|

Wofür steht Liz Truss?

pexels pixabay 460672

Eamonn Butler meint, Liz Truss wird den Ton für Modernisierung und Reformen angeben - ganz anders als die Verwalter der letzten drei Jahrzehnte.

Was sollen Liberale von der neuen britischen Premierministerin Elizabeth („Liz“) Truss halten? Eine Regierungschefin, deren erste Ankündigung darin besteht, dass ihre Regierung 100 Milliarden Pfund leihen wird, um die Energiepreise zu deckeln, könnte wie eine unreformierbare Sozialistin erscheinen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Truss‘ Regierung ist zweifellos ideologisch die freiheits- und marktfreundlichste Regierung, die das Vereinigte Königreich seit Margaret Thatcher hat. Alle anderen waren schlagzeilenorientierte Verwalter. Aber Liz Truss glaubt tatsächlich an die Prinzipien der freien Marktwirtschaft und hat ihre Regierung (größtenteils) aus Gleichgesinnten gebildet.

Ich kann mich an keinen Premierminister erinnern, dessen Amtsantritt mit so geringen Erwartungen der Öffentlichkeit verbunden war. Wegen Covid ist das Land immer noch gezeichnet und hoch verschuldet – vor allem wegen der Störung der Wirtschaft durch Boris Johnsons Shutdowns, die, wie viele von uns jetzt feststellen, nicht nur schädlich, sondern wahrscheinlich auch unnötig waren. Die Inflation liegt bei etwa 10 % und wird voraussichtlich irgendwann 20 % erreichen. Die Steuern sind so hoch wie seit den 1950er Jahren nicht mehr. Die Lebensmittelpreise steigen wegen des Krieges in der Ukraine sprunghaft an. Die Energiepreise steigen auch deshalb – aber auch wegen der ungeschickten politischen Fehler der Vergangenheit: Schließung von Kernkraftwerken und Verzicht neue zu bauen, Vorschriften, die Fracking praktisch unmöglich machen, das Versäumnis für ausreichende Gasspeicherkapazitäten zu sorgen und vielem mehr. Sechs Jahre nach dem Brexit-Votum scheint wenig getan worden zu sein, um die möglichen Vorteile durch Deregulierung, Steuerreform und Handel zu nutzen. Die Wartelisten für Behandlungen im staatlichen Gesundheitsdienst (National Health Service) liegen bei über 5 Millionen und könnten auf das Doppelte ansteigen; monatlich müssen etwa 30.000 Patienten mehr als 12 Stunden warten, selbst wenn es sich um einen Unfall- oder Notfall handelt. Und das im Sommer: ein strenger Winter würde den Gesundheitsdienst noch mehr belasten.

Es wäre eine übermenschliche Leistung, wenn Liz Truss ihr Ziel, niedrigere Inflation und niedrigere Steuern im Herbst, erreichen würde.

Truss‘ Gegenkandidat im Rennen um die Position des Regierungschefs, Rishi Sunak, vertrat die Ansicht, dass Steuern erhöht werden müssen, damit die Regierung sich aus ihrem finanziellen Loch befreien könnte. So schlug er eine Erhöhung der Sozialversicherung vor – ursprünglich eine Sozialversicherungsabgabe, jetzt aber im Grunde eine Steuer auf Arbeitsplätze – sowie eine Anhebung der Unternehmenssteuern und vieles mehr. Truss‘ Ansicht, die von ihrem Finanzminister, Schatzkanzler Kwasi Kwarteng, geteilt wird, ist, dass der einzige Weg aus den Schulden darin besteht, mehr Geld zu verdienen. Sie setzen auf Wachstum, und zwar in großem Stil.

Der Pragmatismus, den alle Regierungen an den Tag legen müssen, wenn sie die Öffentlichkeit bei der Stange halten wollen, besteht auch jetzt. Daher auch das Einfrieren der Energiepreise. Daher die vergleichsweise leise Debatte über Kürzungen bei den Staatsausgaben (obwohl die Regierung Truss an dem Ziel ihrer Vorgänger festhält, die Zahl der Beamten zu verringern). Die große Veränderung besteht darin, dass die neue Regierung genug hat von den Steuererhöhungen und der Ausweitung von Regulierungen der letzten Jahrzehnte und dass sie diese als wachstumshemmend ansieht und damit als Gefährdung der Unabhängigkeit des Landes in schwierigen Zeiten.

Sie haben Recht. Fragt man jemanden, der ein kleines Unternehmen gründen will, was die größten Hindernisse sind, so werden Flächennutzungsplanung und Vorschriften genannt. Aber das, was ihre Ambitionen wirklich zunichte macht, ist die Besteuerung. Ein Unternehmen zu gründen oder zu erweitern ist ein risikoreiches Unterfangen. Eine Hypothek auf das Eigenheim oder Geld von Freunden und Verwandten leihen. Höhere Steuern vergrößern dieses Risiko nur zusätzlich. Das Unternehmen muss mehr verdienen, nur damit das Einkommen gleich bleibt. Und es ist ohnehin nicht einfach, die Erträge eines neuen Unternehmens vorherzusagen.

Truss ist durchaus bereit, Kredite aufzunehmen, um die Steuersenkungen zu finanzieren, die ihrer Meinung nach das Wachstum und die Gründung neuer Unternehmen anregen werden. Sie spekuliert damit, dass die Finanzmärkte die Weisheit dieses Ansatzes erkennen. Tatsächlich gibt es Anzeichen dafür, dass sie das bereits getan haben. Vielleicht gibt es kaum eine Alternative: Wenn die Märkte fallen, suchen die Menschen nach sicheren Anlagen; Regierungsanleihen gehören zu den sichersten Anlagen, und die britische Regierung ist eine der sichersten, so dass es keinen Mangel an Kaufinteressenten gibt.

Ich bin überzeugt, dass Liz Truss Staatsverschuldung ebenso verabscheut wie jedes Mitglied ihrer konservativen Partei. Aber sie hält es für unerlässlich, das Wachstum anzukurbeln – nicht durch Ausgaben für Regierungsprogramme, sondern durch Steuersenkungen und tiefgreifende institutionelle Reformen. Und diese Reformagenda ist in ihren bisherigen Äußerungen sehr deutlich geworden. Sie befürwortet nachdrücklich die Verringerung der regulatorischen und bürokratischen Belastungen für Unternehmen, insbesondere für kleine Unternehmen, und sie hat einen Mitstreiter, Jacob Rees-Mogg, zum Wirtschaftsminister ernannt.

Es ist bezeichnend, dass eine weitere frühe Ankündigung ihrer Regierung darin besteht, über die Aufhebung der nach dem Finanzcrash eingeführten Obergrenze für Banker-Boni nachzudenken. Bankerboni sind unpopulär, weil sie oft sehr hoch sind und weil die Öffentlichkeit nicht weiß, dass hohen Boni eine gute Möglichkeit sind, talentierte Mitarbeiter mit niedrigem Einkommen in guten und schlechten Zeiten zu halten. Ja, die Obergrenze benachteiligt die britischen Banken gegenüber anderen und kostet Wirtschaftswachstum. Aber der eigentliche Grund für die Reform ist, dass Lohn- und Preisobergrenzen jeglicher Art die Märkte stören. Wir können mit weiteren Reformen dieser Art rechnen.

Truss ist auch der Meinung, dass Arbeitsplatzregulierungen eher zur Wirtschaft der 1950er Jahre passt als zur heutigen „Gig“-Wirtschaft, in der man mit Uber fährt, bei Airbnb wohnt und Deliveroo isst. Gleiches gilt für die Steuervorschriften: Das Finanzministerium plagt die Selbstständigen, von denen seine Beamten annehmen, dass sie alle ihre Steuern hinterziehen. Es mag also bürokratischen – und gewerkschaftlichen – Widerstand geben. Aber die Reform muss kommen, und Truss ist entschlossen, sie voranzutreiben.

Ein weiteres Ziel sind Reformen im Bereich Planung. Auch hier wird die britische Politik weitgehend von einem Parlamentsgesetz aus dem Jahr 1947 bestimmt, als die Dinge noch ganz anders waren. Die Ausdehnung von Städten wird durch „Grüngürtel“ verhindert, die in der Regel alles andere als grün sind (es handelt sich um Flächen, die durch industrielle Landwirtschaft genutzt, keinerlei öffentlichen Nutzen bieten). Höhenbeschränkungen bedeuten, dass die Städte auch nicht in die Höhe wachsen können, mit mehrstöckigen Wohnblocks wie in den Zentren der europäischen Hauptstädte. So wird Wohnraumangebot knapp und gleichzeitig vermehrt sich die Nachfrage durch steigende Bevölkerung, Zuwanderung. Dazu kommt ein Jahrzehnt mit Zinssätzen nahe Null. Jetzt schießen die Hauspreise in die Höhe, junge Menschen können sich keinen Wohnraum leisten, und Arbeitnehmer müssen weit entfernt von ihrem Arbeitsplatz wohnen. Ein paar Änderungen würden das Problem lösen – wenn Truss sie in ihrer eigenen Partei durchsetzen kann, in der viele Mitglieder Eigenheimbesitzer sind und von der Situation profitieren.

Mit nur zweieinhalb Jahren bleibt Liz Truss nur wenig Zeit, um diese und die vielen anderen Reformen, die sie anspricht, durchzusetzen. Und es gibt Widerstände zu überwinden. Aber wie Frau Thatcher sagt sie, was sie will, auch wenn sie etwas nicht ändern kann. Damit wird sie den Ton für Modernisierung und Reformen angeben. Ganz anders als die Verwalter der letzten drei Jahrzehnte.

Author

Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.

Gefällt Ihnen der Artikel?

Das freut uns! Bitte unterstützen Sie uns, wenn Sie mehr solcher Artikel lesen möchten:

Das interessiert Sie vielleicht auch:

Diesen Artikel teilen!

Jetzt zum Newsletter anmelden!