|
25.11.2022
„Wokeness“ – Staatlich Subventionierte Anti-Kapitalistische Gesinnung und Realitätsverlust

Dem Zeitalter der Aufklärung verdankt die Menschheit die Abkehr vom Aberglauben und den Durchbruch der Vernunft. Die kant’sche Aufforderung, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, nach Wissen zu streben, um nicht alles glauben zu müssen, fiel auf fruchtbaren Boden.
Diese Zeiten gehören der Vergangenheit an, seit die in den USA erfundene „Political Correctness“ ihren Siegeszug über den Globus angetreten hat. Das bedingungslose Streben nach wissenschaftlichen Einsichten und Erkenntnissen wiegt seither weniger als verletzte Gefühle und das, was von den über die Meinungshoheit gebietenden politischen Eliten als moralisch deklariert wird. Gewachsen ist diese moralisierende Ideologie auf dem Fundament des Kulturmarxismus, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vom italienischen Kommunisten Antonio Gramsci gelegt wurde.
Der linke Intellektuelle betrachtete die Erringung der kulturellen Hegemonie als notwendige Voraussetzung für die Überwindung der marktwirtschaftlich verfassten bürgerlichen Gesellschaft. Doch erst mehrere Jahrzehnte später wurde der von Gramsci erdachte „Marsch durch die Institutionen“ von der 1968er-Revolution respektive deren Protagonisten und Nachfolgern tatsächlich angetreten und erfolgreich abgeschlossen. Linke Akademiker, die unter Marktbedingungen – außerhalb politisch geschützter „Werkstätten“ – keine Karrierechancen gehabt hätten, konnten seither sämtliche Institutionen des Staates infiltrieren und/oder vollständig unter ihre Kontrolle bringen. Das gilt insbesondere für die Bildungseinrichtungen, namentlich die Universitäten.
Es ist daher kein Wunder, dass die extremsten Auswüchse der politischen Korrektheit, wie Genderismus, Kritische Rassentheorie, Black-Lives-Matter-Bewegung, Fridays for Future, Extinction Rebellion, Cancel Culture, Letzte Generation oder Wokeness an den Hochschulen am besten gedeihen und diese Bewegungen dort ihre schlagkräftigsten „Bataillone rekrutieren“. Den gemeinsamen Nenner all dieser Zeitgeistphänomene bildet die fanatische Ablehnung einer freiheitlich-liberalen Ordnung. Wie alle marxistischen Theoretiker der Vergangenheit verfügen auch die zeitgenössischen „Social Justice Warriors“ über keine konkreten Ideen, wie die Lebensgrundlage von knapp acht Milliarden Menschen auf diesem Planeten gewährleistet werden soll, wenn sie erst einmal alle bestehenden Strukturen in Trümmer gelegt haben. Fragt man diesbezüglich nach, erhält man nichts als Gemeinplätze und phantasievolle Schwärmereien zur Antwort. Jedenfalls nichts Handfestes.
Dem Internetlexikon Wikipedia entnehmen wir: Woke (englisch ,erwacht‘, ,wach‘) ist ein im afroamerikanischen Englisch in den 1930er Jahren entstandener Ausdruck, der ein „erwachtes“ Bewusstsein für mangelnde soziale Gerechtigkeit und Rassismus beschreibt. Die Bedeutung im Duden lautet: „In hohem Maß politisch wach und engagiert gegen (insbesondere rassistische, sexistische, soziale) Diskriminierung“, wobei auf einen möglicherweise abwertenden Gebrauch hingewiesen wird.
Der in Harvard lehrende Experimentalpsychologe und Kognitionswissenschaftler Steven Pinker äußert sich in einem Interview mit dem Politmagazin L´Express über den „Wokeismus“ so: „Dieser universitäre Irrsinn geht uns alle an.“ Seine Kritik am Wokeismus speist sich aus der folgenden Einschätzung: „Weil diese woke Orthodoxie schlimmstenfalls Anleihen an der Apartheid und am Nazismus macht.“ Also: Lupenreiner Rassismus im Dienst eines vorgeblichen Antirassismus? Ob es sich dabei um Ironie, Zynismus oder einfach um fehlende Reflexion handelt? Wer weiß das schon.
Pinker weiter: Wokeismus ist eine Art „Religion mit einem sehr starken Moralismus“ geworden – eine Bewegung, „die weder auf Fakten noch auf der Wissenschaft basiert“.
Der konservative US-amerikanische Publizist Rod Dreher, bezeichnet in einem Interview mit dem bürgerlichen Pariser „Figaro“ den Wokeismus als „sanften Totalitarismus“. Weiter meint er: „Ein totalitärer Staat zeichnet sich dadurch aus, dass er sich anschickt, „die Wirklichkeit zu definieren und zu kontrollieren, das heißt, er versucht, für Sie zu entscheiden, was die Wahrheit ist“.
Ein besonders augenfälliges Beispiel dafür ist für Rod Dreher die Genderideologie. Wer der Genderideologie nicht bedingungslos folgt, wird von den Institutionen ausgeschlossen. Wurden einst Studenten im Ostblock, gleich welcher Fachrichtung, mit obligaten Unterweisungen in der säkularen Religion des Marxismus-Leninismus beglückt, ist es heute die verbindliche Verwendung „gendergerechter“ Sprache und jeglicher Verzicht auf eine Kritik an der bizarren Idee, es gäbe 64 Geschlechter. Faktum aber ist: Jeder Mensch produziert entweder Ei- oder Samenzellen. Er verfügt über Y-Chromosomen oder eben nicht. Ein Drittes gibt es nicht. Ergo: Zwei Geschlechter. Ideologien, auch wenn sie sich unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit verbergen, haben an Universitäten indes nichts verloren. Wäre es anders, könnte auch gegen die Einrichtung von Fakultäten für Astrologie oder Kaffeesudleserei schwerlich etwas eingewendet werden.
Wer das Gegensatzpaar wahr oder falsch durch jenes von Gut und Böse ersetzt, duldet keinen Widerspruch und wünscht keinen offenen Diskurs. Denn zwischen Gut und Böse kann es keine Kompromisse geben. Das Böse muss vielmehr mitsamt der Wurzel ausgerissen und vernichtet werden. Es geht also um nicht weniger als um einen Rückfall hinter die Errungenschaften der Aufklärung – den Ersatz des Wissens durch einen (Aber-)Glauben – und die Errichtung eines monochromen Weltbildes, das jedermann zu gefallen hat.
Wissenschaft aber lebt vom Diskurs – und stirbt mit ihm. Der Widerspruch ist ein unverzichtbares Korrektiv. Versuch und Irrtum bringen uns voran. Das Verbot bestimmter Überzeugungen, ganzer Forschungsgebiete oder hoheitliche Vorgaben für die von der Wissenschaft zu erbringenden Resultate bringen uns aber ganz sicher nicht voran.
Niemals wird man aus dem Mund „einfacher“ Menschen die absurde Behauptung hören, dass das biologische Geschlecht ein „Konstrukt“ wäre, auch Männer schwanger werden könnten, und auch Frauen über Penisse verfügten. Auch würde keiner von ihnen einem heute lebenden Zeitgenossen vorhalten, was dessen Urururahnen dieser oder jener sozialen oder ethnischen Gruppe einst angetan haben und daraus den Anspruch auf lebenslange Zerknirschung oder gar Selbstschädigung in der Gegenwart ableiten.
Derlei kollektivistischer Humbug kommt ausschließlich solchen Zeitgenossen in den Sinn, die ihr Einkommen offensichtlich auf zu wenig fordernde Weise erzielen und die daher jede Menge Muße haben, sich sogar dem haarsträubendsten Unsinn hinzugeben, der niemandem auf diesem Erdball (außer ihrem Ego und Menschen, die Interesse an künstlich erzeugten Konflikten haben) nutzt und mit dem sie am Ende nichts als Neid, Zwietracht und Hass zwischen den Menschen säen.
Max Weber hat in seinem Aufsatz „Politik als Beruf“ den Gegensatz von Gesinnungs- und Verantwortungsethik brillant herausgearbeitet. Die woken Krieger für die „soziale Gerechtigkeit“ sind vollblütige Gesinnungsethiker. Sie verschwenden keinen Gedanken an die Konsequenzen ihres Handelns. Allein auf ihre moralisch einwandfreie, „richtige“ Haltung kommt es ihnen an. „Gerechtigkeit“ oder besser: Allein das, was die „Bolschewoken“ dafür halten, zählt – selbst wenn die Welt darüber in Trümmer fällt.
Die russisch-amerikanische Erfolgsautorin und Philosophin Ayn Rand hat in ihrem Buch „Für den Neuen Intellektuellen“ die Beziehung zwischen dem Hunnenkönig Attila und seinem Geisterbeschwörer beschrieben, die perfekt das Verhältnis zwischen Machthabern und Intellektuellen charakterisiert: Der brutale Macher braucht einen phantasiebegabten Ideenlieferanten, der ihm einerseits Konzepte liefert und andererseits als Apologet gegenüber seinen Untaten fungiert. Als Lohn dafür wird ihm ein privilegiertes und sorgenfreies Leben garantiert. Eine perfekte Symbiose – zulasten der Beherrschten.
Das ist exakt die Situation unserer Tage: In Parlamenten und an der Spitze von Ministerien herrscht graues Mittelmaß und bedrückende geistige Enge. Und so kommt die Unzahl der durch die Massenuniversitäten produzierten Akademiker (Genderwissenschaftler, Soziologen, Politik- und Kommunikationswissenschaftler, Publizisten, Volkswirte und Staatskünstler) gerade recht. Für ihre an den Universitäten erlernten Fertigkeiten mag es zwar in der freien Wildbahn des Marktes kaum Nachfrage geben, aber sie sind nützlich, um der mediokren Politnomenklatura Ideen zu liefern und deren Aktivitäten im besten Licht zu präsentieren. Dafür werden sie mit ebenso sinnfreien wie gutdotierten Dienstposten, Aufträgen, Projekten und Stipendien belohnt.
Queer- und Fahrradbeauftragte, Gender- und Quotenwächter oder Gesinnungsblockwarte könnte und würde es außerhalb der staatlichen Sphäre niemals geben. Denn kein bei klarem Verstand befindlicher Mensch würde freiwillig für deren „Leistungen“ etwas bezahlen. Im wohlfahrtsstaatlich organisierten Wokeistan aber ist genügend Platz für sie.
Man könnte den Wokeismus mit Nietzsche als den Versuch einer „Umwertung aller Werte“ bezeichnen. Nicht was ist, zählt, sondern was von einer selbsternannten neuen Priesterklasse – und sei es auch gegen jedwede Erfahrung und wider jede Logik – als wünschenswert definiert wird. So bedeutet unter dem Regime der Woken allein die bloße Benennung vieler jederzeit überprüfbarer Tatsachen einen Tabubruch: Etwa, dass so gut wie alle wissenschaftlichen, technischen, philosophischen oder kulturellen Errungenschaften von einiger Bedeutung, „weiße“ Urheber hatten. Vom Buchdruck bis zum Düsenantrieb, von der Dampfmaschine bis zum Pockenimpfstoff, von der klassischen Sinfonie bis zum Stickstoffdünger: Alles Erfindungen, Entdeckungen und Entwicklungen, die wir „weißen“ Menschen verdanken. Das auf den Universitäten herrschende Juste Milieu duldet so etwas nicht. Damit hier nichts falsch verstanden wird: Dem Liberalen liegt es – im Gegensatz zu Wokisten – fern, in rassistischen Klischees zu denken. Hier soll nur auf den Widerspruch aufmerksam gemacht werden, dass nur die Schandtaten des „alten weißen Mannes“, etwa in der Kolonialzeit, einer bestimmten Ethnie und einem bestimmten Geschlecht angelastet werden.
Platon träumte einst vom „Philosophenkönig“ als idealem Herrscher. Das mag im ersten Moment gar nicht übel klingen. In Wirklichkeit aber lieferte Platons Philosophie die Grundlage für den Totalitarismus. Da scheint die Idee Ayn Rands ansprechender, die den Typ eines „Unternehmer-Philosophen“ ins Spiel brachte. Einer Figur also, die in beiden Welten zu Hause ist – sowohl in jener der Wertschöpfung als auch in der der Sinnstiftung.
Das Problem besteht nur darin, dass „eierlegende Wollmilchsäue“ schwer zu finden sind. Wer täglich im Hamsterrad der Betriebsführung steckt, hat keine Zeit, um sich tiefschürfend mit Fragen der Philosophie zu beschäftigen. Im universitären Elfenbeinturm sitzende Nerds wiederum bekommen gewöhnlich zeitlebens keine Werkhalle von innen zu sehen und haben meist keine Ahnung von der Welt außerhalb ihres krisensicheren Paralleluniversums.
Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist – auch wenn davon inzwischen kaum noch etwas übrig ist –, derart produktiv, dass es immer noch ein Riesenheer von Anti-Kapitalisten ernähren kann. Damit Antikapitalisten nicht weiterhin von den Produktiven profitieren können, müssen Steuern und Staatsquote gesenkt und jene Biotope trockengelegt werden, in denen der Wokeismus so gut gedeiht.
Source:
Dieser Artikel ist eine gekürzte Version des auf der Seite des deutschen Mises-Instituts erschienen Beitrags: „Wokeness“ – staatlich subventionierte anti-kapitalistische Gesinnung und Realitätsverlust.
Die Meinungen, die hier auf hayek-institut.at veröffentlicht wurden, entsprechen nicht notwendigerweise jenen des Hayek Instituts.
Gefällt Ihnen der Artikel?
Das freut uns! Bitte unterstützen Sie uns, wenn Sie mehr solcher Artikel lesen möchten:
Blog