielmehr geht es darum, das Glück des Augenblicks zu genießen, während man als Anhalter nicht etwa durch die Galaxis, sondern durch die USA, das angebliche Land der Freiheit, reist.
Es gibt verschiedene Ansätze, ein modernes Freiheitsverständnis wiederzugeben. Die Wissenschaft, allen voran die Philosophie, beschäftigt sich gleichfalls seit langer Zeit mit diesem Thema und ist bis heute zu keinem abschließenden Ergebnis gekommen. Dies zeigt die Komplexität dieser Thematik, weshalb es zunächst vermessen erscheinen mag, sich diesem weiten Feld hier in Form dieses kurzen Beitrags zu widmen. Trotzdem soll dies hier geschehen und dabei aufgezeigt werden, warum es, zumindest ohne Anspruch auf Vollständigkeit, möglich ist.
Nach Isaiah Berlin gibt es eine positive und eine negative Form von Freiheit. Die positive Freiheit ist dabei als die Art Freiheit zu verstehen, die ein Individuum dazu befähigt, sich frei für etwas zu entscheiden. Im Gegensatz dazu steht die negative Freiheit, also jene Art der Freiheit, die einen Zustand der nicht-Beeinflussung bezeichnet. Die negative Freiheit ist dabei Voraussetzung für die positive Freiheit, da erst in einem Zustand der nicht-Beeinflussung die freie Hinwendung zu etwas verwirklicht werden kann. Der österreichische Ökonom und Sozialphilosoph Friedrich August von Hayek sieht Freiheit als einen „Zustand, in dem ein Mensch nicht dem willkürlichen Zwang durch den Willen eines anderen oder anderer unterworfen ist“. Demgegenüber kann nach Niklas Luhmann Freiheit auch „als Unerkennbarkeit der Ursache von Freiheitseinschränkungen“ verstanden werden, also die schiere Unkenntnis des Individuums über das, was es unfrei macht.
Weiterhin gibt es in der Moderne die Idee der ökonomischen Freiheit, sowie Konzepte der Meinungs-, Rede-, Presse-, Willens-, Handlungs- und Religionsfreiheit, um nur einige zu nennen. Diese Freiheiten lassen sich jedoch je nach Verständnis sowohl in die Sphäre der negativen, als auch der positiven Freiheit einordnen. Wird unter diesen Freiheiten verstanden keiner äußeren Einschränkung, z.B. Zensur im Falle der Pressefreiheit, zu unterliegen, können diese Freiheiten als negative Freiheiten verstanden werden. Wird jedoch eine dieser Freiheiten bewusst in Anspruch genommen, etwa durch eine freie Meinungsäußerung, so ist dies positive Freiheit.
Die ökonomische Freiheit befreit nach gängigem Verständnis den Menschen aus seiner nicht selbst verschuldeten Unmündigkeit, da diese sozial konstruiert ist. Gemäß der Prämisse, dass die Freiheit eines Menschen sein Naturzustand ist, sind sämtliche Unfreiheiten das Produkt sozialer Konstruktion. Wie aber lässt sich diese Behauptung verstehen, wie lässt sie sich herleiten? Hierzu muss zunächst einmal die Entwicklung des Menschen betrachtet werden. Anders als andere Tiere hat sich der Mensch von einem primitiveren Zustand zu einem vernunftbegabten Lebewesen entwickelt. Wird nun davon ausgegangen, dass von Natur aus keine Freiheitseinschränkungen existieren, außer denjenigen, die biologisch oder physikalisch bedingt sind und mit dem Stoffwechsel zusammenhängen, so ist der Mensch von Natur aus frei. Der Mensch ist frei, sein Leben nach den von ihm selbst aufgestellten Prämissen zu leben, seinen Aufenthaltsort, sowie seinen für den Stoffwechsel nötigen Konsum und die Individuen, mit denen es verkehrt, selbst zu bestimmen. Somit erlangt der Mensch selbst in Bezug auf seine biologisch unvermeidbaren Einschränkungen die Freiheit, nach der er auch strebt. Menschen wollen frei sein.
Die Menschheit entschied sich nun aber im Laufe ihrer Entwicklung einen kleinen Teil dieser ihr ureigens innewohnenden Freiheit aufzugeben, um besser kooperieren zu können. So gründete der Mensch nach und nach zuerst Familienverbände, die durch die afrikanische Savanne zogen, später Stämme, in denen sich verschiedenen Familien zusammenschlossen, die sich wiederum zu Nationen verbanden und schließlich ganze Weltreiche errichteten. Auf jeder dieser Entwicklungsstufen gab der Mensch dabei mehr und mehr persönliche Freiheitsrechte an die Gemeinschaft ab. Der Umfang der Freiheitseinschränkung, also der Grad der Unfreiheit muss dabei auf der gleichen Entwicklungsstufe jedoch nicht identisch sein. So liegt es letztlich an der Ausgestaltung der jeweiligen Gesellschaftsordnung, inwiefern das einzelne Individuum Souveränitätsrechte an das Kollektiv abgibt. Auch zwischen den einzelnen Individuen einer Gesellschaft kann dabei der Freiheitsgrad abweichen, je nachdem, inwiefern die einzelnen Individuen Gebrauch von ihren positiven Freiheitsrechten machen.
Generell findet die persönliche Freiheit da ihre Grenze, wo die Freiheit einer anderen Person beginnt. So mag es zwar eine Freiheit der Handlung (Handlungsfreiheit) geben, jedoch ist eine Handlung, die die Freiheit eines anderen dadurch einschränkt, dass dieser nicht in der Lage ist seinerseits die ihm zustehenden Freiheitsrechte wahrzunehmen, verboten. Ein Beispiel wäre das wiederwillige Festhalten einer anderen Person, die daraufhin nicht mehr in der Lage ist, ihre Freiheitsrechte auszuüben. Darüber hinaus hat ein jeder Mensch uneingeschränkte Freiheitsrechte. John Stuart Mill schrieb einst dazu: „Der Grundsatz lautet, dass der einzige Grund, aus dem die Menschheit, einzeln oder vereint, sich in die Handlungsfreiheit eines ihrer Mitglieder einzumischen befugt ist, im Selbstschutz besteht. Der einzige Zweck, für den man zurecht [sic] Zwang gegen den Willen eines Mitglieds einer zivilisierten Gemeinschaft ausübt, ist die Vermeidung der Schädigung anderer.“ Freiheit ist jedoch nicht etwa ein Privileg, dass eine Gesellschaft ihren Mitgliedern gewährt, sondern das Recht jeder Person.
Gleichwohl ist Freiheit immer wieder ein bedeutendes Thema im Verlauf der Menschheitsgeschichte gewesen. Juden feiern seit Jahrtausenden jährlich das Passahfest, das an die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei erinnert. Auch die Stoa, eine antike griechische Philosophieschule aus dem fünften bis vierten Jahrhundert vor Christus, beschäftigt sich mit dem Thema Freiheit, die hier als „wie man will“ verstanden wird. Gleiches setzt sich auch in der christlichen Lehre fort. Sowohl bei Paulus, „Denn ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder und Schwestern“ (Gal 5, 13), als auch in einer der bedeutendsten reformatorischen Schriften Martin Luthers, Von der Freiheit eines Christenmenschen, spielt Freiheit eine wichtige Rolle. Hier steht sie als erste der insgesamt 30 Thesen an prominenter Stelle. „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan.“ Diese Entwicklung geht in der christlichen Lehre sogar noch weiter. Die Liebe Gottes zu den Menschen, der zentrale Aspekt dieser Lehre, drückt sich darin aus, dass Gott den Menschen vollumfängliche Freiheit gewährt.
Freiheit, Liberté, Freedom. Jede Sprache kennt einen Namen für dieses Konzept, jede Kultur erschafft dazu Kunstwerke und einige errichten sogar ganze Monumente. Die Freiheitsstatue in New York, welche die römische Göttin Libertas darstellt, ist hierfür nur ein Beispiel von vielen.
Auch Gesetzeswerke greifen die Freiheit als Thema auf. Neben aktuellen Werken wie dem deutschen Grundgesetz oder der UN-Menschenrechtscharta, „alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“, tun dies auch schon frühere Schriften, wie die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 mit „Menschen werden frei und gleich an Rechten geboren und bleiben dies auch“, oder die Magna Carta Libertatum von 1215.
Insgesamt scheint dem Thema Freiheit eine große Bedeutung im Verlauf der Menschheitsgeschichte, aber besonders in der Moderne, zu zukommen. So scheint Freiheit wohl doch mehr zu sein, als nichts zu verlieren zu haben, ganz egal welchem Freiheitsverständnis der geneigte Leser anhängen mag, ob es um die bloße Freiheit von Unterdrückung, die Möglichkeit zur freien Selbstentfaltung geht, oder gar eine ganz andere Philosophie. Nahezu alle modernen Sichtweisen sehen Freiheit als das angeborene Recht eines jeden Menschen an, das es zu schützen und zu bewahren gilt. An noch immer viel zu vielen Orten der Erde wird dies jedoch nicht berücksichtigt. Es ist an der Zeit zu leben, was wir schon lange wissen, nämlich dass ein jeder Mensch das Recht hat frei zu sein. Damit nicht mehr gilt, was der Dichter Marius Müller-Westernhagen schon 1990 schrieb: „Freiheit ist die einzige, die fehlt“.
Michael Messal ist Praktikant beim Austrian Economics Center.
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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