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10.11.2022
Wie wird Strom gehandelt? – das Marktdesign

Am 19. Oktober war Arnold Weiß von EPEX SPOT zu Gast im Hayek Institut und erläuterte den europäischen Strommarkt. Es gibt drei Varianten des Stromhandels:
- Handel am nächsten Tag (Day-Ahead Markt)
- Handel während desselben Tages (Intraday Markt)
- Langfristiger Handel (Future Markt)
In den Median wird viel von der Merit-Order und vom Pay-as-cleared Modell gesprochen. Beide Begriffe stammen aus dem Day-Ahead Markt, in dem der Handel täglich zu Mittag als Auktion stattfindet; geliefert wird am folgenden Tag, für jede der 24 Stunden. Jeder Teilnehmer schickt sein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Strom verdeckt an die Börse, die die Gesamtnachfrage und das Gesamtangebot auf europäischer Ebene aggregiert und einen Preis errechnet, den sogenannten Market Clearing Price, der für alle Angebote gilt – pay-as-cleared. Die aggregierten Angebote bilden eine steigende Angebotskurve, die alle Technologien repräsentiert – die Merit-Order-Curve. Sie sortiert das Angebot vom günstigsten (z.B. erneuerbaren Anlagen) zum teuersten Anbieter (z.B. Gasturbinen), der gerade noch berücksichtigt werden muss, um die Nachfrage zu bedienen und so den Preis setzt. Damit wird gewährleistet, dass jeder Erzeuger seine jeweiligen Grundkosten decken kann, und dass zugleich die Nachfrage zum niedrigsten möglichen Preis bedient wird.
Der Intraday Markt ist hingegen in Echtzeit organisiert; laufend werden Angebote für den Kauf und Verkauf von Strom eingebracht. Sobald sich zwei Angebote entsprechen kommt eine Transaktion zu Stande. Hier werden die Preise nicht aggregiert und die Preisfindung geschieht zwischen zwei Handelspartnern (pay-as-bid).
Der langfristige Handel, der bis zu 10 Jahre in die Zukunft gehen kann, läuft ebenfalls in Echtzeit ab.
Die absolute Gleichsetzung „Strommarkt ist Merit-Order-Curve“ stimmt also nicht. Und es ist auch nicht das Ziel des Merit-Order-Prinzips, den höchstmöglichen Preis zu lukrieren, im Gegenteil. Die Nachfrage wird zum niedrigsten Preis gedeckt und die Erzeuger können sicher sein, dass sie ihre Kosten decken können und die Verfügungsstellung des produzierten Stroms für sie kein Minusgeschäft darstellt.

Preisgestaltung und Netzbewirtschaftung
2022 schwankten die Durchschnittspreise pro MWh sehr stark, von weniger als 100€ bis zu 600€. Im Baltikum gab es Spitzen von Einzelverkäufen bis zu 4.000 €/MWh. Obwohl die Durchschnittswerte die Schwankungen glätten, zeigen sie doch die Volatilität des Marktes. Die Preise steigen auf Grund von zurückgehendem Angebot und steigender Nachfrage und sinken im gegenteiligen Fall. Ein Überangebot an Strom kann auch zu negativen Preisen führen, nicht jede Kraftwerkstechnologie ist geeignet, die Produktion rasch zurückzufahren und bestimmte Erzeuger nehmen daher negative Preise in Kauf. Um das Netz nicht zu überlasten, erhalten diejenigen Kraftwerke, die gestoppt werden können, Kompensation für den Stopp, bzw. Großverbraucher erhalten Förderungen, wenn sie die Abnahme erhöhen.
Das Stromsystem wird künftig, erst recht im Kontext der Energiewende, verstärkt mit schwankenden Erzeugungskapazitäten umgehen müssen. Ein unkontrolliertes Überangebot führt zu einem überlasteten Netz, was wiederum zu einem europaweiten Black out führen kann. Anfang der 2000er wurde nur selten in das Stromnetz eingegriffen; heute gibt es kaum einen Tag, an dem nicht eingegriffen werden muss, um Netzengpässe aufzulösen.
Wer ist schuld an den hohen Preisen?
Die hohen Strompreise werden auch durch Knappheit von Gas bestimmt, da Gasanlagen am Ende der zuvor erläuterten Merit-Order-Curve stehen. Es gibt aber eine Vielzahl von weiteren Faktoren, die zur Energiepreiskrise beitragen. Weitere Ursachen liegen in der europaweiten Dürre des vergangenen Sommers, die sowohl Wasserkraftwerke als auch Atomkraftwerke stoppte, und in der unterdurchschnittlichen Windproduktion. Daneben ist die Preisfindung stark mit politischer Einflussnahme verbunden. In einem unbeeinflussten Markt hätte der gegenwärtige Angebotsschock einen Effekt sowohl auf das Volumen als auch auf den Preis. Hohe Preise sollten ein Anreiz für neue Anbieter sein zusätzliches Angebot zu schaffen, da die Nachfrage so hoch ist; doch das ist nicht der Fall. Durch die staatlichen Finanzhilfen bleibt auch die Antwort auf der Nachfrageseite, also eine signifikante Reduzierung des Stromverbrauchs, weitestgehend aus.

Ausblick
Die Situation ist langfristig völlig offen. Die Gasreserven in Österreich dürften für diesen Winter reichen. Doch was geschieht dann? Deutschland verschiebt den Ausstieg aus der Atomkraft bis April 2023. Ein Plan für Mai 2023 und darüber hinaus wurde nicht kommuniziert.
Erneuerbare Energien sind ein Teil der Lösung, aber eben nur ein Teil, denn die Produktion dieser Anlagen ist schwer vorhersehbar und fluktuiert je nach Wetterlage. Nur Rentabilität durch volle Exponierung auf dem Strommarkt macht sie langfristig zukunftsfähig.
Arnold Weiß drückt es so aus: „Es gibt die Tendenz lieber den Boten zu erschießen, als die zugrundeliegenden Probleme zu lösen.“ Preise deckeln ist nichts als Symptombekämpfung, während die Ursachen bleiben. Man müsste die Produktion ankurbeln, nur fehlen dazu die Rohstoffe, in neue Erzeugungsmittel investieren, nur fehlen dazu die Anreize. Andererseits müsste die Nachfrage eingedämmt bzw. optimiert werden. Die Technologien und Ressourcen dazu stehen zur Verfügung, allein die Chance diese sinnvoll einzusetzen, wurde verpasst. Nun ist der Moment gekommen, um all das aufzuholen und das europäische Stromsystem fit für die Zukunft zu machen. Der Markt liefert dabei eine transparente und unentbehrliche Information: Den Marktpreis, welcher sich unverzerrt aus Angebot und Nachfrage ergibt und der die Basis für die wirtschaftlichen Entscheidungen bildet.
Sehen Sie hier den Vortrag:
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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