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21.10.2014
Wird der Goldpreis manipuliert?

Die Goldpreisentwicklung narrt Experten und Spekulanten. Die Schwankungen sind unerklärbar. Wer manipuliert den Goldpreis?
von Raoul Sylvester Kirschbichler
Die Verwirrung ist groß. Aber sofort gibt es Experten, die aufzeigen und meinen, alles logisch erklären zu können. Ihrer Ansicht nach kam vieles unerwartet, aberp wirklich überrascht sind die Goldreis-Prognostiker angeblich doch nicht. Trotzdem: Sie sind weit davon entfernt, die Goldpreisschwankungen der letzten Monate und Jahre logisch erklären zu können.
Goldbarren bleiben nur eine Waffe mit sehr begrenzter Wirkung, möchte sie der Anleger gegen eine drohende Hyperinflation einsetzen. Der Goldpreis wird sehr gerne als „Fieberkurve der Finanzmärkte“ bezeichnet, er reagiert schlagartig, angeblich aber nicht so sehr auf eine hohe Teuerung, sondern auf die Tendenz. Die offiziellen Inflationsraten gingen stark zurück, in den USA stürzte die erwartete Zehnjahresteuerung von 2,6 Prozent pro Jahr auf 1,9 Prozent ab. In Europa war der Einbruch sogar noch dramatischer.
Gold hatte innerhalb eines Jahres 30 Prozent seines Wertes eingebüßt und war somit die große Enttäuschung des Jahres 2013. Nun spricht vieles dafür, dass sich das Edelmetall bei seinem „normalen Wert“ einpendelt – er lag über Jahrzehnte deutlich unter der 1000-Dollar-Marke für eine Unze Gold. Doch das ist eine Einschätzung, die sich nicht wirklich argumentieren lässt. Denn es gibt kein akzeptiertes Preiskalkulations-Modell für Gold. Anleihen und Aktien können wir richtig bewerten, der „richtige“ Wert des Goldes bleibt nicht kalkulierbar. Ob die Feinunze (etwa 31 Gramm) momentan bei 400 US-Dollar oder doch bei 1700 US-Dollar stehen sollte, lässt sich demnach nicht sagen.
Niemand hatte erwartet, dass eine Feinunze Gold die 1000-Dollar – Schallmauer durchbrechen wird. Doch im September 2011 war sogar die 2000-Dollar-Marke in Reichweite. Der Goldpreis kletterte in New York auf sein Allzeithoch von 1920,65 US-Dollar. Im Euroraum erzielte die Feinunze ein Monat später ihren höchsten Wert: 1388,62 Euro.
Erklärungen für die Hochblüte des goldenen Zeitalters waren sehr schnell gefunden: Sie reichten von den Zweifeln rund um die US-Bonität bis hin zum Tōhoku-Erdbeben in Japan (11. März 2011), das die Tragödie Fukushima zur Folge hatte. Auch ein Zusammenhang zur wachsenden Weltverschuldung und zur Eurokrise wurde logischerweise hergestellt.
Gold galt schon immer als Krisenwährung. In der 1970er und 1980er Jahren waren die Ölkrise und das beispiellose Wettrüsten der Supermächte für das Goldhoch verantwortlich. Wer die 1980er Jahre allerdings genauer unter die Lupe nimmt, der erkennt sehr schnell, dass der damalige Höhenflug (600 US-Dollar) die erste große Goldblase war. Sie zerplatzte und der Goldpreis blieb bis zur Jahrtausendwende konstant bei rund 400 US-Dollar. Aus heutiger Sicht wird auch die Goldpreisentwicklung von 2002 bis zum Rekordhoch von 2012 als „blasenartige Entwicklung“ eingestuft.
Der Goldpreis ist in den letzten zwölf Monaten um 28 Prozent gefallen. Damit verlor Gold so viel an Wert wie zuletzt im Jahr 1981. Bei nahezu allen Investorengruppen war die Nachfrage nach dem Edelmetall gefallen: Fonds verkauften tonnenweise Gold, beim bisher größten Goldnachfrager Indien brachen die Goldimporte ein und auch Zentralbanken kauften deutlich weniger.
Groß ist die Sorge um mögliche Goldpreismanipulationen. Besonders das sogenannte Goldpreis-Fixing rückt in den Fokus der Aufsichtsbehörden: Fünf Großbanken legen zweimal am Tag den Preis für das Edelmetall fest – ein intransparenter Vorgang, der für Außenstehende völlig undurchschaubar ist und an die Festlegung des Libor-Zinssatzes erinnert. (Zumindest 20 Banken hatten über mehrere Jahre hindurch den Libor manipuliert.) Der Verdacht, dass auch das Goldpreisfixing ausreichend Spielraum für Absprachen lässt, wurde bereits bestätigt. Zwischen 2004 und 2013 soll es zu – mittlerweile bestätigten – Goldpreismanipulationen gekommen sein. Ein noch größerer Verdacht über Absprachen rund um den Goldpreis besteht im Termingeschäft: Hierbei wird die Goldpreisentwicklung für die nächsten Wochen und Monaten vorhergesagt. Lediglich drei große US-Banken haben Einfluss auf das Termingeschäft.
Hinter den großen und unvorhersehbaren Goldpreis-Schwankungen stecken offiziell wenige unberechenbare Großinvestoren. Sobald sie den Goldpreis über eine magische Grenze treiben, folgen ihnen die Kleinanleger im großen Stil. Ein Drittel der globalen Goldnachfrage kommt aus dem Investmentbereich. In keinem anderen Rohstoffmarkt spielen die Investorenerwartungen so eine große Rolle.
Sowohl China und Indien haben derzeit kein Interesse, ihre Devisenguthaben mit Gold zu diversifizieren, noch ist die Inflation weltweit sehr niedrig und die Zinssätze dürften vor allem in den USA sehr bald hinaufgesetzt werden. In den Bergwerken und Goldminen wurden Überstunden eingelegt, um mit höheren Verkäufen zumindest kurzfristig die gesunkenen Edelmetall-Preise auszugleichen. Experten erwarteten zu Jahresbeginn, dass der Goldpreis noch tiefer absinken wird, vielleicht sogar weit unter die 1000-Dollar – Grenze.
Doch der Wert der Feinunze scheint sich 2014 an keine goldene Regel zu halten. Er umgeht gekonnt Charttechnik und Fundamentanalyse. Der Goldpreis narrt Wirtschaftsexperten wie Spekulanten: Zwischen Januar und März zog der Preis von 1200 auf fast 1400 Dollar an. Im Handumdrehen gab es wieder unzählige Erklärungen, die alles schnell und logisch begründeten: Die Lohn- und Preisentwicklung in den USA gibt den Takt vor, die Inflationserwartungen drehen nach dem ersten Quartal nach oben. Tatsächlich lag die US-Inflation von April bis Juli über 2 Prozent.
Seither hält die Goldralley an: Der Erholung der amerikanischen Wirtschaft stehen die großen geopolitischen Krisen gegenüber. Nach der Beunruhigung um die Ukraine steht das deutsche Börsenbarometer zwei Prozent im Minus, während es der amerikanische Leitindex auf ein Plus von lediglich fünf Prozent verbucht. Sobald die Spannungen im weltweiten Finanzsystem wieder zunehmen, könnte der Goldpreis erneut steigen – bis auf 1500 Dollar?
Die Meinungen der Experten gehen weit auseinander:
Goldman Sachs hat die Prognose nach oben angepasst. Die Begründung von Chef-Analyst Jeffrey Currie ist aber nicht wirklich einleuchtend: „Auf lange Sicht ist der Goldpreis in realer Betrachtung stabil und er hält Schritt mit der Inflation. Dementsprechend haben wir gedämpfte Erwartungen, in der Annahme, dass Gold einen effektiven Inflationsschutz darstellt und Steigerungen des nominalen Goldpreises dem Einfluss der Inflation entgegensteuern.“
Für Dominic Snider von UBS Wealth Management ist alles klar:: „Es gibt klare Gründe, warum der Goldpreis nicht steigen wird: China hat keine Absicht Gold zu kaufen.“ Die Asiaten würden Gold eben nur dann kaufen, wenn die Preise niedrig sind, so wie im Vorjahr, als ihr Goldkonsum nach dem Goldpreisabsturz stark anstieg. Heuer wäre dagegen mal ein Jahr der Konsolidierung und der Goldkurs müsste erst noch stärker fallen, damit die Asiaten wieder zuschlagen.
Klare Worte finded auch Doug Casey von Casey Research. Für ihn geht die Wirtschaft vielleicht bis Jahresende, sicher aber 2015, wieder in den freien Fall über – eine Folge der „perversen und idiotischen“ Handlungen der Zentralbanken. Und da gibt es für Casey nur eine Reaktion darauf: „Kaufen Sie Gold, die Zentralbanken drehen durch.“
Sicher ist der derzeitige Goldpreis: 1.207,55 US-Dollar (3. 10. 2014; Kurszeit 11:49)
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
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